Juerg Sturzenegger, CEO Fisch Asset Management, im Interview

Juerg Sturzenegger, CEO Fisch Asset Management, im Interview
Juerg Sturzenegger, CEO Fisch Asset Management. (Foto: FAM)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Sturzenegger, das Marktumfeld präsentiert sich äusserst anspruchsvoll. Durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hat es sich erneut fundamental verändert. Welche Auswirkungen erwarten Sie auf die Weltwirtschaft?

Juerg Sturzenegger: Geopolitische Krisen hatten historisch erstaunlicherweise nur sehr limitierten Einfluss auf die längerfristige Entwicklung der Weltwirtschaft und der Finanzmärkte. Kurzfristig dürften aber die steigenden Energiepreise die bereits jetzt schon hohen Inflationsraten zusätzlich antreiben. Dies sorgt zusammen mit den allgemein grossen Unsicherheiten wegen des Krieges in der Ukraine für eine Dämpfung des Konsumentenvertrauens. Zudem werden die Zentralbanken gezwungen, ihre Geldpolitik stärker und schneller als bisher geplant zu straffen. Auch dies hat einen zusätzlich dämpfenden Effekt auf den Konsum, das Wirtschaftswachstum und die Finanzmärkte. Wie erwähnt, dürften diese negativen Einflüsse aber zeitlich beschränkt bleiben, und wir sehen vorerst trotz deutlicher konjunktureller Abkühlung noch keine eigentliche Rezession.

Welche Folgen hat der Konflikt auf die Asset Allokation von Fisch Asset Management? Wie stark sind Ihre Anlagen mit der russischen und ukrainischen Wirtschaft verbunden?

Wir haben das direkte und indirekte Exposure in Russland in allen unseren Strategien sehr schnell nahezu auf null abgebaut, soweit dies aufgrund der Einschränkungen im Börsenhandel möglich war. Es ist zudem bis auf weiteres kein Wiederaufbau russischer Positionen vorgesehen, auch im Fall einer politischen Entspannung nicht. In der Ukraine halten wir weiterhin minimale Positionen, in unserer Emerging-Market-Strategie ist dies insgesamt weniger als ein Prozent. Hier wäre bei einem Ende des Krieges deutliches Erholungspotenzial gegeben. Zudem haben wir in andere Länder sowohl in der Region als auch global investiert, die bezüglich des Rohstoffexposures einen guten Ersatz darstellen.

«Es ist bis auf weiteres kein Wiederaufbau russischer Positionen vorgesehen, auch im Fall einer politischen Entspannung nicht.»
Juerg Sturzenegger, CEO Fisch Asset Management,

Denken wir positiv und hoffen auf sich nicht weiter verschärfende geopolitische Spannungen: Von welchen Entwicklungen ist dann bezüglich Konjunkturentwicklung, Inflation und Geldpolitik auszugehen?

Eine geopolitische Entspannung hätte wieder deutlich tiefere Energie- und Rohstoffpreise zur Folge und damit nachlassenden Inflationsdruck. Dies würde es den Notenbanken erlauben, die Geldpolitik etwas weniger stark zu straffen als derzeit geplant. Tiefere Inflation, eine etwas weniger restriktive Geldpolitik und der Wegfall von Unsicherheiten würden ein allfälliges Rezessionsrisiko eliminieren und an den Aktienmärkten vorübergehend zu Kursgewinnen führen. Da aber die Märkte bisher nur sehr moderat auf die Verschärfung der Krise reagiert haben, ist auch bei einer Entspannung nur mit beschränktem positivem Potenzial zu rechnen.

Der Anstieg der langfristigen Zinsen dürfte zudem weitergehen, da das konjunkturelle Wachstum solide bleibt und die Inflation zwar deutlich zurückkommt, aber noch für längere Zeit deutlich über dem Zweiprozent-Ziel der Notenbanken bleiben dürfte. Mittelfristig würde dadurch auch der Aktienmarkt wieder deutlichen Gegenwind verspüren, da die höheren Zinsen und eine straffere Geldpolitik die Vorteile einer guten Konjunktur überkompensieren.

Fisch Asset Management hat per 1. März die Geschäftsleitung erweitert. Die Leiter der vier Investmentsegmente Wandelanleihen, Emerging Markets Anleihen, Developed Markets Anleihen und Multi Asset Solutions haben Einsitz im Gremium genommen. Welches Ziel verfolgen Sie damit?

Bei einem aktiven Manager müssen Entscheidung und Verantwortung nahe beieinander liegen. In unserem Geschäft ist der Feind der Kompromiss, wir müssen Überzeugungen gewinnen und uns täglich dafür einsetzen. Darum setzt Fisch traditionell auf flache Hierarchien, den Einbezug von Experten und das unternehmerische Handeln. Ein wichtiger Teil unserer Wachstumsstrategie ist die Weiterentwicklung unseres Angebots in den von uns gemanagten Assetklassen. Das beste Mittel dazu ist die Optimierung der jeweiligen Teamstrukturen und nicht die gleichförmige Entwicklung unter einer zentralen Führung. Als agiles Unternehmen haben wir dieser Logik folgend die Erweiterung der Geschäftsleitung vorgenommen. Diese Erweiterung der Geschäftsleitung mit den Leitern der jeweiligen Investmentsegmente unterstützt also unsere Wachstumsinitiativen und ermöglicht die nötigen kurzen Entscheidungsweg bei gleichbleibender Einhaltung der erforderlichen Governance.

«In unserem Geschäft ist der Feind der Kompromiss, wir müssen Überzeugungen gewinnen und uns täglich dafür einsetzen.»

Inwiefern ist das neue Partnermodell Teil einer langfristigen Nachfolgeplanung der Gründer und Mehrheitsaktionäre Kurt und Pius Fisch?

Unser Partnermodell ist die Antwort auf verschiedene Ansprüche. Erstens ist es der Garant für Stabilität und damit ein Versprechen an unsere Kunden auf lange Zeit ein zuverlässiger Partner zu sein. Zweitens definiert es das Vorgehen für die Übertragung der Verantwortung für die Firma von den Gründern zu den zukünftigen Führungsgenerationen. Drittens stellt es sicher, dass die Wertekriterien der Firma und die gelebte gesellschaftliche Verantwortung von einzelnen Personen unabhängig erhalten bleiben.

Konkret stellen damit Kurt und Dr. Pius Fisch als Gründer und derzeitige Mehrheitsaktionäre sicher, dass ihr Lebenswerk in ihrem Sinne und auch über ihre aktive Mitarbeit hinaus fortgeführt wird. Speziell, aber auch im Sinne der Gründer, ist der Aspekt, dass neben den Partnern mit grösseren Aktienanteilen auch alle Mitarbeiter als Aktionäre einen hohen Stellenwert in der Besitzstruktur der Firma haben.

Welche Themen stehen aktuell in der Geschäftsleitung zuoberst auf der Traktandenliste?

Die Asset-Management-Industrie unterliegt fortlaufend starken Veränderungen. Das bedeutet für uns, dass wir die ständige Transformation als Normalität verstehen müssen. Die Planung und Umsetzung von Entwicklungen ist somit Kern unserer Roadmap. Wir kümmern uns unablässig um die Qualität der beiden wichtigsten Träger unser Leistungserbringung: Talente und Tools, d.h. um unsere Mitarbeiter und unsere Systeme. Besonderes Augenmerk legen wir zurzeit aber auch auf unsere Investmentprozesse mit Bezug auf die angesprochene Marktsituation und die Anpassung unserer Strategien, mit Bezug auf Nachfrageveränderungen und die Vertiefung der ESG-Integration.

Ebenfalls per 1. März nahm die Tochtergesellschaft in Frankfurt ihren Betrieb auf. Was ermöglicht Fisch Asset Management dieser Schritt? Sie sind ja bereits seit zwei Jahrzehnten in Deutschland tätig.

Fisch zeichnet sich seit jeher durch grosse Kundennähe aus. Mit der lokalen Präsenz in Frankfurt wollen wir diese Qualität in Deutschland noch einmal unterstreichen. Es ist aber auch ein grundsätzlicher Ausdruck unserer Verbundenheit mit dem Markt und den Kunden in Deutschland. Die Idee ist übrigens nicht neu. Wir hatten uns vor langer Zeit bereits zu diesem Schritt entschlossen, die Umsetzung hat sich aber aufgrund verschiedener externer Ereignisse, wie zum Beispiel Brexit, leider verzögert.

Gegen Ende 2021 hin hat Fisch Asset Management sein Emerging Markets Team mit drei Portfoliomanagern verstärkt. Welche Pläne verfolgen Sie in diesem Bereich?

Die Emerging Markets Corporate Bonds sind eine hoch interessante Anlageklasse für Anleger. Dieser Markt bietet ein spannendes Spektrum an Rendite/Risiko-Profilen, aber er ist sehr komplex und fordert aktives Management und viel Erfahrung. Diese Anforderungen an den Investmentmanager passen zu Fisch. Wir sehen uns langfristig als Anbieter mit der Kompetenz für Emerging-Market-Strategien, vor allem auch in Abgrenzung zu anderen Anbietern mit unseren speziellen Lösungen. Die Neueinstellungen unterstreichen unser Vorhaben, diesen Bereich langfristig weiterzuentwickeln. Im Kern geht es darum, ein Team von erfahrenen und talentierten Portfoliomanagern mit dieser Aufgabe betrauen zu können. Wir freuen uns, dass wir mit unseren bisherigen und neu dazu gestossenen Experten dies gewährleisten können. Konkret planen wir, bereits im Mai einen weiteren Emerging-Market-Fonds mit einem dynamischen Profil zu lancieren. Das Timing in diesen turbulenten Zeiten ist dazu ideal.

«Die Emerging Markets Corporate Bonds sind eine hoch interessante Anlageklasse für Anleger. Dieser Markt bietet ein spannendes Spektrum an Rendite/Risiko-Profilen.»

Bereits vor über zehn Jahren hat das Unternehmen mit dem FISCH Convertible Global Sustainable Fund den ESG-Ansatz eingeführt. Wie wird dieser Ansatz weiterentwickelt?

Fisch war tatsächlich vor Jahren schon als Anbieter einer nachhaltig orientierten Wandelanleihen-Strategie im Markt. Das Konzept wurde mit einem Partner fortlaufend weiterentwickelt und erfüllt auch heute weiterhin die Ansprüche an eine echtes ESG-Produkt. Mit dieser Erfahrung haben wir auch unsere anderen Strategien mit ESG-Kriterien erweitert und in den letzten Jahren auch die regulatorischen Anforderungen sukzessive umgesetzt. Spezielle Aufmerksamkeit hat die umfassende Umsetzung der Analyse der Anlagen auf die von Fisch definierten ESG-Kriterien, inklusive Nutzung verschiedener Datenpools externer Anbieter. Diese ESG-Integration sehen wir als Kernelement eines ESG-konformen Anlageprozesses. Ebenfalls wichtig, aber für uns als Anbieter von Bond-Strategien weniger wirkungsvoll, ist unsere Engagement-Politik. Hier arbeiten wir im Verbund mit anderen Asset Managern, um die Wirkung auf die Emittenten zu verstärken. Wie schon vor über zehn Jahren gezeigt, sehen wir unsere Aufgabe hier nicht als Pflicht, sondern engagieren uns mit Überzeugung.

Sie haben in den letzten Jahren stark in die Digitalisierung investiert und setzen auf Cloud-Technologie ebenso wie Plattformen. Wie sehen Sie Fisch Asset Management heute positioniert und welches werden im Rahmen der Digitalisierungsoffensive die nächsten Schritte sein?

Die Neugestaltung und Modernisierung der IT-Infrastruktur war der Ausgangspunkt der eingeleiteten Transformation. Wir sind heute bereits so weit, die gesamte Cloud-Werkstätte zu nutzen und auf spezifische Bedürfnisse anwenden zu können. Wir sind damit in der Lage, unsere Systeme effizient, kostenoptimiert, mobil und sicher zu betreiben und zu entwickeln. Auch die Erwartungen an das Portfolio- und Risk-Management-System haben sich erfüllt und wir weisen heute sehr hohe Nutzungswerte und Automatisierungskennzahlen auf. Wir sehen uns, auch im Vergleich mit anderen Marktteilnehmern, technologisch weit fortgeschritten. Weitere Themen werden weiterhin Automatisierungen im Bereich Reporting und das Datenmanagement sein.

Nutzen Sie auch Lösungen auf Basis von künstlicher Intelligenz?

Derzeit befindet sich bei Fisch ein neuronales Netz im Aufbau, das im Endeffekt eine substanzielle Verbesserung der Top-Down-Anlageprozesse erreichen soll. Das Ziel ist es, mit quantitativen statistischen Methoden die Bewegungen der Finanzmärkte mit einer höheren Konfidenz zu interpretieren.

Fisch Asset Management hat die betreuten Vermögen im vergangenen Jahr mit 11,6 Mrd. Franken stabil gehalten. Von welcher Entwicklung gehen Sie im laufenden Jahr aus?

Dieses Jahr wird es angesichts der konjunkturellen und geopolitischen Lage ausgesprochen anspruchsvoll werden, positive Renditen zu erzielen. Ebenfalls ist mit Verschiebungen in der Asset Allokation zu rechnen, respektive sind diese schon erfolgt. Unsere zinslastigen Assetklassen sind kurzfristig davon negativ betroffen. Wir gehen über die nächsten Monate und mit Wirkung für das ganze Geschäftsjahr damit von einer negativen AuM-Entwicklung aus. Wir sehen aber auch die Möglichkeit einer Trendwende, werden doch einige Assetklassen wie Wandelanleihen interessante Bewertungen für einen Einstieg bieten.

Herr Sturzenegger, wir bedanken uns für das Interview.

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