Marc Desrayaud, CEO Mikron, im Interview

Marc Desrayaud, CEO Mikron, im Interview
Marc Desrayaud, CEO Mikron. (Foto: Mikron)

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Desrayaud, Sie sind jetzt rund drei Monate im Amt. Wie war die Umstellung von Liechtenstein auf Langenthal?

Marc Desrayaud: Die Umstellung war einfach – und schnell. Beide Organisationen sind schweizerisch aber mit vielen unterschiedlichen Kulturen und globalen Standorten, beide Geschäfte sind international und vielseitig. Langenthal ist mehr ein Corporate Office, Balzers Liechtenstein ist mehr ein globales Kompetenzzentrum. Das Geschäft und die Kultur bei Mikron in der Schweiz spielen sich im Tessin und Welschland ab. Ich werde das Liechtenstein Eco-System vermissen – Firmen sind nah bei der Regierung und den Beamten, jeder kennt sich, und die Zusammenarbeit mit anderen Arbeitsgeber ist einfach und unkonventionell. Bei Mikron ist man im Tessin und in Neuenburg auch eine wichtige Wirtschaftskomponente. Die Vielfalt an Kulturen und Sprachen mit Deutsch, Italienisch, Französisch, macht es aber super spannend.

Sie sind es gewohnt, technisch komplexe Produkte zu betreuen. Wo liegen da die generellen Risiken?

Das grösste Risiko ist, dass man sich in der Komplexität verliert oder dass der Markt sich schnell ändert und die Firma in Gefahr bringt. Gute Beispiele sind heute der Wechsel zu E-Mobility und Digitalisierung. Unsere Industrie, die seit Jahrzehnten sehr erfolgreich ist, muss sich schneller als gedacht anpassen. Wenn man komplexe Produkte und Lösungen anbietet, braucht es mehr Zeit und Vorlauf. Wir müssen nicht nur unsere eigene Leistung vorab strategisch planen, aber auch den Markt selber.

«Wir müssen nicht nur unsere eigene Leistung vorab strategisch planen, aber auch den Markt selber.»
Marc Desrayaud, CEO Mikron

Der Auftragseingang der Mikron Gruppe im ersten Halbjahr 2021 liegt mit 167,5 Millionen Franken genau ein Drittel über dem entsprechenden ersten Halbjahr 2020. Er stieg stärker als Auftragsbestand und Umsatz. Leben Sie jetzt in der besten aller Welten?

Die Situation ist unterschiedlich in den verschiedenen Bereichen. Die Division Automation war nicht sehr von Corona betroffen und bleibt stabil auf hohem Niveau. Die Division Tool ist ein Früh-Zyklus-Geschäft, spürte schneller den Rückgang gegen Ende 2019, dafür erholte sich die Nachfrage schneller im Q4 2020 und bleibt auf Rekordniveau in 2021. Das Maschinengeschäft der Division Machining war dafür in 2019 voll von der Transformation im Automobilgeschäft betroffen, mit sehr wenig Auftragseingang. Wir sehen jetzt eine Wiederkehr von Projekten, was uns Vertrauen für die Zukunft gibt. Man muss aber sagen, dass die wirtschaftliche Lage bei Mikron Machining sehr angespannt ist, und niemand kann die Industrie-Leistung von kommenden Monaten vorhersagen. Automotive ist und bleibt unstabil.

«Man muss aber sagen, dass die wirtschaftliche Lage bei Mikron Machining sehr angespannt ist.»

Um fast zwei Drittel stieg der Umsatz in Asien. In den USA stagnierte er. Das ist extrem…

Das ist unser Vorteil, global zu sein, um die Schwankungen in den verschiedene Weltregionen zu überstehen. Ja, China und Indien investieren heute viel in Medical und Writing, und die Wirtschaft läuft sehr gut. Amerika sucht sich nach Corona, und die Unsicherheit durch E-Mobility und staatlichen Richtungen.

Was meinen Sie mit staatlichen Richtungen?

Unsicherheit im Markt wird unsere Kunden von Investitionen in neue Maschinen und Anlagen abhalten. Zu diesen Unsicherheiten gehört auch Druck durch die Regierungen. So war und ist es der Fall bei Bemühungen der US-Präsidenten, die Produktion von Mexiko wieder nach den USA zu leiten. Europa ist allerdings seit einigem Monate sehr stark unterwegs.

Selbst wenn man die erfolgte Aktivierung steuerlicher Verlustvorträge herausrechnet, verbleibt Ihnen fürs H1 ein schöner Gewinn. Wie lässt sich H2 an?

Wir erwarten für H2 2021 ein ähnlich gutes Resultat wie im H1 für die Mikron Gruppe. Mikron Automation besitzt einen guten Arbeitsbestand, so dass wir hier zuversichtlich in das H2 blicken. Für die Division Mikron Tool erwarten wir im H2 eine gute Nachfrage. Für Mikron Machining sehen wir mehr Anfragen und konkrete Projekte. Die Situation ist aber immer noch unstabil.

Der Bereich Automatisierung hat aber noch Nachholbedarf, oder?

Der Fokus von Mikron Automation ist auf Pharma/ MedTech. Wir haben trotz der Schliessung von Berlin unsere Umsätze stabil gehalten und sogar erhöht. Ich bin sehr zufrieden mit der Entwicklung der Margen dieser Division. Wir haben inzwischen viele neue Anwendungen entwickelt, für welche wir neue Aufträge erhalten haben. Wir waren in Boudry an der Kapazitätsgrenze und werden ein neues Gebäude in Q4 2021 eröffnen. Wir könnten mehr in Asia verkaufen, wenn wir wieder reisen dürften, auch wenn unsere lokalen Teams in 2020 ein super Job gemacht haben. Damit bin ich zuversichtlich, dass die Zukunft von Automation die ganze Mikron Gruppe stützen wird.

Bleibt das EBIT, das jetzt vor Restrukturierungskosten im Halbjahresvergleich bei 8,2 Millionen Franken liegt, auf dieser Höhe?

Die Profitabilität für H2 sollte bei einem stabilen Markumfeld auf einem ähnlichen Niveau wie H1 liegen. Wir erwarten eine EBIT-Marge von über 5 Prozent.

In Indien und China sind mit der P-MEC und MEDTEC jetzt bedeutende Messen geplant. Wie wichtig ist es, dass diese auch wirklich physisch stattfinden?

Wir haben ohne Messen und sogar ohne physischen Präsenz unserer Experten aus Europa sehr gut gearbeitet, haben Kunden akquiriert und Marktanteile gewonnen. Aber wir freuen uns, dass wir bald wieder bei Messen mitmachen dürfen. Messen sind unersetzbar für Informationsaustausch, Trenderkennung, und sich bekannt machen. Nach Corona wird man gewisse Reisen nicht mehr machen: man hat gelernt, aus der Ferne, mit einem starken lokalen Management das Geschäft zu steuern und zu führen. Aber der Kontakt mit Kunden und Partner ist wichtig.

«Messen sind unersetzbar für Informationsaustausch, Trenderkennung, und sich bekannt machen.»

China wird immer mehr selbst zum Maschinenbauer und schreckt dabei vor Patentverletzungen nicht zurück. Wie schwierig ist es, die Bearbeitungs-, Montage- und Schneidemaschinen von Mikron nachzubauen?

Wir bieten Lösungen und nicht nur Maschinen an. In unseren Anwendungsbereichen spielt der Prozess, die Zusammenbringung von mechanischer Präzision, Werkzeugdesign und Prozessparameter eine bedeutende Rolle. Wir haben starke Konkurrenz in China für «Mid Market», also Märkte, wo die Kunden eingeschränkte Anforderungen an Geschwindigkeit, Präzision, Effizienz von Maschinen haben. Unsere Konkurrenten in Hochpräzision sind weiterhin mehrheitlich Europäer. Damit ist das Risiko, kopiert zu werden, gering. Wir müssen aber immer vorsichtig sein mit Informationen an Kunden und Lieferanten.

Welches ist das in Ihren Augen komplizierteste oder ausgeklügeltste Produkt im Katalog von Mikron?

Schwierige Frage… es gibt in jeden Bereich sehr anspruchsvolle und innovative Produkte. Die Maschine zur Produktion von Einspritz-Komponenten ist basierend auf meiner kurzen Erfahrung das Non-Plus-Ultra der Werkzeugmaschinen – Hohe Volumen, günstige Produktionskosten pro Stück, extreme Präzision und sehr strenge Qualitätskontrolle. Dazu werden auch unsere Hochleistungsbohrer von Mikron Tool eingesetzt, mit extrem kleinen Radien, hohen Standzeiten und ebenfalls extremer Präzision. Unsere Anlagen von Mikron Automation zur Verabreichung von Insulin sind komplex, extrem zuverlässig, beherbergen zahlreiche Prüfprozesse. Patienten können sich auf die hohe Qualität der Anlagen verlassen.

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