Marc Werner, CEO Galenica Gruppe, im Interview

Marc Werner, CEO Galenica Gruppe, im Interview
Marc Werner, CEO Galenica-Gruppe. (Foto: Galenica)

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Werner, mit dem Joint Venture Mediservice von Europas grösster Online-Apotheke Redcare Phamacy N.V. und von Galenica soll die grösste Online-Apotheke der Schweiz entstehen. War die Tatsache, dass nach der Übernahme der Schweizer Aktivitäten der Zur Rose – Gruppe nun der direkte Konkurrent Migros heisst, der Grund für das rasche Ja der Kartellbehörde?

Marc Werner: Über die Entscheidprozesse bei der Wettbewerbskommission kann ich keine Auskunft geben. Aber wenn Sie schon die Konkurrenzsituation mit Migros ansprechen: An Konkurrenz haben wir ehrlich gesagt in keiner Sekunde gedacht. Vielmehr ist es für die Kunden und Patienten und den Wettbewerb doch gut, dass wir nun zwei grosse Player auf dem Schweizer Markt haben. Denn wir alle wissen, dass das Gesundheitswesen in der Schweiz dringend stärker digitalisiert werden muss, die Kundenbedürfnisse sich ändern. Und auch in puncto Innovation dürfte diese neue Ausgangslage eher ein Pluspunkt sein. Wenn Sie so wollen, werden wir uns wohl eher gegenseitig etwas anstacheln als uns in die Quere zu kommen.

Warum hatte Galenica nicht den Alleingang gewagt?

Die Option, eine eigene reine Online-Apotheke aufzubauen, haben wir verworfen. Es wäre schlicht zu kostspielig geworden und ein langwieriger Prozess gewesen. Also haben wir uns entschieden, uns nach einem möglichst grossen und internationalen Partner umzusehen, der im reinen Online-Bereich führend ist und das benötigte Know-how hat. Unsere Kompetenzen liegen nicht unbedingt im reinen Online-Business.

«Beim Joint Venture Mediservice haben wir ehrlich gesagt in keiner Sekunde an Konkurrenz zur Migros gedacht.»
Marc Werner, CEO Galenica Gruppe

Die adjustierte Verschuldung nahm um rund ein Viertel zu. Ist das nicht im jetzigen gestiegenen Zinsumfeld ungünstig?

Mit der aktuellen Nettoverschuldung sind wir zufrieden, mit 2,1-mal den adjustierten EBITDA liegen wir ziemlich genau auf der von uns seit Jahren formulierten Zielgrösse. Zudem muss berücksichtigt werden, dass per 30. Juni 2023 sowohl in der Nettoverschuldung wie auch im EBITDA Sonderfaktoren enthalten sind. Ohne diese Sonderfaktoren läge die Nettoverschuldung deutlich unter zweimal den adjustierten EBITDA. Der Grund für die Zunahme der adjustierten Verschuldung ist vor allem auf den Aufbau des Sicherheitslagers für Medikamente, der Safety Stock Initiative, zurückzuführen. Damit können wir in Zeiten der Medikamentenengpässe für eine höhere Liefersicherheit sorgen. Zudem haben wir in neue Produkte und Akquisitionen investiert. Und ein Teil ist der temporären Erhöhung des Nettoumlaufvermögens geschuldet, welche wir im zweiten Halbjahr kompensieren werden.

Natürlich entsteht durch den Zusammenschluss ein noch breiteres Angebot an Produkten und Dienstleistungen, insbesondere für den Schweizer Kunden im Non-Pharma-Sortiment. Was bedeutet das für die Preise?

Für das neue Joint-Venture steht immer der Kundennutzen im Vordergrund: Die Kunden von shop-apotheke.ch und Mediservice werden künftig vom umfangreichen, kombinierten Angebot der neuen Online-Apotheke profitieren, das Gesundheits- und Schönheitsprodukte sowie rezeptpflichtige Medikamente und Gesundheitsdienstleistungen umfassen wird. Gemeinsam mit Redcare verfolgen wir klar das Ziel, unseren Kunden ein breites Angebot zu attraktiven Preisen zu offerieren.

Das umfangreiche Logistiknetzwerk von Galenica soll es schaffen, 99% aller in der Schweiz erhältlichen Medizinalprodukte in 24 Stunden zu liefern. Gilt das auch für Non-Pharma, da ja aus dem Shop Apotheke Zentrum in Sevenum/Niederlande geliefert wird?

Die Lieferzeiten für Non-Pharma-Produkte wird aus Sevenum nicht in 24 Stunden möglich sein. Dies ist heute bei Mediservice für die Lieferung rezeptpflichtiger Medikamente auch nicht der Fall. Die Prozesse im Redcare Distributionszentrum in Sevenum sind heute hocheffizient und sollen bis auf Weiteres unverändert weitergeführt werden. Zukünftig können aber alternative Konzepte geprüft werden. Diese könnten eine Komplettabwicklung der Bestellungen in der Schweiz beinhalten. Das Joint-Venture wird prüfen und entscheiden, ob und wann eine Zusammenlegung beider Aktivitäten in einem gemeinsamen B2C-Logistikzentrum in der Schweiz Sinn macht. Neben den Kundenbedürfnissen und der Kostenfrage werden bei diesem Entscheid auch ökologische Überlegungen berücksichtigt.

Am meisten Umsatz macht Galenica weiterhin im Bereich Logistik & IT. Das um COVID-19 bereinigte Wachstum im Segment «Products & Care» stieg im ersten Halbjahr 2023 um 5.7%, im Segment «Logistics & IT» um 6.8%. Wird sich das nun zum weit margenträchtigeren Bereich Products & Care hin verschieben?

Für das gesamte Geschäftsjahr 2023 haben wir den Ausblick bezüglich des konsolidierten Umsatzes mit einem Wachstum zwischen 3% und 6% bestätigt. Zwischen den Segmenten erwarten wir keine wesentlichen Umsatzverschiebungen.

Galenica hält in seinen verschiedenen Distributionszentren 100’000 Produkte auf Lager. Einige davon werden bis 80 Grad minus gelagert. Sind die Stromkosten in diesem Jahr ein grosses Thema oder eher die Versandkosten?

Die Steigerung der Strom- und Energiekosten hatte in den Distributionszentren keinen nennenswerten Effekt. Und auch die Versandkosten spielen hier keine Rolle. Die bei -80 Grad gelagerten Medikamente werden mit eigens dafür ausgerüsteten Fahrzeugen direkt an B2B-Kunden geliefert, da entstehen also keine Versandkosten.

Besonders Verfora wuchs letztes Jahr zweistellig. Anfangs Jahr hat Galenica mit der Übernahme von Padma pflanzlicher Rezepturen aus der tibetischen Medizin im Portfolio. Das läuft bei Ihnen über rezeptfreie Heilmittel aber auch über den Verfora-Ärzteaussendienst im verschreibungspflichtigen Bereich. Wie hoch sind Ihre Erwartungen?

Unser Anspruch ist es, möglichst viele Kundenbedürfnisse abzudecken und unser Portfolio immer attraktiver zu gestalten. Vor allem im Bereich der Komplementärmedizin ist die Nachfrage steigend und war bisher nicht sonderlich stark in unserem Portfolio vertreten. Darum haben wir hier in letzter Zeit zugelegt, nicht nur mit Padma, sondern auch mit der Vertriebslizenz der Boiron-Produkte und der Übernahme von Cannaplant. Zudem decken die Padma-Produkte Indikationen ab, die bisher gar nicht in unserem Portfolio vertreten waren. Mit dem Vertrieb über unseren sehr gut aufgestellten und mittlerweile etablierten Ärzte-Aussendienst sind unsere Erwartungen entsprechend hoch.

«Wir haben im Bereich Komplementärmedizin zugelegt, nicht nur mit Padma, sondern auch mit der Vertriebslizenz der Boiron-Produkte und der Übernahme von Cannaplant.»

Galenica hat sich mit 16% an AD Swiss Net AG – der E-Health-Anbieterin von FMH, Ärztekasse und HIN beteiligt. Es handelt sich um eine Austauschplattform. Wie hoch schätzen Sie das Synergiepotenzial für Kosteneinsparungen im Gesundheitswesen bei so einer Plattform ein?

Bei Beteiligungen an digitalen Gesundheitsplattformen geht es in erster Linie um den Mehrwert für Patienten und die Effizienz im System. Über Plattformen wie «Benecura public» können sich alle beteiligten Leistungserbringer im System verbinden und die Patienten werden aktiv in ihre Behandlung mit einbezogen. So lassen sich viele Doppelspurigkeiten im Prozess vermeiden. Und klar wirkt sich das auch dämpfend auf den Kostenanstieg im Gesundheitssystem aus. Wie hoch dieses Synergiepotenzial sein wird, wird sich zeigen.

Im Bereich «Services for Professionals» stösst das Angebot von Medifilm, die Verblisterung von Medikamenten zur sicheren Einnahme, auf eine stark wachsende Nachfrage von Heimen und Spitälern. Worauf ist diese deutliche Zunahme zurückzuführen?

Ich denke, dass dies mehrere Gründe hat. Zum einen erkennen immer mehr Pflegeeinrichtungen die Vorteile und den Mehrwert, der durch die Verblisterungslösung von Medifilm entsteht. Hinzukommt, dass wir durch unser Netzwerk in diesem Bereich grosse Synergiepotenziale haben. Der stark wachsende Home-Care-Markt und die Zusammenarbeit von Medifilm mit beispielsweise Lifestage, Bichsel oder Emeda hat den Zugang zu Pflegeeinrichtung stark ausgeweitet. Ein anderer Grund ist aber sicherlich auch der Fachkräftemangel in den Pflegeeinrichtungen. Mit der Verblisterungslösung lässt sich Zeit sparen und die Medikamentenausgabe effizient gestalten. Es braucht kein Personal und Zeitaufwand mehr, die Tabletten auszupacken und abzuzählen.

«Der stark wachsende Home-Care-Markt und die Zusammenarbeit von Medifilm mit beispielsweise Lifestage, Bichsel oder Emeda hat den Zugang zu Pflegeeinrichtung stark ausgeweitet.»

Kann «Bichsel», als Spezialist für die Herstellung von Arzneimitteln in kleinen und mittleren Mengen, die sich verschärfenden Engpässe bei der Medikamentenversorgung in der Schweiz beheben helfen?

Bichsel ist vom Bundesamt für Gesundheit als systemrelevant eingestuft worden. Mit gezielten Prozessoptimierungen in der Produktion versuchen wir, die Herstellung so effizient wie möglich zu gestalten, um so auch die produzierten Mengen zu erhöhen. Aber Bichsel ist sehr spezialisiert auf Nischenprodukte für den Schweizer Markt und eine kleine Firma. Das wird den generellen Medikamentenmangel nicht beheben.

Kundenbindungsprogramme sind bei Ihnen ein wichtiges Marketinginstrument. Gibt es bald neues an der «Kartenfront»?

Wir haben mit Sun Club und Star Card zwei sehr etablierte und grosse Kundenbindungsprogramme. Diese entwickeln wir laufend weiter und verbessern sie, damit wir für unsere Kunden noch attraktiver werden.

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