Martin Wittwer, CEO TUI Suisse

Martin Wittwer, CEO TUI Suisse

Martin Wittwer, CEO TUI Suisse

von Patrick Gunti

Moneycab: Herr Wittwer, die Frankenstärke resp. Euro- und Dollar-Schwäche schadet der Schweizer Exportwirtschaft, zumindest beim Reisen kann die Schweizer Bevölkerung aber profitieren. TUI Suisse hat die Preise für die kommende Wintersaison um bis zu 20 Prozent gesenkt. Sind dafür einzig die attraktiven Wechselkurse verantwortlich?

Martin Wittwer: Die Stärke des Schweizer Franken ist die Hauptursache, da der Löwenanteil der Leistungen der Veranstaltermarken von TUI Suisse in Euro und Dollar eingekauft werden. Zudem haben wir mit zahlreichen Leistungspartnern Neuverhandlungen geführt. Beeinflusst haben das Preisbild auch die zahlreichen politischen Ereignisse, wie beispielsweise der Umsturz in Ägypten.

Die günstige Währungssituation für Reisen ins Ausland besteht schon länger, wenn auch nicht so ausgeprägt. Wie hat TUI Suisse darauf in der Sommer- und Herbst-Reisezeit reagiert?

Die Euro-Preise unserer Preisbrecher-Marke 1-2-FLY haben wir bereits vor der Publikation der neuen Winterkataloge laufend der Kursentwicklung angepasst. Bei unserem dynamischen Produktionssystem FlexTravel Discount werden die Preise für Individualreisen sogar täglich angepasst.

«Die drastischen Kursausschläge konnte man nicht vorhersehen. Bisher reichte es, die Kurse zwei Mal pro Jahr anzupassen. Das Vorgehen haben wir nun geändert.»
Martin Wittwer, CEO TUI Suisse

Viele Schweizer Kunden haben aber ihre Ferien bei ausländischen Internet-Reisebüros gebucht, weil ihnen die Neubeurteilung der Wechselkurse nicht schnell genug ging. Können Sie Währungsanpassungen nicht schneller vornehmen?

Unsere Leistungen sicherten wir bisher im Pauschalbereich periodisch ab, d.h. wir „hedgen“ diese. Damit garantieren wir den Kunden bei der Buchung einen fixen Wechselkurs und stabilen Preis. Würden wir dies nicht tun, wären unsere Kunden den für sie negativen Währungsschwankungen voll ausgesetzt. Die Entwicklung der letzten Monate war einmalig. Die drastischen Kursausschläge konnte man nicht vorhersehen. Bisher reichte es, die Kurse zwei Mal pro Jahr anzupassen. Das Vorgehen haben wir nun geändert.

Bei welchen Destinationen profitieren die Kunden in der Wintersaison besonders von den Preisabschlägen?

Die Kunden profitieren bei allen Destinationen, die vornehmlich in Euro- oder Dollar eingekauft werden. Das heisst: Reisen und Ferien werden durch den Kurszerfall bis 20 Prozent günstiger. Zusätzlich spart man bei Nebenkosten beim Einkaufen oder Restaurantbesuch usw. an den Ferienorten selbst.

Die Schweizer Konsumenten sind wegen der wirtschaftlichen Situation verunsichert. Wie hat sich dies auf ihr bisheriges Buchungsverhalten ausgewirkt?

Seit Mitte Juli hat TUI Suisse bei den Konsumentinnen und Konsumenten aufgrund der Währungsturbulenzen sowie der drohenden Rezession eine starke Verunsicherung gespürt. Das schlug sich in den Buchungszahlen nieder. Seit der Intervention der SNB erholt sich das Geschäft langsam spürbar wieder.

«Social Media gewinnt auch für uns als Reiseveranstalter immer mehr an Bedeutung.»

Kleinere Konkurrenten und Online-Portale setzen grosse Reiseanbieter wie TUI unter Zugzwang. Wie reagiert TUI Suisse auf den modernen Kunden, der bestens vernetzt und informiert ist, Vergleichsportale nutzt und sich über Social Media-Kanäle mit Freunden über Reiseziele und –erlebnisse austauscht?

TUI Suisse engagiert sich für ihre Kunden und geht auf die veränderten Bedürfnisse ein. Social Media gewinnt auch für uns als Reiseveranstalter immer mehr an Bedeutung. Wir investieren aktuell stark in unsere eigenen Onlineportale, wie www.tui.ch, und in neue Technologien für das dynamische Paketieren von Leistungen. Am 5. September lancierten wir zusammen mit Ringier das Online-Reisebüro www.etrips.ch, welches gut gestartet ist.

In einem Forumsbeitrag zu den von TUI Suisse angekündigten Preissenkungen schrieb ein User in „20 Minuten Online“: „Ich habe seit 15 Jahren keinen Urlaub mehr über ein Reisebüro gebucht! Wozu 1000 Fr. mehr bezahlen?“. Was würden Sie diesem User antworten?

(lacht) Ich empfehle dem User, nach 15 Jahren wieder einmal ins Reisebüro zu gehen, um dort persönlich zu prüfen, ob die Aussage heute noch gültig ist. Das Reisebüro von heute sucht den Kunden das Angebot mit dem besten Preis-Leistungsverhältnis. Die Qualitätsgarantie steht hier im Vordergrund. Zudem bietet das Reisebüro viele nützliche Dienstleistungen – für die Zeit vor, während und nach der Reise.

Die Reisesicherheit ist ein weiterer Faktor, den man nicht ignorieren sollte. TUI Suisse sichert die einbezahlten Kundengelder ab. Bei Umweltkatastrophen oder politischen Krisen können sich unsere Kunden voll und ganz auf uns verlassen. Wir kümmern uns vor Ort um sie und bringen sie wenn nötig umgehend zurück in die Schweiz. Feriengäste, welche die Reise selbst gebucht hatten und beispielsweise wegen dem Vulkanausbruch irgendwo strandeten, wurden alleine gelassen. Die Kunden von TUI Suisse hatten diese Probleme nicht. Der Preis allein sollte bei einer Ferienreise nicht das einzige Entscheidungskriterium sein.

Das Internet wird nicht das Ende der Reisebüros bedeuten. Wie aber stellen Sie sich auf die neuen Herausforderungen ein?

Der Gast mit seinen spezifischen Bedürfnissen steht nach wie vor im Mittelpunkt. Das Reisebüro wird sich durch individuelle Service- und Dienstleistungen differenzieren müssen. Dazu braucht es internetbasierte Reservationssysteme, um die analoge und digitale Welt miteinander zu verknüpfen. Das garantiert eine hohe Qualität und einen Mehrwert. Dafür ist der Reisende auch in Zukunft bereit, etwas zu bezahlen.

Sie haben etrips.ch erwähnt. Welchen Stellenwert hat in diesem Zusammenhang das von TUI Suisse gemeinsam mit dem Medienkonzern Ringier gegründete Reiseportal?

Nebst dem stationären Reisevertrieb (www.tuireisecenter.ch) und unseren Veranstalterportalen (www.tui.ch) sind wir nun mit etrips.ch im wachsenden Markt der Online-Reisebüros präsent. Auf dem unabhängigen Portal sind Pauschal- und Individualreisen von allen namhaften Schweizer Veranstaltern buchbar. Etrips.ch offeriert das grösste Flugangebot ab der Schweiz, das individuell mit Mietwagen und rund 110’000 Hotels zu tagesaktuellen Preisen kombiniert werden kann. Auch der boomende Sektor der Schiffsreisen ist mit über 20’000 Fluss- und Seekreuzfahrten im Portal vertreten und bequem buchbar.

«Das Internet bedeutet nicht den Tod der Reisebüros. Online- und Offline-Verkaufskanäle müssen miteinander verbunden werden.»

Welche weiteren Trends sehen Sie als Herausforderungen der Reisebranche?

Ich sehe fünf Themenbereiche, welche die Branche beschäftigen. Erstens: Der Kunde von morgen ist bestens vernetzt und informiert. Er nutzt die zahlreichen Vergleichsportale, tauscht sich über die Social-Media-Kanäle mit seinen Freunden aus. Zweitens: Die Spirale der medialen Erregungskultur wird sich noch schneller drehen und die Demokratisierung des Medienkonsums weiter zunehmen.

Drittens: Me-too-Produkte sind austauschbar. Deshalb empfehle ich, den Fokus auf nicht austauschbare, differenzierte Produkte zu legen. Viertens: Das Internet bedeutet nicht den Tod der Reisebüros. Online- und Offline-Verkaufskanäle müssen miteinander verbunden werden. Eine konsequente Multi-Channel-Strategie ermöglicht es, Vertriebskosten zu senken. Und fünftens: Dynamic Sourcing als Basis des Dynamic Packaging im B2B- und B2C-Geschäft wird immer wichtiger.

Das Jahr 2011 ist nicht nur von wirtschaftlichen Turbulenzen begleitet, auch die politischen Unruhen in Ägypten und Tunesien, zwei beliebten Reisedestinationen, haben grosse Auswirkungen gehabt. Lässt sich bereits abschätzen, wie TUI Suisse das Geschäftsjahr 2011 abgeschlossen hat?

Das letzte Geschäftsjahr haben wir per 30. September erwartungsgemäss positiv abgeschlossen. Weitere Angaben sind nicht möglich. Bis Anfang Dezember befinden wir uns in der „closed period“.

Wie haben Sie sich auf das kommende Reisejahr eingestellt?

TUI Suisse bereitet sich rechtzeitig auf die unsichere wirtschaftliche Entwicklung vor. Es geht darum, in einem anspruchsvollen Markt die Zukunftsfähigkeit zu sichern, die Produktivität zu erhöhen und den Ertrag zu steigern. Diese Ziele können einerseits mit der Optimierung der Prozesse und andererseits mit der konsequenten Umsetzung eines Sparprogramms erreicht werden. Alle Sach- und Personalkosten werden unter die Lupe genommen. Vorsorglich sind deshalb seit einigen Wochen die Personalabgänge nicht mehr ersetzt worden und die aufgelaufene Überzeit wird abgebaut.

Wie bereits in früheren Jahren, z.B. während der Finanzkrise 2009 offeriert TUI Suisse ab sofort den rund 540 Mitarbeitenden eine oder mehrere unbezahlte Urlaubswochen. Beim Bezug von fünf Ferientagen bietet das Unternehmen den Mitarbeitenden einen sechsten Ferientag.

Ob Epidemien, Naturkatastrophen, politische Unruhen, Kriege, wirtschaftliche Turbulenzen, die gigantische Verschuldung vieler Staaten – immer befindet sich die Reisebranche im Epizentrum all dieser Ereignisse. Ist die Krise mittlerweile ein fester Teil der Planung oder wie bereitet sich ein Unternehmen wie TUI Suisse auf entsprechende Unwägbarkeiten vor?

Die Reisebranche ist ein krisenerprobter Wirtschaftsbereich. Am wichtigsten ist es, auf mögliche Ereignisse vorbereitet zu sein. Innerhalb der World of TUI legen wir deshalb grossen Wert auf umfassendes Sicherheits- und Krisenmanagement. Wir verfügen über einen eingespielten Krisenstab. In der Schweiz und rund um die Welt sind wir und unsere Reiseleiter/-innen während 24 Stunden erreichbar.

Korn/Ferry ist ein Interview-Partner von Moneycab und erstellt aus unseren Interviews eine Analyse. Deshalb möchten wir Ihnen noch zwei zusätzliche Fragen stellen:

Wie schätzen Sie die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Führungsnachwuchses ein?

Im Tourismus finden die jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter viel Abwechslung, kreative Herausforderungen, aufgeschlossene Kollegen, ein internationales Umfeld, zahlreiche Weiterbildungsmöglichkeiten und meist eine interessante Balance zwischen Arbeit und Freizeit. In der TUI Junior Academy bereiten wir unsere jungen Kader unter anderem auch selbst auf die zukünftigen Aufgaben vor. Die Reisebranche verfügt insgesamt über gut ausgebildete, motivierte und engagierte junge Führungskräfte.

Wie wichtig ist Diversity für Ihr Unternehmen und welche Massnahmen sind in Ihrem Unternehmen zum Thema geplant oder schon umgesetzt?

Wir sind ein Unternehmen der internationalen World of TUI mit rund 49’000 Mitarbeiter/-innen auf sechs Kontinenten. Dadurch ergibt sich eine faszinierende personen- und verhaltensbezogene Vielfalt. Diese nutzen wir in grenzüberschreitenden Arbeitsgruppen immer wieder zur Lösung von unterschiedlichen Problemstellungen.

Herr Witter, ganz herzlichen Dank für das Interview.

Zur Person:
Martin Wittwer (50) leitet TUI Suisse Ltd als CEO seit 1999. Der Berner Oberländer lernte den Tourismus ab 1983 zuerst als Leiter Sport im Hotel Tirreno auf Sardinien kennen. 1985 wechselte er zu Kuoni Schweiz. Dort war er u.a. als Product Manager Twen Club, Leiter Werbung/Marketing Services, Direktor des damaligen Reisbüros Popularis in unterschiedlichen Funktionen tätig. Vor seinem Wechsel zu TUI Suisse führte der eidg. dipl. Marketingleiter als Direktor/GL-Mitglied den Vertrieb. Wittwer engagiert sich im Vorstand des SRV, als Stiftungsrat im Garantiefonds der Schweizer Reisebranche und der Laureus Foundation Switzerland. 2009 wurde er mit dem «travel manager Personality Award» als Persönlichkeit der Tourismusbranche ausgezeichnet. Wittwer ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.

Zum Unternehmen:
TUI Suisse ist ein Unternehmen der TUI Travel PLC und der World of TUI mit den Veranstaltermarken TUI, TUI FlexTravel, Vögele Reisen und 1-2-FLY. Exklusiv in der Schweiz vertreibt TUI Suisse die Angebote der führenden Clubmarken von ROBINSON und MAGIC LIFE sowie die Studien- und Erlebnisreisen der Marken Gebeco Länder erleben, Dr. Tigges und goXplore. Das Vertriebsnetz umfasst rund 70 eigene Reisebüros (TUI ReiseCenter und TUI Agence de voyages).

Symbolbild KF für CEO Interviews

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