Matthias Altendorf, CEO Endress+Hauser, im Interview

Matthias Altendorf, CEO Endress+Hauser, im Interview
Matthias Altendorf, CEO Endress+Hauser. (Foto: E+H)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Altendorf, Endress+Hauser blickt auf ein erfolgreiches Geschäftsjahr 2017 mit einem fast 5% höheren Umsatz von 2,24 Mrd Euro und einem um über ein Drittel gesteigerten Gewinn von 209 Mio Euro zurück. Welche Faktoren haben das Ergebnis ermöglicht?

Matthias Altendorf: Der Aufschwung, der 2016 schon das Konsumgeschäft erreicht hatte, schlägt sich jetzt auch in Investitionen in der produzierenden Industrie nieder. Die Unternehmen haben ihre Kapazitäten in der Produktion ausgebaut, und sie haben in Effizienz, Sicherheit, Zuverlässigkeit und Umweltfreundlichkeit ihrer Anlagen investiert. Wir waren gut aufgestellt für die Belebung der Branchenkonjunktur. Wir sind weltweit präsent, haben das Anwendungs- und Branchenwissen, das unsere Kunden benötigen, und bieten ein umfassendes und leistungsfähiges Portfolio, mit dessen Hilfe unsere Kunden ihre Produkte verbessern und ihre Prozesse optimieren können.

In welchen Regionen und in welchen Branchen lief es für Endress+Hauser besonders gut?

2017 ist es für uns in praktisch allen Industrien und Regionen gut gelaufen. Besonders gut haben sich die konsumnahen Bereiche entwickelt – Lebensmittelindustrie, Life Sciences, Wasser- und Abwassersektor, chemische Industrie sowie Grundstoffe und Metalle. Wenn die Märkten anschauen, dann ragen China und die Vereinigten Staaten heraus. Wir haben uns in beiden Ländern sehr dynamisch entwickelt.

Für Endress+Hauser hat das Thema Innovation eine grosse Bedeutung, wie erneut gestiegene F+E-Ausgaben, über 260 Erstanmeldungen bei Patentämtern weltweit und 467 erteilte Patente belegen. Wo lagen die Schwerpunkte?

Wie wichtig Innovation für uns ist, zeigt sich in den über 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die wir in Forschung und Entwicklung beschäftigen. Die Patente und Anmeldungen verteilen sich über sämtliche Arbeitsgebiete. Viele betreffen die Durchfluss- und Füllstandmesstechnik, zwei Gebiete, auf denen wir seit vielen Jahren stark sind. Die meisten Patentanmeldungen kamen wieder aus dem Bereich der Analyse, einer der Schwerpunkte in der Weiterentwicklung unseres Portfolios.

Welche Rolle spielt heute bei Ihren Innovationen die Digitalisierung?

Immer mehr Entwicklungen betreffen die Digitalisierung unserer Produkte, seien es intelligente Funktionen in den Sensoren oder auch Themen rund um die Konnektivität unserer Geräte – also alles, was unsere Messtechnik «smart» macht.

Können Sie uns ein Beispiel aus dem vergangenen Jahr nennen?

Der iTHERM TrustSens, das erste selbstkalibrierende Thermometer der Welt, ist ein gutes Beispiel dafür. Wir haben diesen Sensor speziell für stark regulierte Industrien wie Lebensmittel und Life Sciences entwickelt, wo Temperaturfühler aus Sicherheits- und Qualitätsgründen regelmässig kalibriert werden müssen, um mögliche Abweichungen des Messwerts festzustellen. Kern dieser Innovation ist ein zweiter Referenzsensor, der einen physikalischen Effekt – die Curie-Temperatur – nutzt, um genau das automatisiert zu tun, etwa bei der Dampfsterilisation der Anlage, ohne dass etwas ausgebaut oder abgeschaltet werden muss.

Das alleine ist schon eine grossartige Sache, denn eine einzelne Messstelle kann unter Umständen hunderte Einsätze eines Technikers überflüssig machen. Das andere aber ist die in den Sensor eingebaute Intelligenz: Der TrustSens überwacht sich ständig selbst. Beim Kalibrieren erzeugt er automatisch Protokolle, die auch einem externen Audit standhalten. Und er signalisiert jederzeit, sollte der Messwert den eingestellten Toleranzbereich verlassen. Damit ist der TrustSens ein durch und durch «smarter» Sensor, der die Ziele, die mit dem Konzept der Industrie 4.0 erreicht werden sollen, voll unterstützt.

«Wir sind mit unseren Messgeräten gewissermassen an der Quelle der Daten. Diesen Schatz wollen wir heben.»
Matthias Altendorf, CEO Endress+Hauser

Die Digitalisierung ist die Basis der Industrie 4.0. Welche Ziele verfolgt Endress+Hauser hier konkret? Welche Möglichkeiten bieten sich?

Zum einen wollen wir unseren Kunden helfen, das Potenzial der Digitalisierung zu heben. Wir sind mit unseren Messgeräten gewissermassen an der Quelle der Daten. Diesen Schatz wollen wir heben. Den Ansatz dafür haben wir in Kooperation mit Kunden entwickelt. Im vergangenen Jahr haben wir unser Ökosystem für Anwendungen im industriellen Internet der Dinge vorgestellt und eine erste digitale Dienstleistung auf den Markt gebracht: die Endress+Hauser Analytics App. Mit Hilfe dieser App können unsere Kunden ihre installierte Basis – auch Feldgeräte von anderen Herstellern – automatisiert erfassen und analysieren. Die App erkennt kritische Messstellen, meldet veraltete Geräte und gibt Empfehlungen, um die Messtechnik zu optimieren. Zum andern möchten wir die Möglichkeiten der Digitalisierung auch nutzen, um es unseren Kunden möglichst einfach zu machen, mit uns ins Geschäft zu kommen und im Geschäft zu bleiben. Dazu integrieren wir neue E-Commerce-Funktionalitäten in unsere Webseite und entwickeln sie zu einer digitalen Business-Plattform weiter.

Hohe Investitionen fliessen auch in den Ausbau der Produktionswerke, 223 Mio Euro sollen es dieses Jahr sein. Wo werden die Schwerpunkte des Ausbaus gelegt?

Die Investitionssumme betrifft den Ausbau sowohl unseres Vertriebs- als auch Produktionsnetzwerks – auch wenn der Löwenanteil in die Fertigung geht. Zwei grosse Projekte sind in der Region Basel geplant, wo wir unsere beiden grössten Produktionsstandorte in den nächsten Jahren fit für die Zukunft machen möchten. Im süddeutschen geht es um über 40 Millionen Euro, die in den Ausbau und die Modernisierung der Fertigung von Füllstand- und Druckmesstechnik fliessen. In Reinach sprechen wir von fast 60 Millionen Franken, die wir in die Erweiterung der Durchflussmesstechnik stecken. Und auch in Ebnat-Kappel investieren wir erneut in den Ausbau der Sensorproduktion. Zwei weitere grosse Projekte werden wir in den USA verwirklichen. In Kalifornien möchten wir die Fertigung von Flüssigkeitsanalyse und modernen Gasanalysatoren sowie unseren Vertrieb für die Westküste an einem einzigen Standort bündeln. In Houston/Texas sollen die Büros unseres Vertriebs, ein Kalibrier- und Servicezentrum sowie der Sitz einer Tochterfirma für moderne Analysatoren ebenfalls unter einem Dach zusammengefasst werden.

Mit welchem Stellenaufbau ist zu rechnen?

Wenn alles nach Plan läuft, möchten wir nächstes Jahr weltweit über 500 neue Stellen schaffen, vor allem in der Produktion, in produktionsnahen Bereichen und im Service.

Gehen Sie für die kommenden Jahre von einem ähnlich hohen Ausbau-Tempo aus?

Das hängt immer von unserer Entwicklung ab. Wir bauen nur dort Stellen auf, wo die Nachfrage durch unsere Kunden das erfordert oder wo wir strategischen Bedarf erkannt haben. Unser Ziel ist in jedem Fall, schneller als der Markt zu wachsen – und dafür sind natürlich auch mehr Menschen nötig.

«Unser Ziel ist in jedem Fall, schneller als der Markt zu wachsen – und dafür sind natürlich auch mehr Menschen nötig.»

Der Auftragsbestand zu Jahresbeginn lag deutlich über dem Vorjahreswert. Welche konkreten Ziele verfolgen Sie im laufenden Jahr?

Wir haben uns für 2018 ein Wachstum im mittleren einstelligen Prozentbereich vorgenommen und rechnen mit etwa gleichbleibender Profitabilität. Anders als in früheren Jahren haben wir im vierten Quartal 2017 keine Abschwächung des Geschäfts erlebt und sind entsprechend gut ins laufende Jahr gestartet. Weil unsere Branche dem Konjunkturzyklus hinterherläuft, sind die Aussichten für die nächsten Monate weiter positiv. In der zweiten Jahreshälfte rechnen wir zwar mit einer Abschwächung des Geschäfts – aber wir erwarten, dass 2018 wieder ein gutes Jahr für Endress+Hauser wird.

Letzte Frage: Die Unternehmensgruppe Endress+Hauser feiert in diesem Jahr ihren 65. Geburtstag. Sie selbst haben Ihre gesamte berufliche Karriere im Konzern verbracht. Wie lässt sich in wenigen Worten die Erfolgsformel umschreiben, wie aus einem Zwei-Mann-Unternehmen ein Milliarden-Konzern mit über 13’000 Mitarbeitenden werden konnte?

Der Erfolgsfaktor schlechthin ist für mich, dass wir ein Familienunternehmen sind. Wir müssen uns nicht von einem Quartalsergebnis zum nächsten hangeln, sondern können unsere Strategie konsequent verfolgen und so das Unternehmen langfristig und nachhaltig erfolgreich weiterentwickeln. Die Gesellschafterfamilie gibt uns nicht nur Kapital, sie gibt uns auch Werte und Wärme!

«Wir müssen uns nicht von einem Quartalsergebnis zum nächsten hangeln, sondern können unsere Strategie konsequent verfolgen «

Herr Altendorf, besten Dank für das Interview.

Zur Person:
Matthias Altendorf ist seit 2014 Chef der Endress+Hauser-Firmengruppe. Zuvor war er Geschäftsführer des grössten Werks von Endress+Hauser im süddeutschen Maulburg und seit 2009 auch Mitglied des Executive Boards der Firmengruppe. Der 50-Jährige absolvierte seine gesamte berufliche Laufbahn bei Endress+Hauser. Sie begann mit einer Lehre als Mechaniker im Werk Maulburg, an die sich Studium und Weiterbildungen anschlossen. Bei Endress+Hauser Flowtec in Reinach übernahm Altendorf auf unterschiedlichen Positionen mehr und mehr Verantwortung, bis er dort im Jahr 2000 als Marketing-Direktor in die Geschäftsleitung aufrückte. 2005 kehrte Altendorf als Geschäftsführer nach Maulburg zurück.

Zum Unternehmen
Endress+Hauser mit Sitz in Reinach ist ein international führender Anbieter von Messgeräten, Dienstleistungen und Lösungen für die industrielle Verfahrenstechnik. Die Firmengruppe zählt weltweit über 13’000 Beschäftigte. 2017 erwirtschaftete sie über 2,2 Milliarden Euro Umsatz. Endress+Hauser liefert Sensoren, Geräte, Systeme und Dienstleistungen für Füllstand-, Durchfluss-, Druck- und Temperaturmessung sowie Analyse und Messwertregistrierung. Das Unternehmen unterstützt seine Kunden mit automatisierungstechnischen, logistischen und informationstechnischen Dienstleistungen und Lösungen. Die Kunden kommen überwiegend aus den Branchen Chemie, Lebensmittel, Wasser/Abwasser, Life Sciences, Öl und Gas, Energie und Kraftwerke sowie Grundstoffe und Metalle. Endress+Hauser wurde 1953 von Georg H. Endress und Ludwig Hauser gegründet. Die Firmengruppe ist seit 1975 im Alleinbesitz der Familie Endress.

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