Matthias Liechti, CEO Clientis AG, im Interview

Matthias Liechti, CEO Clientis AG, im Interview
Matthias Liechti, CEO Clientis AG. (Foto: zvg)

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Liechti, Sie haben eine lange Karriere an der Schnittstelle zwischen Banking und IT vorzuweisen. Was war in letzter Zeit technologisch der wichtigste Schritt?

Matthias Liechti: In den letzten Jahren hat speziell unser Unternehmen eine bedeutende Transformation durchlaufen, indem wir von traditionellen On-Premise-Lösungen mit eigenen Lizenzen zu modernen, plattform- und cloudfähigen Lösungen übergegangen sind. Diese Veränderung war eine strategische Entscheidung. Insgesamt hat diese Transformation unsere Wettbewerbsfähigkeit gestärkt und uns ermöglicht, den sich wandelnden Bedürfnissen unserer Kunden gerecht zu werden. Wir sind stolz darauf, dass wir nun hochmoderne, plattform- und cloudfähige Lösungen anbieten können, die unseren Kunden einen echten Mehrwert bieten.

… und für Sie ganz persönlich?

Es ist faszinierend, diesen Wandel aktiv voranzutreiben und dabei eng mit unseren Kunden zusammenzuarbeiten: In einer Welt, die von Finanzthemen wie Hypotheken und Portfolios geprägt ist, die Integration von Technologien wie Kubernetes, Openshift und M365 zu ermöglichen, stellt stets eine spannende Herausforderung dar.

Lessons learned: die zwei wichtigsten?

Es geht alles immer länger, als man es gerne selbst hätte, und: Die hundertprozentige Lösung gibt es nicht.

Wie können wir da denn in einer Welt voller Schurken unsere Bankdaten am besten schützen?

Durch unsere Investitionen in Weiterbildung und berufliche Entwicklung, die Schulung und Befähigung aller unserer Mitarbeiter, die flexible Anpassung unserer Prozesse in enger Zusammenarbeit mit unseren Partnern sowie die strategische Steuerung unserer technischen Ressourcen. Wir streben nach Verbesserungen und verfallen nicht in Selbstzufriedenheit.

«Die grösste Fehlerquelle ist und bleibt der Mensch, da immer ein Trade-off zwischen maximaler Sicherheit und Effizienz in der Arbeit besteht.»
Matthias Liechti, CEO Clientis AG

Gab es in Ihrem gesicherten Datenaustauschbereich in den letzten drei Jahren grössere Herausforderungen entweder bei der Clientis Gruppe oder Drittinstituten?

Herausforderungen im Datenbereich gibt es immer und laufend. Die Frage ist, wie damit umgegangen wird. Die grösste Fehlerquelle ist und bleibt der Mensch, da immer ein Trade-off zwischen maximaler Sicherheit und Effizienz in der Arbeit besteht. Denn alle sind auf viele Partner angewiesen. Und irgendwo kann fast jeder Mensch auf eine gute Attacke hereinfallen.

Die Entlastung der Banken vom Provider- und Servicemanagement als Ankergeschäft der Clientis bewährt sich nun seit zwei Jahrzehnten. Was planen Sie für das dritte?

Wir haben bereits erfolgreich neue Kunden akquiriert, und unser Ziel ist es, eine Community von Gleichgesinnten zu schaffen, die gegenseitig voneinander profitieren können. Unsere Transformation zielt darauf ab, ein Dienstleistungsunternehmen zu werden, das klare und verständliche Services für kleinere und mittlere Banken anbietet, damit diese sich im Wettbewerbsumfeld behaupten können. Wir setzen konsequent auf Transparenz in unserer Servicebereitstellung und öffnen unsere Dienstleistungen, um eine Art ‹Bank in a Box› anzubieten.

«Wir haben bereits erfolgreich neue Kunden akquiriert, und unser Ziel ist es, eine Community von Gleichgesinnten zu schaffen.»

Im ersten Halbjahr des Jahres wuchs der Gruppengewinn um viereinhalb Prozent. Sind Sie auch gut aus den Ferien gestartet?

Definitiv, die finanziellen Ziele können auch dieses Jahr wieder erreicht werden.

Die Gesamteigenmittelquote von genau zwanzig Prozent liegt ja fast im Bereich eines Industrieunternehmens. Das lässt Ihnen ja unglaubliche Investitionsfreiheiten…

Das Eigenkapital einer Bank dient in erster Linie als Sicherheitspolster, insbesondere in einer unsicheren Welt, wie sie durch die Ereignisse dieses Jahres verdeutlicht wurde. Eine solide Eigenkapitalausstattung ist gleichzeitig ein Qualitätsmerkmal unserer Banken, das ihre Stabilität sowie die Nachhaltigkeit ihres Geschäftsmodells unterstreicht. Daher wird nicht unüberlegt gehandelt und Mondraketen werden auch nicht konstruiert, stattdessen wird gezielt und verantwortungsbewusst in die Zukunft investiert. Insbesondere vor dem Hintergrund der bevorstehenden Veränderungen und Erneuerungen in unserer Plattform. Es ist wichtig, haushälterisch mit unseren Mitteln umzugehen.

«Bei uns wird nicht unüberlegt gehandelt und Mondraketen werden auch nicht konstruiert.»

Wieso gibt es mit Ausnahme Luzern eigentlich keine Clientis Bank in der Innerschweiz?

Die Ursprünge unserer Gruppe liegen im Mittelland und in der Ostschweiz. In einigen Regionen gibt es keine Regionalbanken mehr oder nur noch wenige, die zu unserer Community passen würden.

Die Clientis AG hat mit ihrer Service Plattform aus der Cloud zusätzliche Vertriebskanäle modular für ihre Kunden erschlossen. Wird diese Möglichkeit bereits von allen Ihren Regionalbanken genutzt?

Modularität bedeutet, dass wir auf die individuellen Bedürfnisse unserer Kunden eingehen, während wir gleichzeitig Standardisierung beibehalten. Dies ermöglicht es, IT-Kosten entsprechend der sich ändernden Unternehmensstrategie unserer Kunden zu steuern und ermöglicht einfache Business-Case-Analysen. Wir beobachten, dass unsere Kunden beginnen, sich im Leistungsbezug zu differenzieren, wozu dieses Modell genau entwickelt wurde. Für neue Services gilt: Jeder kann sie nutzen, wenn er sie benötigt. Für bestehende Services gilt: Wer sich verändert, kann seine IT-Kosten direkt steuern.

Welche grosse Basisinnovation könnte Ihrer Meinung nach in ein paar Jahren nach der Cloud und ChatGPT kommen?

Die grundlegende Natur der Cloud als Betriebsumgebung führt dazu, dass eine Private Cloud im Wesentlichen einer herkömmlichen virtuellen Maschinen-Umgebung ähnelt, die es schon seit über einem Jahrzehnt gibt. Eine bedeutende Weiterentwicklung in diesem Bereich sind jedoch Docker-Plattformen mit Workloads, die auf integrierten CI/CD-Prozesse basieren. Strategisch sind wir positioniert, um den nächsten Schritt in die Public Cloud und zu den Hyperscalern zu unternehmen.

Ein ähnliches Konzept lässt sich auf ChatGPT anwenden. Während es zweifellos eine beeindruckende Anwendung von KI/AI ist, die nun in unseren Wohnzimmern Einzug hält, handelt es sich im Wesentlichen um eine Weiterentwicklung der bestehenden künstlichen Intelligenz (KI/AI) oder das Ergebnis eines deutlich verbesserten Large Language Models (LLM).

Das klingt für einmal zurückhaltend aus dem Mund eines IT-Experten…

Wir betrachten diese Technologien nicht als Basisinnovation, sondern als einen logischen evolutionären Schritt. Angesichts dieser Erkenntnisse gestaltet sich der Blick in die Glaskugel als herausfordernd. In den letzten Jahren haben wir nur eine wirkliche Basisinnovation erlebt, die das Kundenverhalten massgeblich verändert hat – das Smartphone. Im Banking-Bereich verfolgen wir spezifische Themen wie Tokenisierung, Zentralbankdigitalwährungen (CBDC), Web3.0 und Quantencomputer aktiv, ohne dabei die laufenden Veränderungen aus den Augen zu verlieren.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert