Oliver Wyrsch, CEO Inficon, im Interview

Oliver Wyrsch, CEO Inficon, im Interview
Oliver Wyrsch, CEO Inficon. (Foto: Inficon)

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Wyrsch, im vierten Quartal hat Inficon noch einmal zugelegt und darf jetzt auf einen Umsatz von rund 673 Millionen Dollar für das Gesamtjahr 2023 bauen. Kommt nächstes Jahr durch die Erholung der Halbleiterindustrie die Turbozündung?

Oliver Wyrsch: Wir sind verhalten optimistisch für den Marktbereich Semiconductor. Sicherlich hat die zweite Jahreshälfte 2024 gutes Potenzial. Die Halbleiterindustrie ist für Inficon aber kein homogener oder gar monolithischer Block. Wir adressieren hier vielmehr eine Mischung aus etwa 10 Teilmärkten. Der Teilmarkt «Speicherchips» dürfte sicher neuen Schwung bekommen. Andere Teilmärkte auch – aber eventuell mit anderem Timing.

Deutlich legte im Quartalsvergleich der Betriebsgewinn zu. Das Plus betrug über 20 Prozent und somit rund 135 Millionen. Die Betriebsgewinnmarge erreichte rund 20 Prozent und lag damit ein Prozentpunkt mehr als in der ursprünglichen Prognose. Sind Sie damit im Zielkreis?

Wir arbeiten konstant an Produktivitätsthemen. Eine flexible, effizient organisierte Fertigung schafft die Grundlage für weiteres, skalierbares Wachstum in allen Regionen und damit auch für eine solide Betriebsgewinnmarge. Ein weiterer wesentlicher Punkt für die Margenstärkung im letzten Jahr war die schrittweise Normalisierung auf den Beschaffungsmärkten. Im letzten Geschäftsjahr sahen wir für einige Komponenten noch deutlich höhere Einstandspreise. Das hat sich – etwa bei den Preisen für gewisse Chips – wieder deutlich normalisiert.

«Im letzten Geschäftsjahr sahen wir für einige Komponenten noch deutlich höhere Einstandspreise. Das hat sich – etwa bei den Preisen für gewisse Chips – wieder deutlich normalisiert.»
Oliver Wyrsch, CEO Inficon

2030 soll der weltweite Halbleitermarkt eine Billion Dollar fett sein – bei Wachstumsraten von sieben Prozent. Wann schätzen Sie wird bei Inficon die Umsatzmilliarde fallen?

Im Jahr 2023 haben wir ein grosses Investitionsprogramm erfolgreich abgeschlossen, das die Produktionskapazitäten um rund die Hälfte gesteigert hat. Wir sehen für die weitere Zukunft Chancen und Möglichkeiten für eine Verdoppelung des Geschäfts. Das ist Teil unserer langfristigen Unternehmensstrategie, die ich mit dem Management als Vorbereitung für meinen Start als CEO ausgearbeitet habe. Aufgrund der unterschiedlichen Business-Zyklen in unseren Zielmärkten ist die Vorhersage des Timings jedoch schwierig. Die unterschiedlichen Zyklen im Halbleiterbereich habe ich schon angesprochen. Aber auch in den anderen Zielmärkten wirken verschiedene Marktkräfte auf die Dynamik des Geschäfts ein. Ein weiteres gutes Beispiel ist etwa das derzeit starke Momentum im Bereich der Lecksuche für Lithium-Ionen-Batterien und Brennstoffzellen im Automotive-Markt. Oder die Zyklen im Markt für Solarenergie-Anwendungen. Inficon ist sicher gut aufgestellt und bereit, von solchen sich bietenden Chancen zu profitieren.

In der VR China sind die Vakuumtechnikanwendungen in der Solartechnologie und Elektromobilität die grossen erfolgreichen Geschäftsfelder von Inficon. Was passiert, wenn zwischen der Volkrepublik und den westlichen Demokratien ein Handelskrieg ausbricht?

Eigentlich befinden wir uns bereits in einem Handelskrieg. Die Spannungen nehmen aus vielerlei Gründen immer mal wieder an Intensität zu, aber gelegentlich auch wieder ab. Wir kennen dieses Umfeld seit vielen Jahren und haben gelernt, damit umzugehen. Wir analysieren die regulatorischen, geopolitischen und einzelstaatlichen Gegebenheiten immer wieder genau, um uns auf verschiedene Szenarien vorzubereiten und uns richtig aufzustellen. Wir sind meiner Meinung nach strategisch und taktisch gut positioniert.

«Eigentlich befinden wir uns bereits in einem Handelskrieg.»

Inficon hat aber auch eine Tochtergesellschaft in Taiwan. Wie geht die Belegschaft da mit den Spannungen um?

Auf den normalen Geschäftsalltag wirken sich die Spannungen zwischen China und Taiwan kaum aus. Unser Team in Taiwan lebt bereits seit langem in diesem Umfeld. Man nimmt die Spannungen wahr, empfindet sie auch als bedrückend, aber das Leben nimmt seinen Lauf. Das Geschäft läuft insgesamt auch gut. Beide Länder – China und Taiwan – sind wirtschaftlich und gerade auch im Hightech-Bereich sehr eng miteinander verbunden. Das ist auch ein stabilisierender Faktor.

Steht die für 2024 geplante Eröffnung einer Produktionsstätte in Malaysia für den Kühlungs- und Lüftungsmarkt gleichsam für die geographische Diversifikation und Absicherung im wichtigen ostasiatischen Raum?

Der Standort Malaysia ist aus Kundensicht strategisch sehr bedeutsam. Malaysia ist weltweit ein wichtiger und rasch wachsender Standort der Chip- und Elektronikindustrie. Wir haben zuerst mit einem kleinen Verkaufsteam Fuss gefasst, planen aber den Standort Richtung Service- und Wartungs-Dienstleistungen, Applikationsengineering und auch Produktion auszubauen. Unsere Absicht ist es, mit technologisch führenden, aber weniger komplexen Produkten wie etwa den Handlecksuchern zu starten und das Leistungsspektrum vor Ort dann entsprechend der Kundenbedürfnisse schrittweise zu erweitern.

Es geht mir bei der Frage um das klassische Thema «Offshoring».

Die Produktionsverlagerung an kostengünstigere Standorte steht nicht im Vordergrund. Unsere Fertigung ist nicht sehr arbeitsintensiv und viele Arbeitsschritte laufen in unserer Hightech-Produktion auch sehr automatisiert ab. Entscheidend für Inficon ist die Nähe zu den Kunden, sie schätzen einen lokalen Service und Support durch unsere geschulten Applikationsentwickler und natürlich auch für die Entwicklung neuer Produkte zusammen mit unseren Kunden.

Die Gasdetektorsysteme von Inficon erfreuen sich konstanter Nachfrage und glätten das zyklische Halbleitergeschäft. Was für eine durchschnittliche Wachstumsrate erwarten Sie da in den nächsten Jahren?

Wir sind für das Geschäft mit Lecksuchern durchaus optimistisch. Die letzten Jahre waren bereits von starkem Wachstum geprägt. Insbesondere in Asien konnten wir sowohl im klassischen Lecksuch-Geschäft des Kälte- und Klima-Markts, aber auch in der Halbleiterfertigung und in den letzten Jahren insbesondere im Batterie-Geschäft stark zulegen. Auch wenn die Dynamik hier nach dem Boom künftig etwas nachlassen könnte, bleibt dieser Markt für uns sehr interessant.

Wenn wir etwas genereller auf die erwarteten, durchschnittlichen Wachstumsraten schauen, sollte es INFICON gelingen, das gesamtwirtschaftlichen Wirtschaftswachstum in den adressierten High-Tech Märkten zu übertreffen. Durch die Ausrichtung auf den Halbleiterbereich und andere hochspezialisierten Anwendungsbereichen sind wir auf klare Wachstumsmärkte ausgerichtet. Der Halbleitermarkt wächst mit Zyklen im Durchschnitt 5-10% im Jahr.

Das generelle Vakuumgeschäft wuchs bei Inficon im dritten Quartal sogar um fast 40 Prozent. Wird es da so rasant weitergehen?

Der General Vacuum Markt ist bezüglich der Kundenstruktur sehr breit aufgestellt. Längerfristig folgt die Entwicklung in diesem Markt daher in etwa der wirtschaftlichen Entwicklung. Kurzfristig können aber regionale oder anwendungsspezifische Aspekte überwiegen. Das generelle Vakuumgeschäft teilt sich in viele Technologie- und Industrieuntersegment auf. Wo Technologie produziert wird, wird auch Vakuum eingesetzt. Der hohe Zuwachs im Sommer ging vor allem auf Lieferungen nach Asien zurück. Dort sahen wir eine gestärkte Nachfrage und die Lieferketten haben sich entspannt.

«Ich glaube, die USA haben strukturelle Vorteile gegenüber Europa. Der amerikanische Markt profitiert von mehr Effizienz durch eine einheitliche Sprache, ein einziges politisches System und weitreichenden Standardisierungen.»

Sie waren lange Jahre in den USA tätig. Der nordamerikanische Markt bringt Inficon genauso viel Umsatz wie ganz Europa. Wie sehen Sie die US-Wirtschaft im gegenwärtigen Konjunkturzyklus?

Ich glaube, die USA haben strukturelle Vorteile gegenüber Europa. Der amerikanische Markt profitiert von mehr Effizienz durch eine einheitliche Sprache, ein einziges politisches System und weitreichenden Standardisierungen. Die enorme Binnennachfrage und nicht zuletzt auch eine sehr ausgeprägte Kultur von Innovation und technologischem Fortschritt sind ebenfalls Stärken der USA. In Europa sind nicht nur die Sprachen von Land zu Land unterschiedlich, sondern auch die politischen Gegebenheiten sowie gewisse technischen Normen. In dem Sinne begrüsse ich die verschiedenen Initiativen, die in Europa auf die Schaffung einheitlicherer Strukturen abzielen. Diese werden mittelfristig den Konsum auch in Europa steigern. Insgesamt bin ich jedoch für Amerika kurz- und langfristig etwas optimistischer. Inficon richtet sich jedoch primär auf Anwendungsmärkte aus, die wir global bearbeiten. Weniger stark auf geografische Märkte.

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