Philipp Gmür, CEO Helvetia Schweiz

Philipp Gmür, CEO Helvetia Schweiz

Philipp Gmür, CEO Helvetia Schweiz. (Bild: Helvetia)

Von Peter Stöferle

Moneycab: Das Prämienvolumen der Helvetia Schweiz hat sich im vergangenen Jahr gegenüber 2011 leicht um 3,2 Prozent auf 3,98 Milliarden Franken verringert. Was sind die Gründe für den Rückgang?

Philipp Gmür: Der Rückgang ist ausschliesslich darauf zurück zu führen, dass wir das Volumen in der zweiten Säule, also im Kollektivgeschäft, nach einem starken Wachstum in den vergangenen Jahren bewusst gedrosselt haben. Damit streben wir eine gesunde Balance unserer Geschäftsfelder an. In den Geschäftsbereichen, wo wir Wachstum wollen, haben wir stärker als der Markt zulegen können. So gesehen sind wir mit der Prämienentwicklung im vergangenen Jahr sehr zufrieden.

Allerdings war auch der Gewinn von 261 auf 237 Millionen Franken leicht rückläufig. Wie erklären Sie sich diese Entwicklung?

Dank der ausgezeichneten Performance der Kapitalanlagen war 2012 mindestens ein ebenso profitables Geschäftsjahr wie 2011. Wir haben aber die gute Ausgangslage genutzt, um die Reserven in der Lebensversicherung substanziell zu verstärken. Wir haben die Reserven fast in der Höhe des ausgewiesenen Gewinns verstärkt. Damit wappnen wir uns gegen eine fortdauernde Tiefzinsphase. Wir sind somit auch mit der Ertragsentwicklung sehr zufrieden.

Und wohl auch mit der Entwicklung der Combined Ratio im Nichtleben-Geschäft. Was sind die Gründe für den enorm tiefen Wert von 85 Prozent?

Erstens haben wir ein sehr ausgewogenes Portefeuille. Ein zweiter Grund ist unser Bestreben, am Markt ein vernünftiges Pricing durchzusetzen. Und schliesslich sind wir von grossen Schäden verschont geblieben.

«Das Lebensversicherungsgeschäft ist ein sehr langfristig ausgerichtetes Geschäft. Garantien, die wir heute abgeben, müssen wir in zehn, zwanzig oder fünfzig Jahren erfüllen können.»
Philipp Gmür, CEO Helvetia Schweiz

Ein wichtiges Ereignis für Helvetia Schweiz im vergangenen Jahr war die Übernahme des Versicherungsgeschäfts des SEV. Was waren die Gründe für diesen Handel mit der Gewerkschaft des öffentlichen Verkehrs?

Uns hat sich die Chance geboten, in einem stark konsolidierten Markt eine weitere Übernahme zu tätigen. Zum andern haben wir uns dadurch eine potenzielle Kundengruppe von 45000 SEV-Mitgliedern erschliessen können.

Ist das Geschäft mit Einzellebensversicherungen für Helvetia überhaupt noch attraktiv?

Das Lebensversicherungsgeschäft ist ein sehr langfristig ausgerichtetes Geschäft. Garantien, die wir heute abgeben, müssen wir in zehn, zwanzig oder fünfzig Jahren erfüllen können. Neben der Zinsentwicklung sind wir davon abhängig, dass wir eine Kongruenz zwischen den Verpflichtungen und den Anlagen herbeiführen können. Wir sind überzeugt, dass auch das Lebensversicherungsgeschäft attraktiv ist und profitabel betrieben werden kann.

Inwiefern?

Zum einen ist Lebensversicherungsgeschäft reines Risikoversicherungsgeschäft: Wir versprechen Leistungen im Erwerbsunfähigkeits- und Todesfall. Zum anderen  leben wir von der Zinsmarge. Haben wir Risikoselektion und Pricing einerseits sowie das Asset/Liability-Management andererseits auf lange Sicht im Griff, bleibt dieses Geschäftsmodell attraktiv. Aber es ist in der Tat viel anspruchsvoller geworden, dieses Geschäft für Kunden und Aktionäre rentabel zu gestalten.

«Wir wollen eine Verlagerung von den klassischen Produkten hin zu den Eigenkapital schonenden Produkten herbeiführen.»

Auch Helvetia treibt die modernen Produkte, wo die Rendite von der Entwicklung eines Indizes abhängig ist, voran. Für wen ist das attraktiver, für die Kunden oder die Versicherung?

Beide Rendite-/Risikoprofile bergen Vor- und Nachteile. Bei Unit-linked und fondsgebundenen Produkten partizipiert der Kunde in viel grösserem Ausmass an der Gewinnentwicklung als bei klassischen Produkten, aber er trägt auch entsprechende Risiken. Bei traditionellen Lebensversicherungen tragen wir als Firma das Anlagerisiko; wir profitieren dafür auch unmittelbarer von einer positiven Entwicklung an den Kapitalmärkten. Allerdings müssen wir für die klassischen Produkte mehr Eigenkapital bereit stellen. Darum wollen wir eine Verlagerung von den klassischen Produkten hin zu den Eigenkapital schonenden Produkten herbeiführen. Schliesslich bieten wir zunehmend Lösungen an, wo wir dem Kunden die Garantie eines Dritten bieten, um sein Bedürfnis nach Sicherheit zu befriedigen und gleichzeitig unsere eigene Bilanz zu entlasten.

Ein zunehmend wichtiges Thema sind Hypotheken. Welche Auswirkungen hat der Kapitalpuffer, welcher der Bundesrat im Februar den Banken verordnet hat?

Dieser Puffer gilt ausschliesslich für die Banken. Die Versicherungen unterliegen nach Ansicht der Finanzmarktaufsicht Finma bei der Vergabe von Hypotheken bereits sehr restriktiven Vorgaben. Wir sehen in dieser Massnahme eher eine Stärkung unserer Marktposition.

Ein grosses Thema bleibt die Reform der Altersvorsorge. Was entgegnen Sie auf die Kritik der fehlenden Transparenz bei den Lebensversicherungen in diesem Geschäft?

Betrachten Sie die Betriebsrechnung der Lebensversicherungen und die Publikationen der Finma über die zweite Säule, so können Sie feststellen, dass so viele Informationen und Zahlen offen gelegt werden wie noch nie. Wir haben heute vielleicht das Problem, dass fast zu viele Informationen vorhanden sind. Unsere Branche ist gefordert, aus dieser Fülle jene Informationen hervorzuheben und verständlich zu machen, die für unsere Kunden und Ansprechpartner von Bedeutung sind.

«Die verstärkte Regulierung in den letzten Jahren hat die Kosten in der beruflichen Vorsorge enorm verteuert.»

Was zum Beispiel möchten Sie hervorheben?

Einer der Vorzüge bei uns sind die Vermögensverwaltungskosten. Mit etwa 0,1 bis 0,12 Prozent der verwalteten Vermögen sind sie auf einem Rekordtief. Das ist für Firmenkunden im Kollektivleben enorm attraktiv. Auf der anderen Seite muss ich aber auch erwähnen, dass die verstärkte Regulierung in den letzten Jahren die Kosten in der beruflichen Vorsorge enorm verteuert hat.

Helvetia vertreibt ihre Produkte über ein sehr breites Netz. Welche Prioritäten setzen Sie im Multichanneling?

In einer multimedialen und multioptionalen Gesellschaft sollen die Kunden selber bestimmen können, wo sie ein Produkt oder eine Dienstleistung von uns einkaufen. Wir haben im Schweizer Markt wohl einen einzigartigen Mix von Vertriebskanälen. Mit Raiffeisen im Retailgeschäft und den Kantonalbanken im Geschäft mit Firmenkunden arbeiten wir mit den beiden stärksten Banken-Vertriebsnetzen in der Schweiz zusammen. Wichtige Kooperationen sind für uns sodann jene mit dem Krankenversicherer Helsana oder den verschiedenen Affinity-Gruppen, etwa den Mitgliedern des SEV. Natürlich ist auch das Internet eine attraktive Plattform. Eine bedeutende Rolle im Geschäft mit Firmenkunden spielen zudem die unabhängigen Broker. Doch die noch immer wichtigsten Vertriebswege führen über unseren eigenen Aussendienst.

Helvetia setzt sich für die Erhaltung von Schutzwäldern in der Schweiz ein. Welche Bedeutung hat für Sie dieses Engagement?

Eine unserer vornehmsten Aufgaben als Versicherung ist, mit unseren Kunden einen Schaden zu vermeiden. Schutzwälder sind eine sehr direkte Form von Prävention. Schutzwälder versinnbildlichen geradezu exemplarisch unser langfristig ausgerichtetes Geschäft. Wir pflanzen heute einen Baum, der in 20 Jahren seine Wirkung entfalten kann und schliesslich bis zu 200 Jahre seine Funktion erfüllt. Und nicht zuletzt leisten wir einen namhaften Beitrag im Rahmen unserer unternehmerischen Verantwortung für unsere Umwelt.

«Auch wir jubeln lieber über die Erfolge, als dass wir den verfehlten Podestplätzen der Athleten nachtrauern.»

Finanziell wohl noch einiges grösser ist der Aufwand für das Skisponsoring. Sehen Sie nach den sehr mässigen Resultaten der Schweizer Skicracks dieses Winters Handlungsbedarf?

Auch wir jubeln lieber über die Erfolge, als dass wir den verfehlten Podestplätzen der Athleten nachtrauern. Wir sind uns aber bewusst, dass sich Erfolge im Sport nicht erzwingen lassen. Wir verfolgen die Entwicklung aufmerksam, mischen uns aber nicht in die Verbandspolitik ein. Mit unserem finanziellen Beitrag wollen wir die Voraussetzungen schaffen, dass die Verantwortlichen auf solider Basis  an einer erfolgreichen Zukunft bauen können.

Herr Gmür, wir bedanken uns für dieses Interview!

Über die Person:
Dr. iur. Philipp Gmür ist seit 2003 Vorsitzender der Geschäftsleitung Helvetia Schweiz und Mitglied der Geschäftsleitung der Helvetia Gruppe. Der Luzerner ist seit 19 Jahren bei Helvetia. Sein Einstieg erfolgte 1993; von 1995 bis 2000 war er Generalagent in Luzern, anschliessend Leiter Vertrieb. Philipp Gmür ist Stiftungsrat von Vorsorgeeinrichtungen der Helvetia Versicherungen und Vizepräsident der Stiftung Helvetia Patria Jeunesse sowie der Swisscanto Freizügigkeitsstiftung. Gleichzeitig ist Gmür VR-Mitglied der Coop Rechtsschutz AG, Aarau und bei drei weiteren nicht kotierten Gesellschaften. Philipp Gmür ist verheiratet und hat vier Kinder.

Über das Unternehmen:
Die Helvetia ist eine qualitätsorientierte Allbranchenversicherung mit über 150 Jahren Erfahrung. Sie zählt zu den führenden Versicherungsunternehmen in der Schweiz. Mehr als 750’000 Kundinnen und Kunden werden von 35 Generalagenturen und rund 2’500 Mitarbeitenden betreut. Ob private oder berufliche Vorsorge, ob Schadenversicherung oder Hypothek: Mit einer umfassenden Produktepalette bietet die Helvetia alles aus einer Hand – für Privatpersonen wie für KMU. Die Helvetia Schweiz ist Teil der Helvetia Gruppe, die auch in Deutschland, Italien, Spanien, Österreich und Frankreich tätig ist.

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