Rochus Kobler, CEO Phoenix Mecano, im Interview

Rochus Kobler, CEO Phoenix Mecano, im Interview
Rochus Kobler, CEO Phoenix Mecano. (Foto: zvg)

von Robert Jakob

Moneycab.com: Herr Kobler, trotz ansprechender Quartalberichte wollte die Phoenix Mecano-Aktie im vergangenen Jahr nicht so richtig abheben. Was sagen Sie einem frustrierten Investor wie mir?

Rochus Kobler: Als CEO muss für mich die operative Leistung im Fokus stehen und nicht der Börsenkurs. Aber in einem bin ich mir sicher. Jetzt wäre sicher nicht der Moment zu verkaufen. Ich persönlich habe letztes Jahr Aktien der Phoenix Mecano-Gruppe gekauft. Denn wir sind operativ sehr gut unterwegs, und unsere Zukunftsaussichten sind vielversprechend. Unsere Sparte Industrial Components hat den nachhaltigen Turnaround geschafft, und wir wachsen in allen Sparten profitabel – und dies auch durch die ganze COVID19-Krise hindurch.

Wie erlebten Sie denn vor allem persönlich die Zuspitzung in den letzten Quartalen?

Als Einzelner, auch als operativer Chef, kann man Veränderungen nur anstossen, ermöglichen und unterstützen. Die Pandemie hat es bewiesen. Obwohl wir nicht von Lieferkettenunterbrüchen oder Lockdowns verschont wurden, haben unsere Führungsverantwortlichen rund um den Globus in Eigenverantwortung und situativ mit Blick auf das Ganze entschieden und so unsere Gruppe ohne Umsatzverlust durch die Krise manövriert.

«Wir bedienen globale Nischenmärkte. Diese wachsen entlang von Megatrends wie der Digitalisierung und der Automatisierung – Stichwort «Factory Automation» und «Smart Furniture».»
Rochus Kobler, CEO Phoenix Mecano

Mir kommt Phoenix aber immer noch wie ein Konglomerat vor…

Das sehe ich anders. Unsere drei Sparten sind klar fokussiert aufgestellt. Wir besetzen überall Nischen. Das sind globale und breite Nischenmärkte mit hohen Eintrittsbarrieren. Und in vielen Bereichen sind wir Marktführer. Bei Antriebssystemen für Komfortmöbel sind wir weltweit die Nummer eins. Bei den Antriebslösungen in medizinischen Möbeln sind wir Nummer drei oder vier weltweit. Wir haben in den letzten zehn Jahren als Gruppe eine deutliche Transformation hin zum Systemintegrator gemacht. Mit unseren drei Sparten nutzen wir Wachstumstreiber entlang von globalen Megatrends. In der Sparte DewertOkin Technology Group (DOT) entwickeln wir Systemlösungen für „Smart Furniture“. In den anderen Sparten widmen wir uns der Automation und Digitalisierung von „smart factories“, zum Beispiel im Bereich von Mensch-Maschine-Schnittstellen, Industrial IoT-Anwendungen oder mit LEAN-Arbeitsplatzsystemen.

Sie sprechen da das digitale Assistenzsystem für die Montage, Pick by Light, von Setago, an?

Ja genau, aber vor allem auch unsere integrierten Systeme von SETAGO mit ergonomischen Arbeitsplätzen für die Umsetzung von LEAN-Produktionszellen. Diese kommen beispielsweise in der Medtech- und Pharmaindustrie und bei den Uhrenherstellern zum Einsatz. Phoenix Mecano nutzt dieselben Systeme auch auf den eigenen Shopfloors um flexibel zu fertigen im High-Mix-Low-Volume Umfeld.

Industrial Components hat im Moment eine operative Marge von rund acht Prozent, Enclosure Systems sogar von 14,2. Bei der grössten der drei Divisionen, der Dewertokin Technology Group (DOT), kam einiges Pech zusammen: Chip-Engpässe, teure Frachtraten und explodierende Rohstoffpreise.

Das lässt sich managen. In den letzten zehn Jahren wuchs DOT immer über zehn Prozent, grösstenteils organisch. Wir können auch hier unsere Gestehungskosten, wenn auch mit etwas Verzögerung, weitergeben. In unseren beiden anderen Divisionen konnten wir in den letzten Quartalen die Preise mehrmals erhöhen. Unsere Sparte Enclosure Systems ist nach unseren Analysen der grösste und profitabelste Gehäusehersteller Europas.

«Bei kleineren Stückzahlen, wo wir in der Lage sind, Kundenwünsche ganz individuell und punktuell zu erfüllen, sind die Margen grösser und unsere Preismacht höher.»

Wo sind Preisanpassungen einfacher? Bei kleinen oder bei grossen Losgrössen?

Bei grossen Massen – zum Beispiel im Geschäft mit Grosskunden der DOT Group – sind über Rahmenverträge die Preise längere Zeit fixiert. Bei kleineren Stückzahlen, wo wir in der Lage sind, Kundenwünsche ganz individuell und punktuell zu erfüllen, sind die Margen grösser und unsere Preismacht höher. Da zählt aus Sicht unserer Kunden die Flexibilität und die Lieferfähigkeit mehr als der Preis. Hier können wir bereits in der Angebotsphase Rohmaterialpreissteigerungen einkalkulieren.

Wieviel Stahl oder Aluminium verarbeitet denn DOT pro Jahr?

Aluminium verarbeiten wir mehr als 1’500 Tonnen pro Jahr alleine in der Sparte Enclosure Systems. Der Stahlverbrauch für die DOT Group liegt bei rund 60’000 Tonnen pro Jahr. Ihre Frage zielt auf die steigenden Kosten dieser beiden Rohmaterialien. Und ich kann Ihnen bestätigen, diese Preise sind massiv gestiegen im abgelaufenen Jahr. So auch die Preise für Kunststoffgranulate, welche wir verarbeiten. Nun, die Situation hat sich mittlerweile stabilisiert, teils auf hohem Niveau etwas entspannt.

«Durch Fokussierung und getrieben durch das dynamische Wachstum der DOT Group hat unsere ehemalige Europa-Exposure abgenommen.»

Die Musik spielt für Phoenix Mecano auch zunehmend ausserhalb Europas. Statt zwei Drittel wie vor zehn Jahren wird nur noch rund die Hälfte des Umsatzes auf dem alten Kontinent gemacht. Mit konstantem Trend, nehme ich an?

Das ist so, getrieben durch das starke Wachstum der DOT Group. Es hat den Vorteil, dass unser Geschäft aus Gruppensicht spürbar weniger zyklisch geworden ist. Asien ist ungemein dynamisch, und der der Hauptendmarkt Nordamerika von DOT wächst strukturell ungebrochen stark. Bei unserem neuen Industriepark in Jiaxing, etwa anderthalb Stunden südwestlich von Shanghai, entsteht ein riesiges Industriecluster für Hightechsitzmöbel, Komfort- und Krankenhausbetten. Wir investieren dort in den nächsten fünf Jahren für 100 Millionen Euro in 115 000 Quadratmeter Industriefläche, aber auch in Maschinen und Laboratorien und vor allem auch in hochqualifiziertes Personal für Forschung und Entwicklung. Die Konsolidierung von Standorten wird auch unsere Logistik- und Informationsketten ungemein verkürzen.

Ist es schwierig für eine westeuropäische Firma im Behördendschungel in Chinas zurecht zu kommen?

Für uns überhaupt nicht. Wir sind vor Ort auch bereits sehr gut vernetzt, und die Behörden unterstützen uns. Aber Sie haben Recht, bezüglich dem geplanten Börsengang der DOT Group haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Börsenvorschriften in China sehr streng sind.

Aber wieso haben Sie den Börsengang der DOT in China auf mindestens 2023 verschoben?

Wir werden den Antrag zum Börsengang frühestens 2023 stellen. Im gegenwärtigen Umfeld würden wir keinen sehr guten Preis erzielen. Und wir müssen auch nicht auf Teufel-komm-raus mit unserer Tochter sofort an die Börse. Wir wollen zunächst unsere operative Performance und das Working Capital optimieren und zugleich Raum für weiteres Wachstum nutzen. Dann werden wir den optimalen Zeitpunkt zum Teil-IPO auswählen.

«Wir müssen auch nicht auf Teufel-komm-raus mit unserer Tochter sofort an die Börse.»

Die Eigenkapitalquote war nach Swiss GAAP FER von knapp 60% auf gut 35% gefallen. Das ist aber doch nicht im Geringsten besorgniserregend?

Richtig, unsere Eigenkapitalquote wurde zunächst buchhaltungstechnisch bedingt im Nachgang der Umstellung im 2018 von IFRS auf GAAP reduziert. Dazu kamen zwei grössere Übernahmen deren Goodwill direkt mit dem Eigenkapital verrechnet wurden. Und schliesslich braucht das starke zweistellige Wachstum der DOT viel Kapital. Aufgrund unseres konstanten Cashflows ist das aber kein Problem. Wir brauchen unseren Unternehmenswert nicht zu verwässern.

Als Paramediziner gefällt mir Ihre letzte Übernahme BEWATEC besonders. Was versprechen Sie sich von ihr?

Wie gesagt, die Phoenix Mecano-Gruppe hat sich vom reinen Komponentenhersteller zum Systemintegrator entwickelt. Diese Systeme werden zunehmend elektronischer, digitaler, und die Wichtigkeit von Software nimmt zu. Die Bewatec ist führender Hersteller von Digitalisierungslösungen für Spitäler und Kliniken. Mit der Übernahme kombinieren wir Hardware, also unsere Antriebssysteme und Sensoren, mit der Softwarelösung ConnectedCare von Bewatec. Bewatec ConnectedCare ist eine patientenzentrierte Plattform. Sie ermöglicht Kliniken die Digitalisierung ihrer Beziehungen zu Patienten über den gesamten Behandlungsprozess hinweg. Vor, während und nach dem Klinikaufenthalt. Mit dieser Übernahme legen wir die Basis für smarte, digitale Anwendungen für Pflege- und Komfortmöbel im Zusammenspiel von Hard- und Software. Für diesen Bereich sehen wir im demographischen Wandel und der damit verbundenen Nachfrage nach Homecare- Lösungen einen langfristigen Wachstumstreiber.

Die Book-to-Bill-Ratio lag im Q3 bei sehr guten 105%. Wird sie sich aufgrund des Ziehharmonikaeffektes in der weltweiten Wertschöpfungskette kontrahieren?

Unwesentlich. Wir rechnen zwar in einigen Bereichen mit einem Rückgang des rekordhohen Auftragsbestandes, aber wir werden auch dann in den nächsten Monaten volle Auftragsbücher haben.

Und was wird die Dividende machen?

Die Zielausschüttungsquote für Dividendenzahlungen an die Aktionäre liegt zwischen 40 und 60% unseres um Sonderfaktoren bereinigten Jahresgewinns. Die genaue Zahl bestimmt unser Verwaltungsrat.

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