Thomas Bachmann, CEO Tecan Group

Thomas Bachmann, CEO Tecan Group
Thomas Bachmann, CEO Tecan Group

Von Jolanda Lucchini

Moneycab: Sie haben im März die Zahlen 2010 präsentiert. Wie zufrieden sind Sie mit dem Umsatz 2010?

Thomas Bachmann: Wir haben eine über den Erwartungen liegende Beschleunigung umsetzen können. So erzielten wir letztes Jahr einen um 4,0% höheren Umsatz von 370,5 Mio Franken. In Lokalwährungen resultierte sogar ein Umsatzwachstum von 8,4%. Somit sind wir zufrieden.

«Bei der Entwicklung der nächsten Generation der Liquid-Handling-Plattform-Familie handelt es sich um das grösste Entwicklungsvorhaben in der Geschichte von Tecan.» Thomas Bachmann, CEO Tecan Group

In Nordamerika ging der Umsatz jedoch um 4% zurück. War dies bedingt durch den Wechselkurs? Griffen die staatlichen Fördermassnahmen nich, beziehungsweise sähe es ohne sie noch schlechter aus?

Es gibt immer regionale Unterschiede und wechselkursbereinigt lagen wir nur leicht unter dem Vorjahreswert. Anfangs 2008 haben wir in Nordamerika den Vertrieb erfolgreich neu ausgerichtet und in die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeitenden investiert. Wir hatten dann 2009 ein extrem starkes Jahr, obwohl der Markt rückläufig war – die Vergleichsbasis war also entsprechend hoch. Es ist richtig, dass wir auch von den Stimulus-Gelder, die der Staat gesprochen hat, profitieren konnten. In einigen Fällen wurden Projekte dadurch aber auch verzögert, weil Kunden erst abgewartet haben, ob sie Fördergelder bekommen.

Erfreulich: Sie konnten den Auftragseingang 2010 deutlich steigern. Wie sind die Aussichten für 2011?

Der Auftragseingang 2010 lag in Lokalwährung 9,9% über dem Vorjahr. Damit sind wir sehr zufrieden. Da aber unsere Projekte grösser und komplexer werden, dauert ihre Abwicklung länger. Konkrete Zahlen zu 2011 nenne ich noch nicht, aber was ich sagen kann: 2011 sind wir mit einem deutlich höheren Bestellbestand gestartet.

In den letzten Jahren stand die Optimierung der Profitabilität im Zentrum. Suchen Sie nun ein schnelleres Wachstum?

Ja. Weil uns die Optimierung der Profitabilität gut gelungen ist, gab es für die nächsten zwei, drei Jahre zwei Möglichkeiten: Einerseits eine weitere Profitabilitätssteigerung zu verfolgen oder einen Teil des generierten Cashs in organisches Wachstum, in die Beschleunigung der Innovationsprojekte zu investieren. Wir haben uns für das Zweite entschieden.

Wo wollen Sie in der Entwicklung konkret investieren?

Einerseits in neue OEM-Projekte, die wir zum grössten Teil von den Kunden bezahlt bekommen oder, in einem konkreten Fall, vorfinanzieren. Andererseits in eine ganze Reihe von Endkundenprodukten. So handelt es sich bei der Entwicklung der nächsten Generation der Liquid-Handling-Plattform-Familie um das grösste Entwicklungsvorhaben in der Geschichte von Tecan. Ausserdem entwickeln wir beispielsweise eine innovative Probenvorbereitung für die Massenspektrometrie (Messen von Teilchen). Natürlich haben wir noch anderes in der Pipeline, worüber ich derzeit noch nicht sagen kann und will.

«Die Entwicklung geht in Richtung dedizierte, integrierte Lösungen. Die bestehen aus einem Instrument, aus Software, aus Kunstoff-Verbrauchsmaterialien und aus einem Reagenzien-Anteil.»

Dann skizieren Sie mir vielleicht, wohin die Entwicklung geht?

In Richtung dedizierte, integrierte Lösungen. Die bestehen aus einem Instrument, aus Software, aus Kunstoff-Verbrauchsmaterialien und aus einem Reagenzien-Anteil. Dies für Anwendungen, bei denen wir nicht mit bestehenden OEM-Kunden in Konkurrenz treten wollen. Also geht es vor allem um Lösungen für Genomik (Erbgut), Genforschung oder neue Technologien wie die erwähnte Massenspektrometrie, wo es um eine spezifische, schnelle und exakte Probenvorbereitung geht. In diesem Bereich sind wir prädestiniert mit unserer Automation.

Punkto Entwicklung bzw. Veränderung: Die 2005 erworbene Laborlagereinrichtungsfirma Remp, lief nicht gut und musste deshalb 2010 mit zweistelligem Millionenverlust verkauft werden. Welches sind die Lernerkenntnisse daraus – auch hinsichtlich neuer Akquisitionen?

Darüber war ich auch nicht glücklich. Ich bin aber nach wie vor überzeugt, das Remp vom Produkt her gesehen eigentlich gut in unsere Produktestrategie hineingepasst hat. Als schwierig erwiesen sich aber die unterschiedlichen Unternehmenskulturen und die schwächer als erwartet ausfallenden Synergien im Vertrieb. Hierauf werden wir zukünftig mehr achten.

Und welches war der zweite Stolperstein?

Die zukünftigen Laborlagereinrichtungen sollten fähig sein, biologische Proben bei minus 80 Grad zu lagern. Wir haben diese Entwicklung gestartet, doch es zeigte sich das «Not-Invented-Here-Syndrom». Das heisst, die übernommene Firma verweigerte sich einer konstruktiven Zusammenarbeit mit Tecan. Hier hätten wir früher intervenieren sollen, denn als Folge dessen hat sich der Markteintritt verzögert, was dazu führte, dass das notwendige Wachstum nicht erreicht werden konnte. Ich denke aber, dass mit dem Verkauf der Sparte an unseren Wettbewerber Nexus jetzt ein starker Player am Markt entstehen konnte, der auch überlebensfähig sein wird.

Sie sind die letzte Zeit vermehrt Kooperationen, unter anderen auch mit der britischen Enigma eingegangen. Was hat ihr Interesse an dieser Firma erweckt?

Einerseits war interessant für uns, dass Enigma eine genomische Technologie entwickelt hat und interessante Patente darauf besitzt. Enigma ihrerseits suchte einen Partner, der ihr half, die Produktion des Instruments zu industrialisieren. Durch diese Zusammenarbeit lernten wir diese Technologie besser kennen. Wir haben uns daraufhin die Option gesichert, die Technologie in eigene Gerätekonzepte einzubauen und eine molekulardiagnostische Plattform für ein grosses Diagnostikunternehmen zu entwickeln.

Seit 2011 hat Tecan eine neue Organisationsform. Unterteilt in Life Sciences Business (Endkunden ) und Partnering Business (OEM). Haben Sie diese Form gewählt, um Kosten einzusparen?

Nein, darum ging es nicht primär. Die neue Struktur soll unsere Wachstumsstrategie besser unterstützen und den unterschiedlichen Kundenbedürfnissen optimal Rechnung tragen. Die beiden Geschäftsmodelle sind grundverschieden. Das Endkunden-Geschäftsfeld ist ein innovationsgetriebenes Business mit Produktlebenszyklen von drei bis fünf Jahren und erfordert rasche Kundenlösungen. Das OEM-Geschäft dagegen ist ein langfristiges Geschäft mit hohem Entwicklungsbedarf von vier, fünf Jahren, in welchen man vorinvestiert und dafür Produktlebenszyklen von zehn bis fünfzehn Jahren hat.

Welchen Einfluss hat die Reorganisation auf den Umsatz?

Spätestens 2013 erwarten wir eine deutliche Zunahme aufgrund der neuen Organisationsstruktur sowie der erhöhten Ausgaben für Forschung und Entwicklung.

«Wir haben zum Beispiel für die Abwicklung von zwei OEM-Projekten rund hundert neue Ingenieure eingestellt.»

Braucht es auch andere Skills oder sogar mehr Personal?

Ja, wir haben zum Beispiel für die Abwicklung von zwei OEM-Projekten rund hundert neue Ingenieure eingestellt. Es geht aber nicht nur um den Personalbedarf in quantitativer Hinsicht, sondern auch um die veränderten Bedürfnisse von Tecan und die Skills, die unsere neuen Mitarbeiter einbringen.

Können Sie mir ein Beispiel geben?

Wenn wir in Richtung integrierte Lösungen gehen, selber aber kein Chemiehersteller sind, brauchen wir trotzdem Personal mit Verständnis für diese Materie. Deshalb haben wir auch eine ganze Reihe Wissenschaftler rekrutiert mit Skills, die wir vor zwei Jahren noch nicht gebraucht hätten.

Suchten Sie die Leute auch im Ausland?

Ja, wir brauchen viele hochqualifizierte Mitarbeitende wie Biologen, Physiker, Software-Entwickler oder Mediziner. Deshalb suchen wir global. Hilfreich dabei ist, dass wir mehrere Produktions- und Entwicklungsstandorte haben, unter anderem auch in Kalifornien.

Wie schätzten Sie die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Führungsnachwuchses ein?

Wir haben in der Schweiz sehr gut ausgebildete Leute. Auch das Angebot an Weiterbildungsmöglichkeiten ist extrem gut und wird auch rege genutzt. Was es vermehrt braucht, ist eine bessere Abstimmung zwischen Theorie und Praxis. Wir fördern deshalb auch unsere High-Potentials. Wir schicken sie aber nicht nur in eine Weiterbildung, sondern lassen sie in Projekten mitarbeiten oder schicken sie ins Ausland. An der Fronterfahrung wachsen sie und gewinnen neue Sichtweisen und Erkenntnisse.

Welche Bedeutung hat Diversity für ihr Unternehmen und welche Massnahmen sind zum Thema geplant beziehungsweise schon umgesetzt?

Diversity ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Wir haben einen hohen Frauenanteil und von den Kulturen und Nationalitäten her eine sehr gute Durchmischung. Durch die Beschäftigung von vielen hochqualifizierten Mitarbeitenden ist die Belegschaft automatisch international. Wir haben letztes Jahr in Männedorf unser 30-jähriges Jubiläum gefeiert. Anlässlich dieses Events liessen wir die Mitarbeitenden unseren Identitätsslogan in ihre Muttersprache übersetzen, es kamen über dreissig Sprachen zusammen.

Der Gesprächspartner:
Thomas Bachmann, geboren 1959, ist gelernter Maschineningenieur mit Executive MBA am IMD. Seit 2005 ist er CEO von Tecan. Er begann seine Karriere als Ingenieurwissenschaftler am Medizinischen Zentrum der Queen’s University in Kanada. Von 1885 bis 2002 arbeitete er in leitenden Funktionen (Vertrieb, Geschäftsführung und Corporate Development) bei der Rieter Holding AG. Ab 2002 bis 2004 war Thomas Bachmann als CEO für die Division Stahl der AFG Arbonia-Forster-Holding AG tätig.

Das Unternehmen:
Tecan ist ein führender Anbieter von Laborgeräten und Lösungen im Bereich Biopharma, Forensik und Klinische Diagnosik. Als Erstausrüster ist Tecan auch führend in der Entwicklung und Fertigung von OEM-Geräten und Komponenten, die von Partnerunternehmen vertrieben werden. Tecan wurde 1980 in der Schweiz gegründet beschäftigt heute rund 1’100 Mitarbeitende. Die Firma – mit Sitz in Männedorf – besitzt Produktions-, Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen in Nordamerika und Europa und unterhält ein Vertriebs-und Servicenetz in 52 Ländern.


Symbolbild KF für CEO Interviews


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