Thomas Binggeli, Geschäftsführer und Teilhaber BMC Group

Thomas Binggeli, Geschäftsführer und Teilhaber BMC Group

Thomas Binggeli, Geschäftsführer und Teilhaber BMC Group. (Foto: Thömus)

von Bob Buchheit

Moneycab: Herr Binggeli, diskutieren Sie mit BMC-Mehrheitsaktionär Andy Rihs mehr übers Geschäft oder mehr über den Fahrradsport?

Thomas Binggeli: Sachbezogen und häufiger diskutieren wir zu unserem Geschäft. Gerne und immer wieder auch leidenschaftlich über den Radsport, insbesondere in den Zeiten der grossen Rennen. Andy Rihs ist bekanntlich ein Radsport-Aficionado erster Güte…

Dank Carbonfibermaterial werden Fahrräder immer leichter. Wo liegt für ein Mountainbike mit seinen schwereren Pneus oder für ein Rennvelo die Gewichtsgrenze?

Es gibt bereits Ultra-Hightech-Veloprototypen, welche nicht mehr als 3 Kilogramm wiegen, fahrbereit. Die Tendenz verläuft etwa so: Vor zehn Jahren hätte sich niemand vorstellen können, ein Serienrennrad mit 6 Kilogramm Gesamtgewicht inklusive Pedalen und Flaschenhalter kaufen zu können. Kein Mensch hätte geglaubt, dass es rennfähige, voll gefederte Mountainbikes geben würde, welche nicht mehr als 8 Kilogramm wiegen. Also sage ich Ihnen: in 10 Jahren werden Rennräder in der Gewichtsklasse um 5 Kilogramm für die breite Masse zu kaufen sein. Die Gewichtsgrenze nach unten ist weit offen. Sie wird nur von den Sicherheitsnormen limitiert, die eingehalten werden müssen.

Wie läuft die Carbonfertigung bei Impec? Da gab es ja Anlaufschwierigkeiten.

Inzwischen sind wir in der Serienproduktion der Impec-Karbonrahmen. In derartigen Hightech-Entwicklungen sind Schwierigkeiten übrigens nicht ausschliesslich ein nur negatives Kriterium. Um konkurrenzfähige Karbonvelos aus der Schweiz anbieten zu können, müssen wir die höchsten Anforderungen an uns selber stellen. Hier liegt die Latte extrem hoch.

«Ich kann mir gut vorstellen, dass dereinst weniger Autos, dafür 3,5 Millionen E-Bikes im Verkehr sein werden.»
Thomas Binggeli, Geschäftsführer und Teilhaber BMC Group

Der grosse Renner sind jetzt vor allem Elektrovelos. In Deutschland flitzen bereits 600’000 e-Velos durch die Gegend. Bei welcher Zahl sehen Sie die maximale Marktdurchdringung?

In der Schweiz sind heute weit über 5 Millionen Autos registriert. E-Velos brauchen viel weniger Platz, sind im Nahverkehr viel schneller und flinker. Das Potenzial ist enorm, die Marktdurchdringung wird hoch ausfallen. Ich kann mir gut vorstellen, dass dereinst weniger Autos, dafür 3,5 Millionen E-Bikes im Verkehr sein werden. Denn e-Velos sind die Fortbewegungsmittel der Zukunft.

Kommt es bei zunehmendem Erfolg der Elektrofahrräder zu Interessenskonflikten mit anderen Verkehrsteilnehmern?

Zweifellos werden die Interessenskonflikte wachsen. Wir steuern direkt auf eine Schweiz mit 10 Millionen Einwohnern zu. Immer mehr Leute beanspruchen eine stets höhere Mobilität. Damit dürfte in nicht allzu ferner Zukunft Schluss sein. Im sich anbahnenden Interessenkonflikt werden Regelungen und Beschränkungen kommen. Ich gehe davon aus, dass Fussgänger, Radfahrer und öV-Benutzer die privilegierten Zielgruppen sein werden; sie sind ökologisch unterwegs und machen keinen Lärm. Die Potenziale für e-Velos erhöhen sich so nochmals beträchtlich. Unter den individuellen, ökologischen Fortbewegungsarten bietet das e-Velo zweifellos den grössten Komfort, den grössten Aktionsradius, es ist einsetzbar von Tür zu Tür. Unschlagbare Argumente .

Smart hat ein E-Bike auf den Markt gebracht, das preislich knapp unterhalb Ihres erfolgreichen Stromers angesetzt ist. Wie reagiert die BMC Group darauf?

Konkurrenz belebt das Geschäft, Smart ist ein weiterer ernstzunehmender Marktteilnehmer. Ich sehe für unser Elektrovelo Stromer im harten und selektiven Wettbewerb eher Vorteile. Der Konsument wird Preise, Nutzwert und Power prüfen und dabei feststellen, dass der Stromer eines der leistungsfähigsten und modernsten e-Velos ist.

» Unter den individuellen, ökologischen Fortbewegungsarten bietet das e-Velo zweifellos den grössten Komfort, den grössten Aktionsradius, es ist einsetzbar von Tür zu Tür.»

Welche Strategie fährt die BMC Group mit dem Stromer gegenüber dem Marktführer Flyer?

Der Stromer lässt sich nur bedingt mit dem Flyer vergleichen. Die Flyer-Leute haben in der Schweiz einen prima Job gemacht, ihr e-Velo ist ein Hans-Dampf-in-allen-Gassen-Fahrzeug. Wir dagegen peilen mit dem Stromer selektiv bestimmte Zielgruppen fokussiert an und wollen uns innerhalb dieser Zielgruppen stark weiter entwickeln

Wo sehen Sie Ihr e-Velo Stromer zehn Jahre nach der Lancierung, also im 2018?

Ein Hightech-Velo der Spitzenklasse, unverzichtbar im Alltag, in der Freizeit. Ein gesundheitsstützender Freudenspender, mit einer Ästhetik der Spitzenklasse und der Funktionalität eines iPhones.

Ihre Gruppe hat rund 250 Mitarbeiter. Ist es für Sie einfach, gutes Fachpersonal zu bekommen?

Nein, die Suche nach den besten Mitarbeitenden ist nie einfach. Die besten Leute sind rar, man muss sie suchen und sie mit einer Herausforderung abholen. Sie wollen sich mit Spitzenprodukten profilieren, sie wollen in den besten Firmen arbeiten.

Was halten Sie vom Führungspersonal in der Schweiz?

Ich bin der Ansicht, dass es in der Schweizer KMU-Welt viele ganz ausgezeichnete Geschäftsleiter und weitsichtige Firmenchefs gibt, die selber auch am Unternehmen beteiligt oder gar Besitzer sind.

Wird sich einmal auch das e-Mountainbike durchsetzen?

Sie sind bereits auf dem Markt, sind jedoch durch ihr relativ hohes Gewicht und ihre Geometrie gegenüber modernen Bergvelos sehr stark im Hintertreffen. Wir werden sorgfältig vorgehen müssen. Es darf nicht sein, dass künftig E-Biker die Wanderwege und Trails nutzen, das würde zu einer Übernutzung führen und würde Velofahrer auf die Trails bringen, welche sonst nie dort zu finden wären, technisch nicht und konditionell nicht.

Mit Andy Rihs im Rücken, wollen Sie ihr Stromer auf dem europäischen Markt durchsetzen. In drei Jahren wollen Sie den Umsatz verdoppeln, und der  Stromer soll bis dahin die Hälfte des Umsatzes beitragen. Wo neben Deutschland wollen Sie am meisten absetzen?

Wir gehen in diverse Euro-Länder und wir fokussieren auch auf die USA.

Wird der Kampf um e-Fahrrad-Marktanteile über den Akku, die Rekuperation oder schliesslich über das Design entschieden?

Akku und Rekuperation müssen top sein, doch das ist, wie beim Automobil, für den Kunden sehr rasch eine Commodity, eine Selbstverständlichkeit. Frauen kaufen oft nach Praktikabilitätsüberlegungen, aber auch nach Optik und Design. Männer kaufen Leistung und natürlich muss auch bei ihnen das Design stimmen. Deshalb sage ich: eine hohe Leistung, hohe Reichweiten, inklusive Rekuperation, werden selbstverständlich sein, Funktionalität und Design werden den Kauf entscheiden. Nehmen Sie den neuen Golf VII, der jetzt kommt, den neuen Audi und die Konkurrenten von Toyota, Kia, Opel und Mercedes. Diese Klasse bietet die besten Autos der Welt, die beste Funktionalität zum besten Preis bei minimalem Verbrauch. Top Autos also. Welches kaufen Sie? Die meisten werden den Golf VII kaufen, weil Ästhetik, Funktionalität und Leistung im Einklang stehen. Wir müssen und werden noch viel lernen von der Automobilindustrie.

Zur Person:
Als 17jähriger gründete der in Ausbildung stehende Spengler Thomas Binggeli den „Velo Service Oberried, sein erstes Fahrradgeschäft. 2001 entwickelt der junge Velo-Unternehmer den kultigen „Thömus Veloshop“, ein Fahrradgeschäft mit überregionaler Präsenz. 2006 wird Binggeli mit dem begehrten Jungunternehmerpreis des Swiss Economic Forum ausgezeichnet, der führenden Wirtschaftskonferenz der Schweiz. Mit der Entwicklung des E-Bikes „Stromer“ gelingt 2008 dem bescheidenen Machertypen ein weiterer Wurf in der Welt der boomenden Elektrofahrräder. 2011 übernimmt der erfolgreiche Schweizer Unternehmer Andy Rihs, Besitzer der ISH International Sports Holding und mit seiner Velomarke BMC Sieger der Tour de France 2011, Thömus Unternehmen „Stromer“. Er macht Thomas Binggeli ab 2012 zum Teilhaber und zum neuen CEO der ISH (BMC, Bergamont, Stromer), welche seit  Februar 2012 BMC Group Holding heisst.

Zum Unternehmen:
BMC Group Holding AG hat ihren Sitz in Grenchen und vertreibt die Marken BMC, Bergamont, Stromer und betreibt die Einkaufs- und Produktionsgesellschaft Swiss Manufacturing Technology. BMC unterhält Standorte in Grenchen, Thörishaus und Hamburg und erzielt einen Jahresumsatz von 160 Millionen Franken. 2012 sollen rund 200‘000 Velos abgesetzt warden. Zurzeit beschäftigt die Gruppe rund 250 Mitarbeitende.

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