Timo Schmidt-Eisenhart, CEO Calida Gruppe, im Interview

Timo Schmidt-Eisenhart, CEO Calida Gruppe, im Interview
CEO Timo Schmidt-Eisenhart verlässt Calida per Ende Juni 2023. (Foto: Calida)

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Schmidt-Eisenhart, der Betriebsgewinn aus dem fortgeführten Geschäft stieg im 2021 um 43 Prozent auf 24,3 Millionen Franken. Es scheint, als hätte Calida nun endgültig die perfekte Nische gefunden?

Timo Schmidt-Eisenhart: In der Tat ermöglichte die Konzentration unserer Geschäftsaktivitäten auf das Kerngeschäft Unterwäsche und Lingerie eine Fokussierung unserer Strategie. Das zahlt sich nun zunehmend aus. So wurde der Fokus des Markenportfolios geschärft, die Profitabilität der Gruppe gestärkt und Prozesse optimiert. Zu unseren starken Marken im Segment Lingerie und Unterwäsche CALIDA und AUBADE kam im aktuellen Geschäftsjahr die nachhaltige Unterwäschemarke erlich textil hinzu, welche die Nutzung von Synergien zwischen den Marken weiter fördert. Zudem hat der erfolgreiche Auf- und Ausbau unseres E-Commerce-Geschäftes zu diesem Rekordresultat beigetragen. Bereits weit vor dem Pandemieausbruch setzten wir bewusst auf unsere digitalen Vertriebskanäle. Die Calida Gruppe wächst hier seit Jahren schneller als der Markt und konnte somit in allen Kategorien Marktanteile gewinnen.

E-Commerce macht mittlerweile 27 Prozent vom Umsatz aus. Bis 2026 soll es die Hälfte sein. Welche Rolle sollen denn physische Shops überhaupt noch spielen?

Unser Omnichannel-Geschäftsmodell basiert auf der erfolgreichen Nutzung von sowohl dem E-Commerce als auch dem stationären Handel. Natürlich wird sich die Verschiebung der Kundenbegegnung in den virtuellen Raum weiter fortsetzen. Das kontinuierliche Wachstum unseres Online-Geschäfts zeigt das Wachstumspotenzial der digitalen Vertriebskanäle für Calida deutlich. Nichtsdestotrotz können und wollen wir nicht auf den stationären Handel verzichten. Besonders im vierten Quartal, also im Weihnachtsgeschäft, schätzen unsere Kunden den persönlichen Austausch vor Ort. Die Rolle der Stores wird sich jedoch weiter verändern: Die persönliche Beratung steht ganz klar im Zentrum. Zudem werden physische Stores weiter mit dem Online-Kanal zusammenwachsen, um das Omnichannel-Geschäftsmodell weiter voranzutreiben.

«Die Rolle der Stores wird sich weiter verändern: Die persönliche Beratung steht ganz klar im Zentrum.» Timo Schmidt-Eisenhart, CEO Calida Gruppe

Das organische Wachstum soll bis 2026 jährlich 4 bis 6 Prozent pro Jahr betragen und die EBIT-Marge 10 Prozent erreichen. Jetzt liegt sie bei 8,1. Welche Effizienzsteigerungen sind eingeplant?

Einerseits arbeiten wir am Auf- und Ausbau eines Plattformmodells mit Hebelwirkung, um Synergien gezielt nutzen zu können und das Wachstum der Marken zu unterstützen. Durch die zentrale Plattform können alle Marken zielgerichtet gefördert werden, indem sie auf Leistungen direkt zugreifen können. Unsere strategische Fokussierung auf das Kernsegment Unterwäsche und Lingerie hilft uns beim Aufbau der Plattform durch eine Komplexitätsreduktion und Prozessoptimierung. Andererseits ist es Teil unserer Strategie ACCELERATE 2026, unseren eigenen Vertrieb weiterzuentwickeln und zu fördern. Durch die stärkere Konzentration auf die eigenen Vertriebskanäle und den Ausbau des Omnichannel-Angebots werden wir die Effizienz auf Gruppenstufe ebenfalls steigern können.

Durch strategische Kompetenzzentren will Calida die «Synergien zwischen den Marken vergrössern». Was verstehen Sie darunter?

Unter strategischen Kompetenzzentren werden Bereiche des Plattformmodells verstanden, die den Marken gezielt Unterstützung bieten. Ein solches Kompetenzzentrum ist beispielsweise unser Bereich REICH ONLINE SOLUTIONS (ROS). ROS unterstützt die Marken mit einer digitalen Infrastruktur, um ihr E-Commerce-Geschäft erfolgreich zu gestalten. Durch die strategischen Kompetenzzentren werden Synergien geschaffen, die zur Effizienzsteigerung der Gruppe beitragen.

«Mit erlich textil konnten wir die Expertise unserer Gruppe für die gezielte Ansprache jüngerer, nachhaltigkeitsaffiner Kundschaft weiter stärken.»

Welche Rolle spielen für Calida denn Influencer?

Influencer sind heutzutage ein wachsender Kanal, um insbesondere eine jüngere Zielgruppe zu erreichen. Entsprechend arbeiten alle unsere Marken erfolgreich mit Influencern zusammen, um ihre Produkte den passenden Zielgruppen authentisch zu präsentieren. Mit der im Februar 2022 kommunizierten Akquisition der nachhaltigen Wäschemarke erlich textil, einem digitalen Pure-Player mit einer eher jüngeren Kundschaft, konnten wir die Expertise unserer Gruppe für die gezielte Ansprache dieser Zielgruppe weiter stärken.

Internationales Wachstum der einzelnen Marken ist Ziel der Gruppenstrategie. Da müssen Sie sicherlich bestimmte Länderschwerpunkte setzen. Welche?

Unser internationales Wachstum ist eine von den drei strategischen Schlüsselinitiativen der Gruppe. Besondere Aufmerksamkeit wird dabei unseren europäischen Kernmärkten zuteil, die mit der DACH-Region, Frankreich, Italien und UK hauptsächlich in Westeuropa liegen. In diesen Märkten geht es darum, die Potenziale unseres D2C- sowie B2B-Geschäftes zu nutzen. Und wir konzentrieren uns insbesondere in Deutschland und Frankreich auf zielgerichtete Investitionen für unser Multichannel-Wachstum. Darüber hinaus wollen wir auch die Märkte China und Japan besser verstehen und dort Fuss fassen.

«Die sehr positive Entwicklung von AUBADE ist primär auf den Ausbau der B2B-Beziehungen, die Fokussierung auf den eigenen E-Commerce und die selbst betriebenen Marktplätze zurückzuführen.»

Von Ihren drei Marken konnte der Miederspezialist Aubade den Profit am stärksten (+47,6 Prozent) steigern. Haben Sie da die grösste pricing power?

Die sehr positive Entwicklung von AUBADE ist primär auf den Ausbau der B2B-Beziehungen, die Fokussierung auf den eigenen E-Commerce und die selbst betriebenen Marktplätze zurückzuführen. Zudem erfreut sich die Marke AUBADE steigender Beliebt- und Bekanntheit. All unsere Marken sind dank hochwertigen Produkten und einer sehr treuen Kundschaft gut positioniert und verfügen über entsprechende pricing power.

Den meisten ist nicht bekannt, dass auch der Falt- und Klappstuhlproduzent die Outdoor-Möbelmarke LAFUMA Mobilier zur Calida Gruppe gehört. Hat hier das wachsende Bedürfnis zum schöner Wohnen im Freien zur hohen Profitabilität (+37,3 Prozent) beigetragen?

Die Pandemie hat sicherlich das gesteigerte Bewusstsein für das Wohlbefinden im eigenen Zuhause gestärkt. Durch Lockdowns und Homeoffice-Pflichten waren wir alle gezwungen, uns deutlich mehr in den eigenen vier Wänden aufzuhalten als dies vor Corona der Fall war. Entsprechend wurde in die eigene Infrastruktur investiert, was sicher auch zum Erfolg von LAFUMA MOBILIER beigetragen hat.

Was sind dort die neusten Trends?

Auch bei den Möbeln von LAFUMA MOBILIER spiegelt sich die allgegenwertige Bewegung hin zu verantwortungsvollen und nachhaltigen Produkten wider. Die Kunden legen ein besonderes Augenmerk auf die Herkunft von Materialien, Arbeitsbedingungen und Lieferketten – gleichzeitig darf es an dauerhaftem Komfort nicht fehlen. Mit unserer Philosophie, mehr Komfort bei weniger Auswirkungen auf die Umwelt zu bieten, entsprechen wir dieser Bewegung bei LAFUMA MOBILIER. Wir sind der Meinung, dass wir als Unternehmen und Produzent hochwertiger Möbel Verantwortung übernehmen müssen. Hierzu gehören Qualität, Haltbarkeit und Herkunft eines Produktes, die für Kunden zunehmend entscheidende Auswahlkriterien sind.

Mit dem Verkauf der Millet Mountain Group hat sich Calida klar auf das Kerngeschäft Unterwäsche und Lingerie ausgerichtet. 2021 wurde fünfmal so viel investiert wie im Vorjahr. Wo erwarten Sie die ersten reifen Früchte?

Für den Verkauf der MILLET MOUNTAIN GROUP haben wir mit dem Enkel des MILLET-Gründers zusammen mit Inspiring Sport Capital eine verbindliche Vereinbarung unterzeichnet. Den Abschluss der Transaktion erwarten wir im zweiten Quartal 2022. Mit dem Erlös werden wir weitere Akquisitionen im Unterwäsche- und Lingerie-Segment tätigen und so unsere strategische Fokussierung auf diesen Bereich fortsetzen. Die kontinuierlichen Investitionen in das Unterwäsche- und Lingerie-Segment zeitigte bereits positive Auswirkungen, wie das zweistellige Umsatzwachstum unserer Kernmarken im vergangenen Jahr zeigt. Neben diesem organischen Wachstum ist auch die Übernahme von erlich textil Ausdruck dieser fokussierten Strategie.

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