Torsten Greiner, CEO Feintool Gruppe, im Interview

Torsten Greiner, CEO Feintool Gruppe, im Interview
Feintool-CEO Torsten Greiner. (Foto: Feintool)

von Sandra Willmeroth

Moneycab.com: Herr Greiner, Feintool weist für das 1. Halbjahr 2023 einen 450 Mio. Umsatz, 12.2 Mio. EBIT aus. Sind Sie mit dem Resultat zufrieden?

Wir sahen uns im ersten Halbjahr mit Herausforderungen konfrontiert, die auf externe Entwicklungen zurückzuführen sind. In einigen Märkten gab es inflationsbedingt erhebliche Kostensteigerungen im Energie- und Personalsektor, die dann neu verhandelt und nur zeitverzögert an unsere Kunden weitergegeben werden können. In China ist der Markt aufgrund der Änderung der Corona-Politik im ersten Quartal nur langsam gestartet. Vor diesem Hintergrund hat sich Feintool als wichtiger Player in der Transformation der Automobilindustrie gut behauptet. Mit unseren Betriebsergebnissen bin ich hingegen noch nicht zufrieden, hier streben wir klar eine höhere Profitabilität an.

Welche Bedeutung haben die neuen, grünen Antriebstechnologien mittlerweile?

Durch eine strategische Neuausrichtung konnte der Umsatzanteil an Komponenten für Verbrennungsmotoren bereits auf unter 50 % reduziert werden. Wir konzentrieren uns auf zukunftsträchtige Kundenlösungen für Elektro- und Wasserstoffmobilität sowie regenerative Energiegewinnung durch Windkraft und industrielle elektrische Antriebe. Dabei sind wir einer der grössten Lieferanten für Hauptantriebe von E-Autos und E-Nutzfahrzeugen.

Wie schaffen Sie den Spagat zwischen alter Welt (fossile Verbrenner) und neuer Welt (grüne Energien)?

Wir haben im Jahr 2022 einen Rekord-Auftragseingang von mehr als 1 Mrd Franken Lifetime-Volumen. Diesen positiven Trend konnten wir 2023 bislang fortsetzen. Das zeigt, dass wir strukturell wachsen. Die Neuaufträge beinhalten Zukunftstechnologien in allen Bereichen der grünen Energie, der Elektromobilität aber auch in der Wasserstofftechnologie. Gleichzeitig wurden in den USA in den etablierten Technologien des Umformens und Feinschneidens neue Grossaufträge eingeworben. Feintool ist damit sowohl in ihren angestammten Technologien wie auch für die Entwicklung in den Zukunftsmärkten mit ihren Produkten und dem grossen Know-how global stark vertreten.

Sie haben das Ruder bei Feintool im Januar 2023 übernommen. Wie ist ihre persönliche Bilanz dieser ersten acht Monate an der Spitze des Unternehmens?

Wir setzen unsere Strategie konsequent und in hohem Tempo um. Bereits in den ersten acht Monaten meiner Zeit als CEO konnten wir weitere wichtige Meilensteine erreichen. So hat beispielsweise die strategische Neuausrichtung auf unser Kerngeschäft, sprich: die Serienteileproduktion, nach dem Verkauf des Investitionsgütergeschäfts unseren Fokus gestärkt. Zudem konnten wir bedeutende Grossaufträge in wichtigen Zukunftsmärkten gewinnen und zwar in allen drei Anwendungsbereichen Automotive, Industrie und erneuerbare Energien. Regional betrachtet haben wir unseren Marktanteil in den USA ausbauen durch den Gewinn von Aufträgen von Tier1-Zulieferern weiter ausbauen können. Und zuletzt war ich in China, wo unser Standort in Taicang zum Hub für Feintools Zukunftstechnologien ausgebaut wurde. Wir haben dort bereits das Elektroblechstanzen in diesem Jahr neu aufgebaut und werden im Jahr 2024 dort den ersten Grossauftrag im Bereich Bipolarplattenproduktion, als Herzstück für Brennstoffzellen in China, dem boomenden Markt für Wasserstoff, produzieren.

A apropos Strategie: Wie formulieren Sie diese, was sind die Ziele der Gruppe?

Feintool ist Marktführer in den angestammten Technologien Feinschneiden und Umformen und nutzt die führende Position gezielt, um unsere Zukunftstechnologien Elektroblechstanzen und die Bipolarplattenproduktion weltweit auszurollen und mit ihnen in den dynamisch wachsenden Märkten gut vertreten zu sein. Wir konzentrierten uns dabei auf den Megatrend der Grünen Energie. Unsere Technologien unterstützen alle drei Stufen von der Gewinnung, über die Speicherung bis hin zur Nutzung Grüner Energie. In diesen nachfrageorientierten Märkten deckt Feintool Marktbedürfnisse in der Breite ab. Feintool baut ihre Stellung aus und wird so die Profitabilität mittelfristig deutlich erhöhen.

Was bedeutet das in Zahlen?

Feintool will bis 2026 ein organisches Wachstum von > 5 % pro Jahr erzielen und wir wollen bis dahin einen Umsatz von über einer Milliarde CHF erreichen. Mit einer EBIT-Marge von 6 – 8 % und einer EBITDA-Marge von 12 – 14 % soll auch die Profitabilität bis 2026 deutlich verbessert werden. Ausserdem strebt Feintool eine Free Cash Flow Marge von 4 – 6 % an.

«Wir investieren aktuell stark in die Technologie des Elektroblechstanzens, da wir hier gute globale Wachstumschancen haben.»
Torsten Greiner, CEO Feintool Gruppe

Nach dem Verkauf des Investitionsgütergeschäfts fokussiert Feintool sich auf das Kerngeschäft der Produktion von Systemteilen. Sind in naher Zukunft noch weitere Devestitionen oder aber Zukäufe zu erwarten?

Mit der Akquisition von Kienle + Spiess hat Feintool im Jahr 2022 gerade eine grosse Investition getätigt. Das Know-how und die Technologie Elektroblechstanzen sollen rasch von Europa aus in die anderen Regionen (Asien und Amerika) ausgerollt werden. Wir investieren aktuell stark in die Technologie des Elektroblechstanzens, da wir hier gute globale Wachstumschancen haben. Daneben beobachten wir sorgfältig die Entwicklungen im Markt und wägen die Möglichkeiten ab, die unserem strategischen Wachstum dienen können.

Warum war der Kauf von Kienle + Spiess, ein Spezialist für die Fertigung von Rotoren und Statoren, so wichtig für Feintool?

Es war ein strategischer Schritt, der unsere Position im Bereich der Fertigung von Rotoren und Statoren erheblich gestärkt hat. Diese Akquisition ermöglicht es uns, unser Angebot an elektrischen Antriebssystemen zu erweitern und unseren Kunden umfassendere Lösungen anzubieten. Die Expertise und das Know-how, wie beispielsweise die patentierte Klebetechnologie Glulock, von Kienle + Spiess in der Fertigung von Rotoren und Statoren stärken unser Portfolio. Feintool hat nun im Bereich Elektroblechstanzen nebst dem Automotivebereich auch in den industriellen Anwendungen und den erneuerbaren Energien ein attraktives Produktportfolio und ist in schnell wachsenden und strategisch relevanten Märkten vertreten.

Feintool produziert ab 2024 in China für den lokalen Markt Bipolarplatten für Brennstoffzellen. Wie haben Sie das dafür erforderliche chinesische Partnerunternehmen gefunden und die regulatorischen Hürden überwunden?

Mit SITEC, einem Laserschweissspezialisten, haben wir einen idealen Partner gefunden, um gemeinsam einbaufertige Bipolarplatten für Brennstoffzellen oder Elektrolyseure in Serie anzubieten. Die Zusammenarbeit ist in China bereits etabliert und in Europa wurde sie dieses Jahr ebenfalls gestartet. Dank dem grossen Engineering-Know-how und der lokalen Präsenz in China konnte Feintool einen renommierten Grosskunden gewinnen. Dabei stand nicht nur die letztliche Produktion der Bipolarplatten an. Vielmehr hat Feintool diesen Kunden als Entwicklungspartner im Entwicklungsprozess eng begleitet, was zu einem erfreulichen Resultat/Auftrag geführt hat. Dieser Kunde verfügt über sechs Niederlassungen in China und beliefert die führenden Bus- und Nutzfahrzeug-Hersteller des Landes mit Brennstoffzellen-Stacks.

Chinas Wirtschaft strauchelt derzeit. Wie würde sich eine längere Phase der Wachstumsschwäche auf Feintool auswirken?

Regionale Marktschwankungen sind normal und wir sind entsprechend diversifiziert. China bleibt ein Fokusmarkt für Feintool für zukünftiges strukturelles Wachstum. Nach einem schwachen Start in das Jahr 2023 aufgrund der geänderten Corona-Politik in China hatten wir in den letzten Monaten bereits wieder sehr umsatzstarke Monate in unseren chinesischen Werken. Nach unseren aktuellen Prognosen wird die chinesische Automobilproduktion im zweiten Halbjahr 2023 gegenüber dem ersten Halbjahr wieder deutlich zulegen.

«Nach einem schwachen Start in das Jahr 2023 aufgrund der geänderten Corona-Politik in China hatten wir in den letzten Monaten bereits wieder sehr umsatzstarke Monate in unseren chinesischen Werken.»

Feintool produziert Biopolarplatten für Brennstoffzellen, Statoren und Rotoren für den elektrischen Antrieb von Fahrzeugen. Welche Antriebstechnologie wird sich durchsetzen?

Sowohl Brennstoffzellen als auch elektrische Antriebe haben ihre jeweiligen Vorzüge und Anwendungsbereiche. In vielen Regionen hat die Politik zunächst verstärkt die batterieelektrischen PKWs gefördert und investiert in die Ladeinfrastruktur. Im Bereich Elektromobilität ist China auf dem Vormarsch und drängt auch in den europäischen Markt. Die Prognosen, wie schnell sich die Elektroautos im Vergleich zum Verbrennermotor entwickeln, zeigen jährlich einen noch rascheren Wechsel hin zur Elektromobilität. Nach jüngsten Prognosen sollen im Jahr 2030 global fast 50% der produzierten PKW vollelektrisch sein. Das EU-Verbrennerverbot hat diesem Antriebswechsel zusätzlich Schub verliehen.

Wie weit ist die Entwicklung bei der Wasserstofftechnologie?

Wasserstoff kann als Energiequelle für Fahrzeuge genutzt werden, wobei wir dort erwarten, dass diese Technologie insbesondere zunächst bei LKWs, Bussen und weiteren Nutzfahrzeugen eingesetzt wird. Aber man kann Wasserstoff auch nutzen, um Energie zu speichern. Bei der Elektrolyse wird Wasser unter Zufuhr von Energie in seine Moleküle Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten, sie funktioniert vereinfacht gesagt umgekehrt wie die Brennstoffzelle. Diese Möglichkeit der Energiespeicherung hat in Marktprognosen ebenfalls enormes Potenzial mit jährlichen Wachstumsraten um die 70% und auch Feintool kann ihre metallischen Bipolarplatten für die Nutzung in Elektrolyseuren anbieten. Wir sind in beiden Antriebsmöglichkeiten aktiv dabei und werden die Chancen dort nutzen, wo sie sich ergeben.

Die finanziellen Ziele für dieses Jahr sind ambitioniert. Halten Sie an den prognostizierten Zahlen fest?

Ja, wir sind zuversichtlich, dass wir die Herausforderungen des ersten Halbjahres durch das Asiengeschäft in den letzten beiden Quartalen aufholen können. Das Unternehmen erwartet für das Geschäftsjahr 2023 einen Umsatz von rund CHF 850 – 900 Mio. bei einer EBITDA-Marge von rund 10 % sowie einer EBIT-Marge von rund 3 %.

«Wir sind zuversichtlich, dass wir die Herausforderungen des ersten Halbjahres durch das Asiengeschäft in den letzten beiden Quartalen aufholen können.»

Feintool ist eines der 23 von 169 in der Schweiz kotierten Unternehmen, die keine einzige Frau im Verwaltungsrat. Ist es so schwer, eine weibliche Kandidatin zu finden? Konkurrenten wie Belimo und Accelleron ist es ja gelungen, Frauen ins Board zu holen…

Die Feintool-Gruppenleitung hat keinen Einfluss auf die Auswahl der Verwaltungsratsmitglieder. Allerdings gibt es bei Feintool beispielsweise Talentprogramme, wo insbesondere auch Frauen gefördert werden sollen, um so die eigenen Mitarbeiterinnen in Führungspositionen zu bringen. Auch bei externen Neubesetzungen versuchen wir, systematisch Frauen anzusprechen, beispielsweise bei Stellenausschreibungen. In der erweiterten Geschäftsleitung haben wir bereits seit vielen Jahren einen Frauenanteil von 20 Prozent.

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