Urs Kessler, CEO Jungfraubahnen

Urs Kessler, CEO Jungfraubahnen
Urs Kessler, CEO Jungfraubahn Holding AG. (Copyright: Jungfraubahnen Management AG)

Urs Kessler, CEO Jungfraubahnen (Foto: Jungfraubahnen Management AG)

von Patrick Gunti

Moneycab: Herr Kessler, die Jungfraubahn-Gruppe hat 2011 einen Rekordgewinn von 25,4 Mio Franken und mit 147,8 Mio Franken den höchsten Umsatz der Geschichte erwirtschaftet. Hätten Sie dieses Resultat bei den schwierigen Rahmenbedingungen wie Schuldenkrise, Frankenstärke, Naturkatastrophe in Japan etc. für möglich gehalten?

Urs Kessler: Die Voraussetzungen im Jahr 2011 waren wegen des starken Frankens und der Eurokrise tatsächlich herausfordernd. Die langjährige Aufbauarbeit auf den asiatischen Märkten zahlte aber sich aus. Wir haben viel investiert, um asiatische Gäste zu gewinnen, und können auf bewährten Beziehungen aufbauen. Deshalb waren wir überzeugt, die Rückgänge auf den europäischen Märkten und im Bereich Wintersport kompensieren zu können. Wenn man bedenkt, dass 1986 286‘000 Personen das Jungfraujoch besuchten und unser Ziel war, die Zahl der Gäste bei 500‘000 zu konsolidieren, ist es erstaunlich, dass wir im letzten Jahr 765‘000 Gäste auf dem Jungfraujoch begrüssen durften.

Wie hoch ist der Anteil der asiatischen Gäste?

Der Anteil der asiatischen Gäste auf dem Jungfraujoch beträgt über 60 Prozent.

Welches ist der wichtigste Markt für Sie in Asien, haben sich die Gewichte innerhalb des asiatischen Raums in den letzten Jahren verschoben?

Japan ist für uns nach wie vor der wichtigste asiatische Markt, gefolgt von Südkorea und Indien. In den letzten Jahren erreichten wir vor allem in Indien und in China ein Wachstum. Auch andere Länder gewinnen zunehmend an Bedeutung. Wir verfolgen das Ziel, die Hochsaison auf zehn Monate auszudehnen. Aus diesem Grund, ist es für uns wichtig, neue Märkte zu bearbeiten und Nationen anzusprechen, deren Hauptreisezeiten in den Zwischensaisons liegen.

Haben Sie dort im vergangenen Jahr die Marketingaktivitäten verstärkt?

Gerade in schwierigen Zeiten intensivieren wir unsere Marketingaktivitäten. Wir setzen auf unsere Vertretungen in Asien, die wir seit 1998 kontinuierlich aufgebaut haben. Zudem reiste ich im vergangenen Jahr fünfmal nach Asien und traf bedeutende Reiseveranstalter, Journalisten, Unternehmer und Politiker. Im Rahmen des 100-Jahr-Jubiläums haben wir unsere Medienarbeit intensiviert. Wir sind überzeugt, dass wir dadurch die Marke Jungfrau-Top of Europe stärken konnten.

«Um erfolgreich zu sein, darf man nicht pauschalisieren und muss mit den unterschiedlichen Sitten vertraut sein.»
Urs Kessler, CEO Jungfraubahn

Wie wecken Sie die Begeisterung für die Jungfrauregion in Asien und wie haben sich das Unternehmen und die Mitarbeitenden auf die Sitten und Bräuche eingestellt?

In Asien kommt es darauf an, persönliche und langjährige Kontakte zu pflegen. Auf zahlreichen Geschäftsreisen habe ich die verschiedenen asiatischen Gepflogenheiten kennengelernt und mich darauf eingestellt. Um erfolgreich zu sein, darf man nicht pauschalisieren und muss mit den unterschiedlichen Sitten vertraut sein. Unsere Mitarbeitenden in der Jungfrau Region erhielten Schulungen im Umgang mit Gästen aus aller Welt. Man muss Begeisterung für seine Angebote verbreiten können. Dies fällt einem leicht, wenn man die Region um Eiger, Mönch und Jungfrau vertreten darf.

Wie ist das Geschäft mit Gästen aus europäischen Ländern verlaufen, auch im Bereich Wintersport? Wie stark haben Sie die Schuldenkrise hier zu spüren bekommen?

Die Wintersaison 2010/2011 verlief durchzogen. Weil der Schnee spät eintraf, konnten wir die Saison erst kurz vor Weihnachten eröffnen. Föhnstürme und starke Schneefälle sorgten für Betriebsausfälle. Zudem spürten wir die Auswirkungen der Eurokrise. Sorgen bereitet mir vor allem der Rückgang bei den Feriengästen. Um diesen zu bremsen, braucht es Massnahmen, bei denen die Partner in der Jungfrau Region, die Hoteliers, die Tourismusorganisationen und Bahnbetreiber, zusammenarbeiten.

Und wie wichtig ist der Schweizer Markt?

Der Schweizer Markt ist für uns eine Art Lebensversicherung. Mit gezielten Aktionen und Promotionen in der Schweiz können wir Rückgänge auf anderen Märkten kurzfristig kompensieren.

Sie haben im vergangenen Jahr überdurchschnittlich hohe Investitionen von 45 Mio Franken getätigt. Welches waren die Hauptkostenträger?

Wir haben die Produktionsanlage unseres Wasserkraftwerks in Lütschental erneuert und können jetzt 50 Prozent mehr Strom produzieren. Oberhalb von Wengen haben wir einen 900 Meter langen Doppelspurabschnitt gebaut, dank dem die Wengernalpbahn nun im regelmässigen Halbstundentakt verkehren kann. Zudem haben wir auf dem Jungfraujoch die Alpine Sensation gebaut, einen 250 Meter langen Erlebnisstollen, der am 30. März 2012 eröffnet wurde.

Grosse Investitionen würden auch mit dem Projekt „Ypsilon“ anstehen. Als Ersatz für die bestehende Gondelbahn Grindelwald-Männlichen soll eine 10er-Gondelbahn ab Grindelwald Grund gebaut werden. Wo steht dieses Projekt heute?

Die Gondelbahn Grindelwald-Männlichen und die Jungfraubahn haben an einer gemeinsamen Sitzung entschieden, das Projekt vertieft abzuklären und eine Machbarkeitsstudie erarbeiten zu lassen. Bis im Herbst werden die Ergebnisse vorliegen und wir werden dann über das weitere Vorgehen informieren.

«Unsere Gäste besuchen unsere Region in erster Linie wegen der atemberaubenden Natur. Diese ist unser Kapital, zu dem wir Sorge tragen.»

Berggebiete werden immer mehr zu Erlebniswelten. Konzerte und Open Airs haben schon Tradition, zuletzt wurde die von Ihnen erwähnte „Alpine Sensation“ eingeweiht, ein 250 m langer Erlebnisstollen. Wo ziehen Sie bei Fun und Action in den Bergen eine Grenze?

Das Jungfraujoch wird nie zu einem Disneyland werden. Unsere Gäste besuchen unsere Region in erster Linie wegen der atemberaubenden Natur. Diese ist unser Kapital, zu dem wir Sorge tragen. Wir operieren im Unesco-Weltnaturerbe und sind uns bewusst, dass die Natur hier im Vordergrund steht. Bei allen unseren wichtigen Bauprojekten beziehen wir Umwelt- und Landschaftsschutzverbände frühzeitig ein.

Die Jungfraubahn feiert in diesem Jahr ihr 100jähriges Bestehen. Was sticht aus dem reich befrachteten Jubiläumskalender heraus?

Am Anfang des Jahres haben wir die Jungfrau mit einem Schweizerkreuz und weiteren Motiven beleuchtet. Die Bilder von der Lichtkunst gingen um die Welt. Wir bieten allen unseren Gästen auf dem Jungfraujoch einen Jubiläumspass an, in dem die Geschichte der Jungfraubahn und die Region vorgestellt werden. Zudem wurden zum Jubiläum eine Sondermünze, eine Sonderbriefmarke mehrere Bücher, Schokolade, Eis und zahlreiche weitere Artikel herausgegeben. Der offizielle Festakt mit geladenen Gästen findet am 1. August statt, genau hundert Jahre nachdem die Station Jungfraujoch eröffnet wurde. Am 25. August laden wir die Bevölkerung zu einem Konzert in Interlaken ein.

Welche Erwartungen haben Sie für das laufende Jahr?

Wir bewegen uns bereits auf einem sehr hohen Niveau. Dennoch wollen wir uns laufend verbessern und im Jubiläumsjahr möchten wir zum ersten Mal in der Geschichte der Jungfraubahn 800‘000 Gäste auf dem Jungfraujoch empfangen.

Letzte Frage: Sie arbeiten seit 25 Jahren für die Jungfraubahnen. Wie oft sind Sie eigentlich selber noch „Top of Europe“ anzutreffen?

Ungefähr 30 Mal pro Jahr. Es ist mir wichtig, mit unseren Kunden und Mitarbeitenden zu reden und Rückmeldungen aus erster Hand zu erhalten.

Herr Kessler, herzlichen Dank für das Interview.

Zur Person:

Urs Kessler – CEO Jungfraubahnen

Ausbildung / Abschluss
Höhere kaufm. Handelsschule – Betriebsdisponent – Ausbildung Verkaufstrainer – Dipl. Marketingplaner – Eidg. dipl. Marketingleiter – Kurs Unternehmensführung SKU

Beruflicher Werdegang
Als Betriebsdisponent auf Bahnhöfen der Schweiz im Fahrdienst und Verkauf – verschiedene Funktionen Direktion BLS, Schwerpunkt Marketing – 1987 Eintritt bei den Jungfraubahnen

Führung- und Aufsichtstätigkeit
VR Wohncenter von Allmen AG; VR Congress Center Kursaal Interlaken AG

Tätigkeit für Interessengruppen
Vorstandsmitglied IG Berner Luftverkehr; Vorstand Handels- und Industrieverein des Kantons Bern; Vorstandsmitglied Interlaken Tourismus (TOI);

Zum Unternehmen:

Die Jungfraubahn Holding AG umfasst diverse Tochtergesellschaften. Die wichtigsten sind die Jungfraubahn AG und die Wengernalpbahn AG. Die Haupttätigkeit der Gruppe ist der Betrieb von Ausflugsbahnen und Wintersportanlagen in der «Eiger Mönch & Jungfrau Region» sowie die Vermarktung des Erlebnisses «Jungfraujoch – Top of Europe», der Reise zum 3454 M.ü.M. gelegenen Jungfraujoch. Die Holdinggesellschaft wurde 1994 gegründet. Sie hat ein Aktienkapital von Fr. 11’670’000.— eingeteilt in Namenaktien zu Fr. 2.—, die an der Schweizer Börse gehandelt werden. Für die Jungfraubahn Holding AG steht die Rentabilität vor dem Umsatz. Mit ihren Gewinnen sichert sie das langfristige Weiterbestehen der Unternehmensgruppe und ist zudem bestrebt, die Kapitalgeber angemessen zu entschädigen.

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