«Lex USA» nach zweiter Ablehnung im Nationalrat definitiv vom Tisch

«Lex USA» nach zweiter Ablehnung im Nationalrat definitiv vom Tisch

Bern – Eine «Lex USA» wird es nicht geben. Der Nationalrat lehnte am Mittwoch das Gesetz zur Beilegung des Steuerstreits zum zweiten Mal ab. Der Entscheid fiel mit 123 zu 63 Stimmen bei vier Enthaltungen und damit etwas weniger deutlich als noch am Dienstag. Das Gesetz ist definitiv vom Tisch.

Da SVP, FDP und SP bei ihrer ablehnenden Haltung zum Steuerstreit-Gesetz blieben, erteilte der Nationalrat dem Geschäft wie erwartet eine erneut deutliche Abfuhr. Das Gesetz ist mit dem zweiten Nichteintreten definitiv vom Tisch. Die Hoffnung setzt der Nationalrat – und vor allem das Nein-Lager – auf die Erklärung, die der Ständerat ins Spiel gebracht hat. Diese nahm der Nationalrat mit 141 zu 24 Stimmen bei 25 Enthaltungen an.

Deklaration angenommen
Die Deklaration fordert den Bundesrat auf, das rechtlich Mögliche zu unternehmen, damit die Schweizer Banken mit den US-Behörden zusammenarbeiten können. Die Schweiz strebe eine rasche Lösung mit den USA an, wird weiter festgehalten. Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf setzte sich nochmals für die Vorlage ein. Sie betonte erneut, dass die Banken ohne das Gesetz nicht alle Anforderungen des US-Programms erfüllen könnten. Der Bundesrat werde aber mit Einzelverfügungen oder sogar mit einer Verordnung den Banken die Bewilligung für Datenlieferungen erteilen. Auch für den Mitarbeiterschutz werde er im Rahmen des Möglichen sorgen.  Zum Schutz von Mitarbeiterdaten, die in die USA geliefert werden sollen, hiess der Nationalrat stillschweigend eine Motion gut, welche eine separate Gesetzesregelung verlangt. Widmer-Schlumpf dämpfte aber die Erwartungen. Eine solches Vorgehen müsse den normalen Gesetzgebungsweg nehmen.

Unklare Rechtslage
Rechtlich bleibt mit dem Scheitern der «Lex USA» alles beim Alten. Wollen die Schweizer Banken mit den USA kooperieren, müssen sie dafür vom Bundesrat zunächst eine Bewilligung einholen. Damit würde der Artikel 271 des Strafgesetzbuchs ausgesetzt. Die Folge davon ist aber lediglich, dass die Datenlieferung nicht als verbotene Handlungen für einen fremden Staat gilt. Erlaubt wäre sie dadurch aber noch nicht unbedingt. Der Bundesrat hatte stets betont, dass die Banken dabei das geltende Recht zu beachten hätten. Gemeint sind insbesondere arbeits- und datenschutzrechtliche Bestimmungen. Das bedeutet, dass jede Lieferung von Daten, die eine Person betreffen, vor Gericht angefochten werden kann. Es ist daher kaum zu erwarten, dass die Übermittlung der von den USA geforderten Informationen zügig vonstatten gehen wird. Vor diesem Hintergrund dürfte auch die Stellungnahme der Schweizerischen Bankiervereinigung zu verstehen sein, dass sich die Banken trotz der nun hinfälligen Vereinbarung der Sozialpartner für den Schutz des Personals einsetzen werden: Je weniger Klagen, umso schneller können die Banken den Forderungen der USA nachkommen.

Jedoch ist umstritten, ob die Banken trotz Bewilligung durch den Bundesrat alle von den USA verlangten Daten liefern dürfen. Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf hatte stets davor gewarnt, dass die Gerichte die Lieferung von Abschleicher-Listen ablehnen könnten. Die Lieferung der Daten von Mitarbeitenden und Dritten gestützt auf Artikel 271 des Strafgesetzbuchs schloss sie in der Debatte zunächst kategorisch aus. Die Gegner des Steuerstreit-Gesetzes erinnerten die Finanzministerin jedoch daran, dass der Bundesrat letztes Jahr mehreren Banken Datenlieferungen auf dieser Basis erlaubt hatte. Am Mittwoch versprach Widmer-Schlumpf schliesslich, der Bundesrat werde mit Einzelverfügungen oder sogar mit einer Verordnung den Banken die Bewilligung für Datenlieferungen erteilen – soweit dies möglich sei. Ob ein solches Vorgehen rechtlich Bestand hat, werden ohnehin die Gerichte entscheiden müssen.

Existenzielle Bedrohung
Über das Verhalten der USA und die Folgen für die Banken lässt sich derzeit nur spekulieren. Einigkeit herrscht darüber, dass eine Anklage durch die US-Justizbehörden die betroffene Bank existenziell bedrohen würde. Oder in den Worten von Claude-Alain Margelisch, Geschäftsführer der Bankiervereinigung: «Wenn eine Schweizer Bank angeklagt wird in den USA, ist sie tot.»  Nach dem Scheitern des Steuerstreit-Gesetzes bleibt den Banken nur die Hoffnung, dass die USA von diesem ultimativen Schritt absehen. WAK-Präsident Christophe Darbellay (CVP/VS) hatten nach der letzten Kommissionssitzung noch den «günstigsten Fall» skizziert, dass das Programm für die Banken trotzdem zur Anwendung kommen könnte. Vorerst gibt es keine Anzeichen, dass die Banken mit diesem Szenario rechnen dürfen.(awp/mc/cs)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert