Abdulla Al-Awar, CEO DIFC Authority

von Gérard Al-Fil


Herr Al-Awar, welche Auswirkungen hat die Finanzkrise auf das Dubai International Financial Centre (DIFC)?

Wir haben von Beginn an gesagt, dass das DIFC die geografische Lücke zwischen Europa und Ostasien schliessen soll. Im Mittleren Osten gab es vor uns keinen Finanzplatz mit einem rechtlich gesehen internationalen Umfeld. Von diesem Ziel sind wir auch während der Finanzkrise nicht abgerückt. Die Krise nahm nicht in Dubai ihren Anfang und sie wird auch nicht bei uns enden. Aber gerade weil wir uns in die Liste der führenden Finanzplätze wie New York, London, Zürich oder Hongkong in eine Reihe stellen, waren wir gleichfalls betroffen. Andererseits, und das wird gerne übersehen, haben wir bislang in 2009 75 neue Firmen im DIFC begrüssen können. Eine Ursache hierfür war paradoxerweise gerade die globale Rezession, und zwar dahingehend, als dass eine Anzahl von Firmen, die noch nicht in der arabischen Golfregion operierten, ihren Aktionsradius auf den Mittleren Osten ausdehnen wollten. Ausserdem haben wir mehrere neue Vermögensverwalter und Banken angelockt, die sich auf die Islamic Finance spezialisiert haben. In diesem Bereich strebt Dubai eine weltweit führende Rolle an. Auch dies ist eine Folge der Wirtschaftskrise: Banking auf der Grundlage der koranischen Rechtsprechung Scharia gilt als risikoärmer, im Gegensatz zum konventionellen Banking. Deshalb verzeichnen islamische Banken weiterhin Gewinne, trotz der Krise.

Sind die von Ihnen genannten 75 Firmen allesamt Banken und Assekuranzunternehmen?

Diese Zahl schliesst sowohl Finanzunternehmen als auch Firmen ein, die nicht im Finanzsektor direkt angesiedelt sind, jedoch eine wichtige Dienstleisterrolle spielen. Darunter sind z. B. Advokaturen, Informationsdienstleister oder Wirtschaftsprüfergesellschaften. Auch die Rating-Agenturen zählen dazu.

Laut dem öffentlichen Register sind per 1. September im DIFC 245 autorisierte Banken, Versicherer und Vermögensverwalter angesiedelt. Beunruhigt Sie nicht die Tatsache, dass bislang 37 Firmen das DIFC verlassen haben und die meisten von ihnen seit Beginn der Finanzkrise Abschied nahmen?

Wie ich bereits erwähnte, ist niemand von der Finanzkrise verschont worden. Es ist richtig, dass von August 2008 bis Juni dieses Jahres allein 24 Unternehmen ihre Tätigkeit im Zentrum aufgaben. Andererseits sind 20 der 25 weltweit grössten Banken bei uns mit Niederlassungen vertreten sowie die Top 10 der Vermögensverwalter. Wahr ist auch, dass ansässige Firmen ihre Operationen zuletzt ausdehnten,…

… wie beispielsweise der Schweizer Versicherer Zurich Financial Group, der seine Lizenz am 22. Juni für die Tochtergesellschaft Zurich Insurance Company erweiterte, …

… genau, und dies ist für uns ein ermutigendes Zeichen. Wir rechnen in den nächsten Monaten mit weiteren neuen Kandidaten, die ihr Geschäft ausweiten.


«Wir entwickeln das DIFC freilich als einen Ort, in dem sich nicht nur das Geld, sondern auch die Menschen wohl fühlen sollen.»


Ein prominenter Anbieter islamischer Fonds, die Oasis Crescent Group aus dem südafrikanischen Kapstadt hat ihre Niederlassung im DIFC im vergangenen Juni geschlossen. Ein Rückschlag für das Zentrum auf dem Weg zu einem Nukleus für Islamic Banking?


Insgesamt sind 15 reine Anbieter von Scharia-konformen Podukten im DIFC ansässig. Wir sehen deshalb keine Beeinträchtigung im Segment Islamic Finance. Im Gegenteil, wir haben die Rahmenbedingungen so gestaltet, dass dieser schnell wachsende Sektor mehr Standardisierung in der noch stark fregmentierten Scharia-konformen Produktwelt gewinnt. Aus diesem Grund arbeiten wir auch mit anderen Regulatoren im Bereich der Islamic Finance eng zusammen. Ebenso sind wir Partnerschaften mit Ausbildungsinstitutionen eingegangen, um das Know-How in der Islamic Finance zu fördern. Der erste Executive MBA der Welt, der sich nur auf das Banking um «Koran und Kapital» spezialisiert, wurde von der DIFC-Zweigstelle der Londoner CASS Business School konzipiert.&


Rechnen Sie zu den 75 neuen Kandidaten auch Unternehmen wie Gastronomiebetriebe und Copy-Shops im DIFC hinzu?


Diese Betriebe sind nicht miteingerechnet. Sie spielen mit Ihrer Frage sicher auf das Lifestyle-Angebot an. Wir entwickeln das DIFC freilich als einen Ort, in dem sich nicht nur das Geld, sondern auch die Menschen wohl fühlen sollen. Der 110 Morgen grosse DIFC District, in dem das lokale Recht mit Ausnahme des Kriminalstrafrechts ausser Kraft gesetzt ist, ist bislang zu 50 Prozent fertig gebaut. Das DIFC schliesst neben kommerziell nutzbarer Fläche auch Wohngebiete ein. Deshalb haben wir auch eine Reihe von Kunstgalerien zugelassen. Ausserdem ist das DIFC regelmässig Schauplatz von Sonderausstellungen aus Kunst und Kultur. Wir wollen, dass die Leute neben der Arbeit im Büro auch etwas vom Leben haben.


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Das DIFC ist zur Hälfte komplett, wie Sie sagen. Standen oder stehen auf dem Areal die Kräne zuweilen still, so wie es auf einigen Dubaier Baustellen wie der künstlich aufgeschütteten Insel Palm Deira bis jetzt der Fall ist?

Dies haben wir nicht beobachtet. Alles liegt im Zeitplan. Ab dem 9.9.2009 werden wir mit der Dubai Metro verbunden sein. Die Metro wird es Geschäftsreisenden erlauben, schnell und bequem vom Flughafen Dubai direkt zu uns zu kommen und für mehr Business sorgen. Sehen Sie das weisse Gebäude dort drüben (zeigt aus dem Fenster im 14. Stock des DIFC-Hauptgebäudes The Gate)? Das ist das noch in Bau befindliche Ritz Carlton Hotel, das demnächst eröffnet wird. Es wird die erste Luxus-Herberge auf dem Areal des DIFC und liefert einen weiteren Grund für mehr Banking bei uns.

Wann schätzen Sie, werden die Bautätigkeiten im DIFC District zu 100 Prozent abgeschlossen sein?

Wir rechnen in etwa bis Ende 2012, Anfang 2013. Dann sollen hier 75,000 Menschen leben und arbeiten.


Herr Al-Awar, alle haben den Eindruck, Dubai sei strenger geworden. Die Behörden vergeben Baulizenzen nur noch zögerlich. Die Strassenverkehrskontrollen wurden wurden rigoros ausgeweitet. Gilt diese Poltik der neuen Härte auch im DIFC?

Die Strategie der Interessenwahrung der Institutionen, die bei uns ansässig sind, war von Beginn an unser Credo. Mit der DFSA haben wir eine unbhängige Aufsicht, die schnell Konsquenzen zieht, wenn Regeln nicht eingehalten werden, und wir verfügen mit den DIFC Courts über einen eigenen Gerichtshof. Auch deshalb haben wir jetzt 245 autorisierte Firmen, 58 Zuliefererunternehmen und 17 Wirtschaftsprüfer unter ein Dach angezogen. Mit der Wertpapierborse Nasdaq Dubai und dem Rohstoffmarkt Dubai Mercantile Exchange ist das DIFC auch Heimat zweier internationaler Märkte. Dies beweist, dass das Regime klar und «wasserdicht» ist.

Aufgrund der gesonderten rechtlichen Stellung ist das DIFC ein «Staat im Staate» innerhalb der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Werden Sie das Regime des Finanzzentrums irgendwann einmal mit dem Rechtsraum der VAE verschmelzen, so wie es der Golfstaat Katar mit ihrem Mitbewerber Qatar Financial Center vollzogen hat?

Beide Regime sind sehr unterschiedlich, weil das Recht der VAE auf dem französischen Zivilrecht und der Scharia basiert. Wir im DIFC orientieren uns am britischen Gewohnheitsrecht (Common Law). Dies war bei der Gründung des DIFC Ende 2004 schon so, und es ist wichtig, weil wir uns als international etablierten Finanzplatz im Mittleren Osten empfehlen. Deshalb sehe ich auch in Zukunft keinen Anlass für eine Verschmelzung des DIFC mit dem rechtlichen Umfeld der VAE.

Am Finanzplatz Bahrain, einem weiteren Konkurrenten von Dubai in der Region, sorgen die Frühjahrspleiten der saudiarabischen Unternehmerfamilien Saad und Algosaibi bis heute für Schlagzeilen. Es heisst, Banken in den Golfstaaten seien mit bis zu 9 Milliarden Dollar bei beiden Geldhäusern investiert oder mit Krediten involviert gewesen. Welche Lehren soll die Region daraus ziehen?

Wie gesagt, gibt es keinen hundertprozentigen Schutz gegen Krisen. Der Fall hat gezeigt, wie wichtig ein robustes Regime ist, das die Interessen der Anteilseigner und Investoren schützt. Die DFSA bietet als Aufsichtsbehörde des DIFC einen solchen entsprechenden Rahmen.


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Die DIFC Investments als Teil des Finanzzentrums ist seit Mai 2007 mit 2,2 Prozent an der Deutsche Bank AG beteiligt. Nun ist die Deutsche Bank nicht nur als eine der grössten Geldhäuser im DIFC ansässig, sondern auch ein Trading Member an der Nasdaq Dubai. Wird das von den anderen Finanzinstitutionen nicht als ein möglicher Interessenkonflikt, ja als eine Benachteiligung, gewertet?

Sie müssen streng unterscheiden zwischen uns, der DIFC Authority, der Aufsichtsbehörde DFSA und der DIFC Investments. Die Letztere verfolgt das Ziel, weltweit strategische Investitionen zu tätigen, die zur Entwicklung von Dubai beitragen. Die DIFC Investments ist unabhängig und verfolgt strategische Ziele.

Ist der Bereich DIFC Investments ein Staatsfonds?

So würde ich es nicht nennen. Die DIFC Investments sind als unabhäniger Bereich innerhalb des Finanzzentrums DIFC nicht wirklich mit den Staatsfonds vergleichbar.


«Dubai bietet Lebensqualität, internationale Schulen, die beste städtische Infrastruktur hier am Golf, vielfältige Einkaufsmöglichkeiten und einen hohen Freizeitwert.»


Warum also sollte eine schweizerische Bank, die noch nicht in den arabischen Ölstaaten Fuss gefasst hat, das DIFC als Mittelosthauptsitz wählen und nicht etwa Bahrain, Katar oder Saudiarabien?

Das ist eine berühmte Frage. Unsere Region verfügte vor dem DIFC über keinen international anerkannten Finanzplatz. Hinzu kommt der natürliche Wettbewerbsvorteil von Dubai, der für das DIFC spricht.

Was meinen Sie damit?

Nun, Dubai hat eine Tradition als Handelsdrehkreuz. Wir beheimaten mit dem Freihafen Jebel Ali Free die grösste von Menschenhand geschaffene, maritime Anlegestelle der Welt. Der internationale Flughafen von Dubai gehört zur Weltspitze. 2008 wurden dort 28 Millionen Passagiere abgefertigt. Der in Bau befindliche Maktoum International Airport im Westen des Golf-Emirats wird fur eine Kapazität von 130 Millionen Passagieren geschaffen. Warum ich all das erwähne? Weil bei der Wahl des Standorts immer das Gesamtpaket zählt! Wir konnten erst kürzlich einen westlichen Unternehmer als neue Mitgliedsfirma im DIFC begrüssen. Er zögerte erst mit seinem Schritt, hier eine Branch zu gründen. Wir waren neugierig, wollten schliesslich wissen, was denn den Ausschlag dazu gab, dass er sich für das DIFC entschied. Daraufhin erklärte er, dass das gar nicht seine alleinige Entscheidung gewesen isei. Auch seine Frau und seine Kinder wollten selbstverständlich ein Wort mitreden. Dubai bietet Lebensqualität, internationale Schulen, die beste städtische Infrastruktur hier am Golf, vielfältige Einkaufsmöglichkeiten und einen hohen Freizeitwert. Nochmals: das Gesamtpaket zählt.

Wir befinden uns gerade mitten im islamischen Fastenmonat Ramadan, der noch bis zum 19. September dauert. Westliche Manager sind ab und an unsicher, ob Sie zu dieser Zeit mit arabischen Managern jetzt in Kontakt treten dürfen. Wie lautet Ihr Rat: darf man anklopfen oder sollte man besser bis nach dem 19. September, wenn das Fest Eid ul-Fitr begangen wird, zuwarten?

Jeder, der sich für die Möglichkeiten im DIFC interessiert, kann mit uns in Kontakt treten, auch jetzt. Es stimmt natürlich, dass wir im Ramadan tagsüber fasten und die Bürozeiten dann etwas kürzer ausfallen. Aber das Geschäft läuft weiter wie gewohnt. Auch, oder gerade, zu später Stunde. Der Ramadan bietet insbesondere am Abend beim Fastenbrachen «Iftar» beste Gelegenheiten zum Networking mit Einheimischen. Die spirituelle Zeit, die eine der fünf Pflichten im Islam darstellt, soll Herzen öffnen. Im DIFC haben wir ein entsprechendes Iftar-Zelt aufgebaut, dass zum geimansamen Essen, Diskutieren und Verweilen einlädt. Dort ist jeder Gast wilkommen.

Herr Al-Awar, haben Sie vielen Dank fur das Gespräch.





Der Gesprächspartner
Abdulla Mohammed Al-Awar wurde am 1. Juni 2009 zum CEO der DIFC Authority berufen, dem Leitungsgremium des 2004 gegründetetn internationalen Finanzzentrums DIFC in Dubai. Al-Awar folgte in diesem Amt auf Nasser Al-Shaali, der in die  Privatwirtschaft wechselte. Abdulla Al-Awar, zuvor Managing Director in dem gleichen Gremium, gehört zum Gründungsteam des DIFC. Dort oblag ihm zunächst, Service ?Firmen wie IT-Dienstleistern oder Anwaltskanzleien den Weg in das Zentrum zu ebnen. Vor seiner Zeit beim DIFC war Al-Awar Account Manager in der Hightech-Freihandelszone Dubai Internet City. Den Schweprunkt Informationstechnologie wählte der Emirati auch in während seiner Ausbildung in den USA: an der University of Colorado at Boulder in den USA erwarb Al-Awar einen& Bachelors of Science Degree in Business Administration.


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