Abu Dhabi?s anspruchsvolle Träume lassen Dubai kalt

von Gérard Al-Fil
Das 23 mal 7 Meter grosse Modell «Abu Dhabi 2030» im Massstab 1:2000 stand im Mittelpunkt der diesjährigen Immobilienmesse Cityscape, die am Mittwoch zu Ende ging. 2030 – die Hauptstadt (945,000 Einwohner) der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) schaut weit in die Zukunft voraus. Offenbar will man mit visionären Fantastereien die Tagespolitik vergessen machen. Denn die sieht trotz hoher Ölpreise und sprudelnder Petrodollars gar nicht gut aus.


Blackbox Baubranche
Das Zieljahr 2016 für den Start der Umweltstadt Masdar (Baukosten: 22 Mrd. Dollar) wurde bereits im Januar fallen gelassen. Masdar-CEO Sultan Al Jaber sagte Anfäng März, man müsse das Projekt überdenken, gleichzeitig nahmen mehrere Top-Manager bei Masdar ihren Hut. 30 Mrd. Dollar sollten in den Ausbau des Tourismus fliessen. Gestrichen wurden wegen der Finanzkrise auf Anordnung der Regierung in Abu Dhabi der Bau mehrer Hotels, Vergnügungsparks und Yachtanlagen. Welche das konkret sind, bleibt wie so oft im Dunkeln. Zwar sprudeln die Petrodollars bei über 80 Dollar pro Fass wieder. Nur: die Banken ziehen mit Kreditvergaben noch nicht mit.


Nicht alles Gold, was glänzt
«Schön?, sagt ein deutscher Immobilienexperte, «vom Schein her macht ein Wohnsitz für die ganze Familie in Abu Dhabi Sinn. Aber wann endlich werden auch die Gesetze endlich modernisiert?» Aufentshaltsbewilligungen müssen alle drei Jahre verlängert werden. Bauprojekte können per Dekret abgeblasen werden. Pässe, so wie in der Schweiz nach acht bis zehn Jahren Aufenthalt oder in Singapur nach fünf Jahren, erhalten Ausländer in den VAE so gut wie nie.

 

Und die Formel-1 von Abu Dhabi? Zunächst feierte die emiratische Kapitale im November 2009 sich selbst, und vor allem die Tatsache, dass sie und nicht Dubai nach dem Grand Prix von Bahrain einen weiteren F1-Zirkus an den Persischen Golf locken konnte. Nur: anno 2010, also jetzt, wo Greentech und Green Bankinig salonfähig werden, wirken Motorsport-Veranstaltungen um Promis und PS-Power nurmehr deplaziert. Erst recht in einer Stadt, die mit Masdar die angeblich erste schadstofffreie Siedlung der Welt verwirklichen will.

 

Auch Scheiche sparen beim Fliegen
Hauptsponsor der F1 von «AD» ist die Etihad Airways, die zu 100 Prozent der Herrscherfamilie Al-Nahyan von Abu Dhabi gehört. Seit 2003 in der Luft, hat sie bis heute nicht die Gewinnschelle erreicht. Break-Even will man in diesem Jahr endlich knacken. Nach der Vulkanasche-Woche in Europa dürfte das Ziel wieder in weite Ferne rücken. Die Flughäfen Genf, Düsseldorf, Brüssel, Paris, sind wichtige Ziele im Langstreckensegment der Etihad (dt. Einheit).

 

Freilich, der Vulkanausbruch auf Island war höhere Gewalt. Doch fehlte dem Management des Carriers in der Vergangenheit mitunter das Gespür für das Timing. Im Mai 2009, auf dem Höhepunkt der weltweiten Finanzkrise und der sich ausbreitenden Schweinegrippe, stellte Peter Baumgartner, der Schweizer Marketing-Direktor bei Etihad, allen Ernstes der Presse die neue Etihad First Class vor. CEO James Hogan hat aus diesem Fauxpas gerlent: in ganzseitigen Zeitungsanzeigen vom Montag, 19. April, entschuldigte er sich für die Unannehmlichkeiten, welche die Lufraumsperre in Europa für Etihad-Passagiere mit sich brachte.

 

Dubai bleibt gelassen
All die genannte Probleme haben dem Emirat Dubai vor Augen geführt, dass die Abu Dhabi-Wirtschaft auch nur mit Wasser kocht, selbst wenn dort neun Zehntel der VAE-Ölvorräte unter dem Wüstenboden und vor der Küste lagern.
 

Fazit: während das ölarme Dubai (Stadt: 1,7 Mio. Einwohner, das Emirat beherbergt 2,2 Mio. Menschen) auch in schwierigen Zeiten seine Rolle als Handels- und Finanzdrehkreuz am Golf unbeirrt weiter spielt, hat der grosse Bruder Abu Dhabi Mühe, seinen angestrebte Part zu realisieren, der über einen Regierungssitz und Öllieferanten hinausgehen soll. Eine fahrerlose Metro oder ein modernes Busnetz wie in Dubai gibt es in den ewig verstopften Hauchhausschluchten von Abu Dhabi bis heute nicht.

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