Analyst Christoph Bohli: «Richemont verzichtet auf schnelle Börsengewinne»


Richemont lässt lieber die Brands für sich sprechen als Personen, sagt Christoph Bohli, Analyst der Bank Sarasin. Im Interview bezeichnet er seinen Optimismus in Bezug auf die Luxusgüterbranche als gedämpft.

Von Karin Müller


Christoph Bohli
Moneycab: Herr Bohli, das Resultat von Richemont scheint überraschend positiv zu sein. Ist die Konsumentenstimmung besser, als wir meinen?
Christoph Bohli: Die Stimmung ist das eine, das effektive Kaufverhalten das andere. Studien weisen klar darauf hin, dass aktuell immer mehr Leute wieder in die Migros einkaufen gehen, statt sich einen Einkauf im Delikatessengeschäft zu leisten. Doch wahre Luxusgüter wie zum Beispiel Porsche werden nach wie vor gut verkauft. Besonders ausgeprägt ist dieses Verhalten in den asiatischen Ländern, in denen die seit Jahren relativ schlechte Ökonomie Konsumverhalten und Prestidenken nicht nachhaltig verschlechtert hat.

Welche Leute verfügen jetzt plötzlich über weniger Geld?
Ich denke, es sind eher jüngere Menschen, die in den letzten zwei Jahren durch riskante Börsengeschäfte schnell viel Geld verdient und ihren Lebensstandard in die Höhe geschraubt haben. Diesen können sie jetzt, mangels Profiten, nicht mehr halten.

Täuscht das Resultat nicht etwas? So richtig zu spüren ist die Wirtschaftskrise eigentlich erst seit August.
Das Halbjahr von Richemont dauert von April bis September. Aufgrund der September-Vorkommnisse in den USA ist die Vergleichsperiode sehr tief. Dementsprechend kann bei weitem noch nicht von einem Rebound in den USA gesprochen werden. Weiterhin widerstandsfähig zeigt sich Asien, im speziellen Japan, wo ohne negativen Währungseffekt ein Wachstum zu verzeichnen gewesen wäre. Die Resultate entsprechen aber generell in etwa unseren Erwartungen.

Was muss Richemont tun, um auf Kurs zu bleiben?
Die operativen Kosten müssen massiv gesenkt werden. Die Ebit-Marge hat sich von knapp 20 Prozent in den Jahren 99/00 auf 10,4 Prozent halbiert. Das Management ist jetzt gezwungen, die Kostenseite mehr zu kontrollieren und in Griff zu kriegen. Je länger die ökonomische Krise andauert, desto mehr kommt das Management unter Druck, die langfristige Strategie etwas anzupassen.

Stichwort Management: Wie beurteilen Sie das Management von Richemont? Gegen aussen wirkt die Konzernspitze sehr verschlossen.
Das muss nicht automatisch negativ sein. Das Management verzichtet gerne auf schnelle Gewinne an der Börse und setzt stattdessen auf eine langfristige Strategie. Das Führungsteam denkt in Jahrzehnten. Es lässt lieber die Brands sprechen als Personen.

Morgan Stanley prognostizierte der Luxusgüter-Industrie düstere Umsätze für das Weihnachtsgeschäft. Wie lautet Ihre Einschätzung?
Vor einem Jahr beobachteten wir ein Auseinanderklaffen zwischen Konsumentenstimmung und Kaufverhalten. Jetzt verfügen die Leute aber über spürbar weniger Geld als damals. Auf sämtlichen Hirarchiestufen fürchten viele um ihren Job. Weihnachten könnte deshalb schwierig werden. Einen dramatischer Einbruch erwarten wir jedoch nicht.

Welches sind die stärksten Brands im Richemont-Portfolio?
MontBlanc und Officine Panerai sind ganz klar die Zugpferde. MontBlanc war früher lediglich bekannt für seine Füllfeder-Schreiber. Die Marke hat sich in den letzten Jahren aber erfolgreich in verschiedenen Segmenten positioniert. Heute werden auch Brillen, Uhren, Lederwaren und ein Parfum unter diesem Label vertrieben. Inzwischen hat MontBlanc Kultstatus erreicht.

Und was ist das Besondere an Panerai?
Diese Marke verbindet modernes Design mit Italo-Chic. Erste Aufträge bekam Panerai von der Italienischen Marine. Deshalb ist das Label bekannt für gute Qualität und hohe Verarbeitungsstandards. Panerai ist die typische Marke für besser situierte Italiener, die aber nicht altmodisch sein wollen.

Welche Brands sind die Problemkinder von Richemont?
Dunhill und Lancel. Bei Letzterem versagte die extreme Expansionsstrategie nach Belgien und in die USA. Der Konzern handelte völlig gegen die Konjunktur und verlor. Ähnliches gilt für Dunhill. Die inzwischen 187 Retail-Shops weltweit müssen einzeln unter die Lupe genommen werden. Um eine Reduktion wird der Brand wohl nicht herumkommen.

Wie sehen Sie die Zukunft der Luxusgüterindustrie generell?
Auf lange Sicht haben grosse Unternehmen Vorteile, die über die nötigen finanziellen Mittel verfügen, um die einzelnen Brands mit expansivem Marketing und spezialisiertem Know-how zum Erfolg führen zu können. Kurzfristig schwierig ist sicherlich das politische und makroökonomische Umfeld. Unsicherheiten bestehen nach wie vor bezüglich Irak, aber auch in Europa. Kurzfristig gesehen, bin ich deshalb nicht allzu optimistisch.

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