Auch andere Banken könnten ins Visier der Steuerbehörden geraten
«Einige internationale Blätter haben faktenwidrig über den Vergleich berichtet», sagt Peter V. Kunz, Wirtschaftsjurist und Professor an der Universität Bern. Demnach könnte man denken, die UBS übergebe der US-Steuerbehörde IRS direkt 4’450 Dossiers amerikanischer Kunden. Dem sei aber nicht so. Die Schweiz habe sich lediglich dazu verpflichtet, innerhalb eines Jahres im Rahmen eines Amsthilfegesuchs die Dossiers zu prüfen, sagt Kunz. Zu welchem Ergebnis die Steuerverwaltung kommen werde und wieviele Daten tatsächlich herauszugeben seien, bleibe offen.
Stärkung des Finanzplatzes Schweiz
Für Kunz geht der Schweizer Finanzplatz gestärkt aus dem Vergleich zum Steuerstreit mit der USA hervor. Die Rechtslage sei wieder wie jene vor einem Jahr. Das Bankgeheimnis sei nun auch eher gestärkt. «Es ist jetzt nicht einfacher, zu Informationen über Bankkunden zu kommen», betont Kunz.
«Grosse Fishing-Expedition»
Das sieht Manuel Ammann, Professor und Bankexperte der Universität St.Gallen, etwas anders. Für ihn wurde das Bankgeheimnis geschwächt, «da mit dem UBS-Vergleich eine grosse Fishing-Expedition zur Gewinnung von Kundendaten von Erfolg gekrönt war». Eine Welle von Amtshilfegesuchen gegen andere Schweizer Banken befürchtet er nicht. «Allerdings ist es durchaus denkbar, dass im Verlauf der Untersuchungen im Rahmen der UBS-Affäre Verbindungen zu weiteren Banken auftauchen und weitere Verfahren nach sich ziehen», sagt Ammann. Und selbstverständlich könnten die Steuerbehörden anderer Staaten ebenfalls Amtshilfegesuche einreichen, sofern sie die entsprechenden Bedingungen erfüllen.
Darbellay: Kein Schutz für andere Banken
Der UBS-Vergleich schütze die anderen Banken nicht, hält auch CVP-Präsident Christophe Darbellay fest. Er habe aber keine Anhaltspunkte, dass weitere Banken im gleichen Ausmass wie die UBS ins Visier von Steuerbehörden geraten seien. «Aber man weiss nie».
Levrat: Nervosität bei Genfer Privatbanken
SP-Präsident Christian Levrat sieht dagegen gewisse Anzeichen. Wenn er die Reaktionen der Genfer Privatbanken betrachte, stelle er Nervosität fest, sagte er. Es sei denkbar, dass diese sich im Geschäft mit US-Kunden ähnlicher Methoden bedient hätten wie die UBS. Das könnte sie unter Druck bringen.
Pelli warnt vor Panik
FDP-Präsident Fulvio Pelli warnt aber vor Panik. «Ich glaube, keine Bank hat so krasse Fehler begangen wie die UBS», sagt er. Dass es ordentliche Amtshilfegesuche geben werde, dafür liege das Risiko gleich hoch wie in der Vergangenheit. Aus seiner Sicht könnte der Vergleich für andere Staaten psychologisch eine Auswirkung haben.
Druck bei anderen Banken weniger gross
Das Abkommen zwischen der Schweiz und den USA sieht für solche Fälle eine spezielle Behandlung vor. So sagte Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf im Schweizer Radio DRS, unter der Voraussetzung, dass alle Kriterien des UBS-Vergleichs erfüllt seien, könnte es auch zu Amtshilfeverfahren gegen andere Banken kommen. Allerdings wäre in solchen Fällen der Druck nicht so gross wie bei den Forderungen der USA, sagt HSG-Professor Ammann. Das sieht auch der Berner Professor Kunz so. Wäre die UBS wegen der Steueraffäre zusammengebrochen, hätte das schwerwiegende Folgen für die Schweizer Wirtschaft gehabt.
Umorientierung von Nöten
Die UBS war auf dem US-Markt sehr stark exponiert. Bei jeder anderen Geschäftsbank in der Schweiz hätte ein gleiches Verfahren höchstens einen negativen Einfluss auf den Gewinn, erklärt Kunz. Trotzdem müssen sich die Schweizer Banken nun im Geschäft mit Kunden aus dem Ausland umorientieren, urteilt Bankexperte Ammann. Das Bankgeheimnis als Wettbewerbsvorteil zur Gewinnung ausländischer Kunden habe an Schlagkraft verloren. (awp/mc/pg/21)