Beat Spalinger, CEO Straumann

Von Jolanda Lucchini

Herr Spalinger, Straumann hat trotz der Wirtschaftskrise im 1. Quartal 2010 ein Gesamt-Nettoumsatzwachstum von immerhin 1,5% auf 199,2 Mio. Franken erzielt. Wermutstropfen: Im Hauptmarkt Europa sank der Umsatz um 0,2 Prozent. Warum?

In Lokalwährungen sind wir in Europa um 1.4 Prozent gewachsen. Bei starken Wechselkursschwankungen ist dies viel aussagekräftiger und erlaubt auch den Vergleich zu den Mitbewerbern. Unser nächster Konkurrent hat im gleichen Zeitraum in der Region Europa, Naher Osten und Afrika (EMEA) einen Rückgang von 7 Prozent vermeldet.


Wobei sich Frankreich positiver als Deutschland entwickelte. Wie erklärt sich das?

Trotz des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds haben wir unsere Umsätze in Deutschland, unserem grössten Dentalmarkt in Europa, auf Vorjahresniveau halten können und unsere Markführerschaft weiter gefestigt. Wir sind mit diesem Resultat zufrieden. Weshalb wir gerade in Frankreich schon seit mehreren Quartalen gut wachsen, hängt einerseits mit der Stärke der lokalen Organisation zusammen, anderseits ist die Durchdringungsrate bei Implantaten nur halb so hoch wie in Deutschland.



«Trotz des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds haben wir unsere Umsätze in Deutschland, unserem grössten Dentalmarkt in Europa, auf Vorjahresniveau halten können und unsere Markführerschaft weiter gefestigt.» Beat Spalinger, CEO Straumann


In Nordamerika stieg der Umsatz um 3,6% auf 41,6 Mio. Franken. Welche Faktoren begünstigten dieses Ergebnis?

Die Umsatzsteigerung um 8 Prozent in Lokalwährungen wurde von der sich erholenden Wirtschaft und der damit verbundenen stärkeren Nachfrage nach Implantaten ? insbesondere Bone-Level-Produkten ? sowie regenerativen Lösungen wie Straumann Allograft getragen. Mit diesem neuen Angebot haben wir unseren adressierbaren Markt für Knochenaufbaumaterialien in den USA massiv erweitert.


In Japan bleibt es schwierig, da wichtige Produkte dort noch nicht zugelassen sind. Um welche Produkte handelt es sich und was erschwert die Zulassung?

Produkte wie SLActive, die Bone-Level-Implantatlinie oder das neue Roxolid sind in Japan noch nicht zugelassen. Die dortigen Regulierungsvorschriften sehen vor, dass für eine Zulassung klinische Studienprogramme in Japan notwendig sind. Dieser Umstand verzögert die Zulassungen.


In der Vergangenheit gelang es Straumann, mit einer Produkteoffensive den Umsatz auf zweistellige Zuwachsraten anheben. Wie realistisch ist es, dass Sie Ihnen dies auch 2010 gelingt?

Unsere Prognose ist, dass der Markt in diesem Jahr maximal im einstelligen, unteren Prozentbereich wachsen wird. Auch wenn wir überzeugt sind, dass Straumann auch 2010 über dem Markt wachsen wird, ist ein zweistelliges Wachstum nicht realistisch.


SLActive, eine hydrophile Implantatoberfläche, die die Einheilzeit wesentlich reduziert, erhielt im Herbst 2009 das lang ersehnte grüne Licht von der chinesischen Arzneimittelbehörde. Welche Bedeutung und welches Potential hat dieser Markt für Ihr Unternehmen?

Man schätzt, dass der Implantatmarkt in China, wo wir schon heute eine führende Position einnehmen, zwischen 2008 und 2012 um ca. 35 Prozent jährlich wachsen wird. In den nächsten zehn Jahren wird sich China zu einem der drei grössten Märkte für Zahnimplantate entwickeln. Wir setzen ganz klar auf China als einen unserer zukünftigen Schlüsselmärkte und bauen unsere Präsenz dort stetig aus.


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Implant Direct, ein Internet-Händler, dessen Preise rund 70 % tiefer als jene von Premium-Herstellern wie Straumann liegen, erzielte 2009 50% mehr Umsatz. Spüren Sie den Preisdruck? Wie reagieren Sie auf solche Billig-Konkurrenz?

Billig-Konkurrenz hat ? trotz Rezession ? die Marktstrukturen nicht verändert. Auch wenn Implant Direct um 50% gewachsen ist: Es ist Wachstum auf einer tiefen Basis. Straumann hat trotz der Rezession die Preise halten können. Für unsere Kunden ist der Preis allein kein Kaufkriterium. Viel wichtiger sind für sie innovative, klinisch geprüfte Produkte, hohe Qualität, Zuverlässigkeit und ein herausragendes Serviceangebot.


Ihr Anteil am weltweiten Implantat-Markt beträgt 19%, damit liegen Sie nur knapp hinter Nobel Biocare (21 %). Hat Straumann in naher Zukunft die Nase vorn?

Anhand der Ergebnisse des 1. Quartals liegen wir im Implantatmarkt sogar vor Nobel Biocare. Unser Ziel ist es aber nicht, die Grössten zu sein, sondern der bevorzugte Partner für unsere Kunden und Patienten. An diesem Ziel arbeiten wir weiter.


2009 beliefen sich die Investitionen in Forschung und Entwicklung auf mehr als 39 Mio., was 5% Ihres Nettoumsatzes entspricht. Werden Sie 2010 wiederum in diesem Umfang investieren?

Ja, Forschung und Entwicklung bleiben weiterhin Kernstücke unseres Bekenntnisses zu Innovation und Qualität. Unseres Wissens investiert kein anderes Dentalunternehmen einen solch hohen Umsatzanteil in Forschung und Entwicklung.


Wie lange sind Produkte-Innovationen wie zum Beispiel die 2009 eingeführte Produktmarke Roxolid (Hochleistungs-Implantatmaterial) Zugpferde?

Der Produktezyklus in unserer Industrie ist relativ lang. Innovative Produkte wie unser Bone Level, SLActive oder auch Roxolid werden sicher noch die nächsten fünf bis zehn Jahre Zugpferde bleiben.


Haben Sie dennoch bereits weitere Innovationen in der Pipeline?

Ja, wir arbeiten weiter an Produkten und Lösungen, welche unseren Kunden und Patienten wichtige Vorteile wie kürzere Behandlungszeiten, komfortablere Behandlungen und bessere Vorhersagbarkeit bringen werden. Grössere Innovationsschritte sehe ich eher im Bereich der Digitalisierung sowie bei der Materialvielfalt und Qualität.



«Digitale Arbeitsabläufe und Technologien werden fehleranfällige analoge Verfahren ersetzen und Effizienzsteigerungen für Ärzte sowie Zahnlabore bringen.»


Sind Firmenübernahmen wie die der auf CADCAM-Dentaltechnik spezialisierten Etkon (2007) oder jene von IVS (2009), einem Unternehmen für Softwareapplikationen für die computergestützte Implantologie, derzeit ein Thema?

Wir halten unsere Augen bezüglich neuer Technologien und Verfahren immer offen.


Wie schätzen Sie die Wachstumsvoraussetzungen für CADCAM-Dentaltechnik ein?

Im globalen Markt für digitale Restaurationen ? vor allem bei der CADCAM-Prothetik, also Kronen und Brücken ? rechnet man bis Ende 2012 mit Wachstumsraten von 15 bis 17 Prozent, also höheren Wachstumsraten als in der Implantologie, unserem Kerngeschäft.


Auch in der Zahnheilkunde spürt man vermehrt eine Digitalisierung. Was bringt die nähere Zukunft?

Digitale Arbeitsabläufe und Technologien werden fehleranfällige analoge Verfahren ersetzen und Effizienzsteigerungen für Ärzte sowie Zahnlabore bringen. Beispiele sind etwa die geführte Chirurgie, welche es erlaubt, präziser zu bohren und Implantate auch an bislang unzugänglichen Stellen punktgenau zu setzen, oder intra-orale Scanner. Wir werden aber auch das Verschwinden von kleinen, traditionellen Dentallaboren sehen, die durch mit moderner CADCAM-Technik ausgerüstete Labore ersetzt werden.


Straumann ist in Spezialbereichen der Dentalbranche tätig, deren Marktvolumen auf 5,4 Mrd. Franken geschätzt wird. Aufgrund der demografischen Entwicklung sollte Ihr Tätigkeitsfeld langfristig attraktive Wachstumsperspektiven bieten ? auch für Anleger. Ist das so?

Das sehen wir genau so. Hinzu kommt, dass in vielen wichtigen Märkten die Durchdringung mit Dentalimplantaten immer noch sehr gering ist.





Die Unternehmung:
Die Straumann-Gruppe mit Hauptsitz in Basel ist eine weltweit führende Anbieterin für implantatgestützten und restaurativen Zahnersatz sowie orale Geweberegeneration. Die Komponenten des Implantat-Systems sowie Instrumente werden in der Schweiz und in den USA gefertigt, die CADCAM-Prothetik in den USA sowie in Deutschland, wo auch Scanner und die Technologie für die geführte Implantatchirurgie produziert werden. Die Geweberegenerationsprodukte stellt das Unternehmen in Schweden her. Weltweit beschäftigt Straumann rund 2200 Mitarbeitende, ihre Produkte und Dienstleistungen werden in über 70 Ländern über ein weites Netz von Tochtergesellschaften und Distributionspartnern vertrieben.

Der Gesprächspartner:
Beat Spalinger, geb. 1958, erwarb einen Master in Betriebswirtschaft der HWV in Zürich und ist Alumnus des Advanced Management Program der Harvard University, Boston, USA. Zwischen 1986 und 1999 war er für die KPMG in Zürich tätig. 1993 wurde er dort Partner und leitete das Corporate Finance Department. 1999 wechselte er als CFO zu Unique, der Flughafen Zürich AG. Im September 2008 stieg Beat Spalinger als CFO bei Straumann ein, 2010 wurde er zum Präsidenten und CEO des Unternehmens ernannt.

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