Börse reagiert auf geklärte ‹Kanzlerfrage› verhalten positiv

Händler und Analysten stimmten mehrheitlich überein, dass die Einigung auf eine Grosse Koalition mit einer Regierungschefin Angela Merkel (CDU) zwar generell positiv für die Börse, aber keinesfalls überraschend gewesen sei. Der Leitindex DAX gewann bis zum Nachmittag 0,74 Prozent auf 5.044 Zähler und lag damit auf dem Niveau der ersten Handelsminuten.


Kleiner «Merkel-Effekt»
So machte etwa Aktienhändler Ascan Iredi von der Postbank nur einen kleinen «Merkel-Effekt» in den Aktienkursen vom Montag aus. Dem stimmte Aktienstratege Michael Köhler von der Landesbank Rheinland-Pfalz (LRP) zu: «Ich denke nicht, dass das noch jemanden überrascht hat», sagte er mit Blick auf die erste Kanzlerin der Bundesrepublik und den Rückzug von Gerhard Schröder (SPD) beim Anspruch auf das Kanzleramt. In den vergangenen Tagen sei alles auf eine Grosse Koalition aus Union und SPD unter einer Kanzlerin Merkel hinausgelaufen und vom A ktienmarkt entsprechend eingearbeitet worden.


Freundliche Tendenz hat mehrere Gründe
Sowohl Köhler als auch Iredi begründeten die freundliche Tendenz der Börsen am Montag vielmehr mit mehreren Gründen: Neben dem durchaus stimmungsfördernden Einfluss durch den beendeten Streit um den Kanzlerposten hätten auch die Gewinne an den richtungsweisenden New Yorker Börsen vom Freitag geholfen. Zudem erholte sich Iredi zufolge der DAX von seinen leichten Einbussen der Vorwoche. Mehrere positive Analystenstudien zu wichtigen deutschen Werten hellten Börsianern zufolge die Stimmung am Markt zusätzlich auf.


«Leicht positiv, aber ohne grossen Einfluss»
Auch der Leiter der Wertpapierstrategie bei der Commerzbank, Hans-Jürgen Delp, nannte die jüngsten Meldungen aus Berlin «leicht positiv, aber ohne grossen Einfluss» auf die Kurse. Die Nachrichten seien ein bisschen in den Kursen vom Montag zu sehen. Grundsätzlich positiv sei etwa, dass die Sondierungsgespräche zwischen Union und SPD schnell über die Bühne gegangen seien. Auch dürften nun die Reformideen der Union in die künftige Regierungsarbeit einfliessen.


Gewinne der Unternehmen vielversprechend
Entscheidender für den Optimismus auf dem Börsenparkett sind für Delp jedoch die momentanen Rahmenbedingungen. So entwickelten sich die Gewinne der Unternehmen vielversprechend und deutsche Aktien seien weiterhin vergleichsweise günstig bewertet. Zudem machten die niedrigen Zinsen derzeit alternative Geldanlagen unattraktiver.


«Wichtig ist, dass es keine ‹Israel-Lösung› gibt»
Kapitalmarktexperte Robert Halver von Vontobel Asset Management betonte : «Wichtig ist, dass es keine ‹Israel-Lösung› gibt». Gemäss einer solchen Variante hätten sich Union und SPD das Amt des Bundeskanzlers zeitlich geteilt. Die Börse brauche einfach klare Verhältnisse, hob Halver hervor. Zudem habe sich mit Merkel das «reformerische Element» durchgesetzt. Viele der jüngsten politischen Meldungen seien allerdings schon in den Kursen enthalten, betonte auch Halver.


«Kanzlerfrage» an der Börse nun «abgehakt»
Einig waren sich Kapitalmarktexperten, dass die geklärte «Kanzlerfrage» an der Börse nun «abgehakt» ist. Nun warten Börsianer vor allem auf die konkreten Ergebnisse der neuen Regierung. LRP-Experte Köhler rechnet beispielsweise mit eindeutigen Impulsen für den Aktienmarkt, wenn bei der neuen Regierung das Thema Mehrwertsteuer auf der Tagesordnung steht. Das dürfte insbesondere die entsprechenden Titel aus dem Einzelhandelssektor bewegen.


Keinen grossen Wachstumsimpuls erwartet
BHF-Chefvolkswirt Uwe Angenendt erwartet von der Grossen Koalition unter Merkel jedoch keinen grossen Wachstumsimpuls für Deutschland. «Man darf den Einfluss der Politik auf die Konjunktur nicht überschätzen», betonte Angenendt. Wichtiger sei ein passendes aussenwirtschaftliches Umfeld, etwa durch günstige Ölpreise. Angenendt rechnet bei einer Regierung von CDU/CSU und SPD mit einer baldigen Ein igung bei der Reform der Unternehmenssteuern. «Die Chancen für eine Steuersenkung sind hier günstig.» Mit einer grundlegenden und zügigen Reform der Sozialversicherungen und des Gesundheitssystems sei hingegen nicht zu rechnen. (awp/mc/gh)

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