Chefökonom Issing: Keine unterschiedlichen Auffassungen im Rat

«Es ging am 1. Dezember darum, die aktuell richtige Entscheidung zu treffen. Und das waren eben diese 25 Basispunkte.» Dass die EZB seitdem immer wieder betont hatte, anders als die US-Notenbank keine Serie von Zinserhöhungen zu planen, begründete Issing mit dem unterschiedlichen Ansatz beider Zentralbanken. «Wir verfolgen unsere eigene Politik auf der Grundlage unserer eigenen Strategie. Unsere Kommunikation war ausserordentlich erfolgreich, indem wir die Vorstellung, wir würden die gleiche Politik wie die Fed verfolgen, im Keim erstickt haben. Gleichzeitig haben wir aber auch klar gemacht, dass wir jederzeit handeln werden, wenn wir das für notwendig halten.»

Kompromiss im Defizitstreit
Kurz vor dem sich anbahnenden Kompromiss im Defizitstreit zwischen der Bundesregierung und der EU-Kommission äusserte sich Otmar Issing zuversichtlich über den Konsolidierungskurs der neuen Bundesregierung. » Wir sehen einen Wandel in Europa». «Wenn sich die Regierung in den kommenden zwei Jahren an ihre Pläne hält, wird Deutschland spätestens 2007 die Neuverschuldungsgrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts unterschreiten.»


Sanktionen für Defizitsünder
Überlegungen, künftig ein unabhängiges Gremium über mögliche Sanktionen für Defizitsünder entscheiden zu lassen, erteilte Issing eine Absage: «Bei der gegenwärtigen politischen Konstellation in der Währungsunion muss die Kompetenz bei den europäischen Regierungen bleiben, die sich vor ihren Parlamenten und den Wählern verantworten müssen.» Die Schwachstelle des Paktes, dass potentielle über aktuelle Sünder urteilten, bleibe damit freilich bestehen.


Warnungen der EZB früher ernst nehmen
Die Gefahr, dass stabilitätsorientierte Länder irgendwann für die Defizitsünden anderer in Sippenhaft genommen und austreten könnten, sei dennoch kein ernsthaftes Szenario, sagte das EZB-Direktoriumsmitglied weiter: «Es wird keinen Austritt aus dem Euro geben.» Dies würden die Korrekturmechanismen in den einzelnen Ländern und der Union verhindern. «Von Vorteil wäre es allerdings, wenn die europäische Finanzpolitik die Warnungen der EZB früher ernst nimmt», sagte Issing, der Ende Mai nach acht Jahren turnusgemäss aus dem Direktorium der EZB ausscheiden wird. (awp/mc/gh)

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