Christian Rey, hotelleriesuisse: „Vielfalt der Klassifikationssysteme schadet»


hotelleriesuisse, der Spitzenverband der Schweizer Hotelwirtschaft, hat die neuste Hotelklassifikation veröffentlicht. hotelleriesuisse-Präsident Christian Rey erläutert im Moneycab-Interview die Resultate und stellt sich deutlich gegen die Einführung einer weiteren Hotelklassifikation durch GastroSuisse.

Von Patrick Gunti

Moneycab: Herr Rey, „hotelleriesuisse“ hat am Dienstag die Ergebnisse der Hotel-klassifikation 2004 veröffentlicht. Welches sind die herausragenden Ergebnisse der neusten Erhebung?

Christian Rey: Die Ergebnisse der Klassifikationsrunde 2004 bestätigen drei Tendenzen, die wir seit einigen Jahren beobachten: Einerseits sind die umfangreichen Investitionen sowie die grossen Anstrengungen bei Renovationen und Sanierungen dafür verantwortlich, dass die Schweizer Erstklass- und Luxushotellerie international hervorragend positioniert ist. Andererseits zeigt sich, dass eine klare Positionierung des Betriebs – sichtbar gemacht durch die Spezialisierungslabels von hotelleriesuisse – sich für die Hotels auszahlt und entsprechend start stark nachgefragt ist. Ausserdem haben Mittelklasse-Hotels sowie unklar positionierte Betriebe in einem sich immer stärker differenzierenden Umfeld zunehmend mit Schwierigkeiten zu kämpfen.


«Die Nicht-Teilnahme am Schengenraum würde sich auf die Tourismusentwicklung negativ auswirken.» Christian Rey, Präsident hotelleriesuisse


Es fällt auf, dass die Zahl klassierter Hotels gegenüber dem Vorjahr abgenommen hat, nämlich von 2377 auf 2303. Wo liegen die Gründe?

Der Rückgang fand 2004 fast ausschliesslich in den Kategorien 2- und 3-Sterne statt. Es handelt sich zum grössten Teil um Marktaustritte. Dies bestätigt den bereits genannten Trend, dass Mittelklasse-Hotels in einem sich immer stärker differenzierenden Markte Mühe bekunden.

Hotelleriesuisse führt die Schweizer Hotelklassifikation seit 25 Jahren durch. Die Normen werden alle fünf Jahre angepasst. Wie haben sich die Kriterien verändert, auf was wird heute bei der Vergabe der Sterne besonders geachtet?

Im Prinzip widerspiegeln sich in der Hotelklassifikation die allgemeinen gesellschaftlichen Trends und Entwicklungen, denn diese beeinflussen die Erwartungen der Hotelgäste. Konkret hat ein Gast heute höhere Ansprüche an die Qualität und Vielfalt der Dienstleistungen im Hotel. Er erwartet grössere Zimmer sowie allgemein im Hotel mehr Komfort. Die Kunden möchten aber auch ein breiteres Serviceangebot, sei es in der Gastronomie, bezüglich Freizeit- und Shoppingmöglichkeiten oder in der Businesshotellerie Kommunikations- und IT-Einrichtungen.

Einerseits sind Hotel-Klassifikationen ein international bekannter Standard, andererseits ist ein Viersternhaus in der Schweiz oft nicht mit einem Viersternehaus z.B. in Italien oder Schottland gleichzusetzen. Gibt es eine internationale Zusammenarbeit der Hotelier-Verbände, um diese Standards zu überprüfen resp. anzugleichen?

Die Hotellerie in den verschiedenen europäischen Ländern hat einfach eine ganz unterschiedliche Tradition und Struktur, das heutige Angebot ist ja auch historisch gewachsen. Man würde also Äpfel mit Birnen vergleichen … damit wäre auch dem Gast nicht wirklich gedient. Andererseits ist es natürlich auch so, dass die zunehmende Verbreitung von internationale Hotelketten wie Accor, Arabella Sheraton, Hilton, Mariott, Best Western, etc. eine gewisse internationale Standardisierung des Angebots zur Folge haben. Wir – sowie die allermeisten unserer Schwesterorganisationen in der EU – sind aber gegen ein EU-System zur Hotelklassifikation. Das heisst aber nicht, dass wir nicht mit Hotelverbänden aus anderen Ländern zusammen arbeiten; so nimmt hotelleriesuisse beispielsweise an den jährlichen Konferenzen der deutschsprachigen Hotel- und Gaststättenvereinigungen teil.

Wenig Freude dürfte Ihnen der Plan von GastroSuisse bereiten, welche 2006 eine eigene Hotelklassifikation einführen will und damit quasi in Konkurrenz zu hotelleriesuisse tritt. Wie reagiert hotelleriesuisse auf das Vorgehen von GastroSuisse?

Wir sind überzeugt, dass eine Multiplikation der Systeme zur Hotelklassifikation nicht im Interesse der Gäste liegt. Diese werden durch den Labelsalat unnötig verwirrt. Ausserdem schadet eine solche Vielfalt der Klassifikationssysteme der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Hotellerie. Die Vergabe der Hotelsterne in der Schweiz wird auch in Zukunft die Schlüsselaufgabe unseres Verbandes sein. Wir haben unser Klassifikationssystem im Februar dieses Jahres für Nichtmitglieder geöffnet. Eine Klassifikation kostet für Nichtmitglieder pro Jahr 200.- CHF; die Zertifizierung hat eine durchschnittliche Dauer von drei Jahren.

Ist die Einführung einer zusätzlich Differenzierungsmöglichkeit mit dem Zusatz «Superior» ein Entgegenkommen im Streit um die Klassifikation?

Die Einführung eines freiwilligen Zusatzes «Superior» wurde bereits im November 2003 von der Delegiertenversammlung von hotelleriesuisse verabschiedet. Dies steht also in keinem Zusammenhang mit der aktuellen Diskussion um die mögliche Einführung eines zweiten Hotelklassifikationssystems durch GastroSuisse. Wir wollen damit im Bereich der 3-, 4- und 5-Sterne Häuser eine Differenzierungsmöglichkeit schaffen und die Elite dieser Kategorien spezielle auszeichnen. Dies ist übrigens in anderen Ländern, beispielsweise in Frankreich, bereits üblich.

Ein wichtiges Thema dürfte für Sie der Beitritt der Schweiz zum Schengen-Abkommen mit der EU und die EU-Osterweiterung sein. Bürokratische Hindernisse würden abgebaut, Mehrkosten für Reisende würden entfallen. Wie gross ist der Nachteil gegenüber den europäischen Mitbewerbern bei einem Abseitsstehen bei Schengen?

Die Hotelgäste aus den Fernmärkten kümmern sich nicht um Grenzen und sicher-heitspolitische Überlegungen innerhalb von Europa. Die Nicht-Teilnahme am Schengenraum würde sich auf die Tourismusentwicklung negativ auswirken, und dies aus folgenden Gründen:

Gäste wollen sich ein separates Schweiz-Visum nicht leisten.Reisebüros scheuen den zusätzlichen zeitlichen Aufwand für die Einholung eines separaten Visums.Europa-Reiseprogramme werden ohne Schweiz angeboten (Substitution durch andere vermeintlich ähnliche Alpenländer).Einzelreisende nach Europa verzichten auf einen Abstecher in die Schweiz.Geschäftsreisende und Kongressreisende in die Schweiz können ihren Schweizbesuch nicht mit einem spontanen Abstecher ins «Schengenland» verbinden.
Die Folgen davon sind absehbar: Die europäischen Konkurrenzländer können von der zunehmenden Mobilität in den Fernmärkten mehr profitieren als die Schweiz, inter-
nationale Kongresse werden tendenziell vermehrt ausserhalb der Schweiz organisiert und die Schweiz verliert ihre Bedeutung als internationale Drehscheibe.

Auch die schrittweise Ausdehnung der Personenfreizügigkeit ist für hotelleriesuisse sicher von grossem Interesse. Die Schweizer Hotellerie könnte von neuen, gut ausgebildeten Arbeitskräften profitieren. Wie sehen Sie die Situation?

Die Schweizer Hotellerie hat mit der im Juni 2002 eingeführten Personenfreizügigkeit mit den damals noch 15 EU-Staaten sehr gute Erfahrungen gemacht. Zahlreiche sehr gut qualifizierte Arbeitskräfte v.a. aus Deutschland, Österreich und Frankreich sind seither in unseren Hotels tätig. Wir sind zuversichtlich, dass sich dies bei der Ausdehnung auf die 10 neuen EU-Mitgliedsstaaten in ähnlicher Weise wiederholen wird. Die Ausbildungsstandards in diesen Staaten sind teilweise ausgezeichnet und die Arbeitnehmer in der Regel sehr motiviert.

Nach Berechnungen der Konjunkturforschungsstelle BAK Basel hat die Zahl der Übernachtungen in den Schweizer Hotels in den letzten 12 Monaten um 1,9 % zugenommen – das bedeutet die erste Zuwachsrate in den letzten drei Jahren. Sehen Sie eine Trendwende und worauf führen Sie die steigenden Zahlen zurück?

Ja, wir sehen in diesem Wachstum eine Trendwende. Diese ist in erster Linie auf die stark gestiegene Nachfrage unserer ausländischen Hotelgäste zurückzuführen. Diese wird im Vergleich zum Vorjahr um rund 3% wachsen. Vor allem die Nachfrage aus den USA, Japan und China ist gestiegen. Dies hat verschiedenen Gründe: Chinesische Touristengruppen dürfen seit September 2004 frei in die Schweiz reisen. In Japan macht sich die wirtschaftliche Erholung nach fast 10 Jahren Rezession nun auch bei den Auslandreisen bemerkbar und in den USA haben die sicherheitspolitischen Bedenken einen Trip nach Übersee zu unternehmen abgenommen.

Wie sehen Ihre Erwartungen für die kommende Wintersaison aus?

Wir gehen davon aus, dass die Übernachtungen um 2.1% zulegen werden. Dabei ist zu erwarten, das die inländischen Gäste um 0.9% und die ausländische Kundschaft um 3% wachsen wird.

Einen riesigen Boom erwartet die Branche in den kommenden Jahren mit Touristen aus China, nachdem diese nun leichter in die Schweiz einreisen können. Was erwarten Sie für Wachstumszahlen und welche Regionen dürften Ihrer Meinung nach besonders profitieren?

2003 generierten die Gäste aus der Volksrepublik rund 100’000 Übernachtungen in Schweizer Hotels. Die Prognosen sagen uns, dass in 10 Jahren bereits 800’000 Logiernächte auf das Konto von Besucherinnen und Besuchern aus dem Reich der Mitte gehen könnten. Besonderer Beliebtheit erfreuen sich Genf, Zürich, Luzern sowie international bekannte Urlaubsdestinationen wie Interlaken, Zermatt, St. Moritz, etc. Mit anderen Worten die grossen Schweizer Städte, die ausserdem an den wichtigen europäischen Verkehrsverbindungen liegen, und die renommierten Ferienorte führen die Hitparade an.

Nun ist ein Tourist aus China ja nicht irgendein Tourist, seine Kultur unterscheidet sich von der europäischen oder amerikanischen grund-sätzlich. Schweizer Hoteliers müssen umdenken, wenn sie sich mit Kund-schaft aus China beschäftigen. Auf welche Dinge müssen sie besonders achten?

Chinesische Gäste sollten nach Möglichkeit nicht in einem Zimmer im 4. Stock, oder Zimmer mit Nummern, die eine «4» enthalten (4, 14, 24, 34, usw.) einquartiert werden. Denn die Zahl «4» wird mit Unglück oder gar dem Tod in Verbindung gebracht. Zimmernummern mit einer «8» oder «9» sowie Zimmer auf dem 8. oder 9. Stock gelten hingegen als glücksbringend. Ein Prospekt in Chinesisch mit Informationen über Ihr Hotel und Ihre Dienstleistungen sollte in jedem Zimmer aufliegen.Chinesische Gäste sollten ein Zimmer mit zwei Einzelbetten bekommen: Die Mitglieder einer Reisegruppe kennen sich normalerweise vor dem Reiseantritt nicht. Der Check-In und Check-Out Service sollte schnell sein: Chinesen sind eher ungeduldig und warten nicht gerne.Chinesen trinken heissen Tee oder heisses Wasser zu jeder Tages- und Nachtzeit: Den Gästen sollte ein elektrischer Wasserkocher oder eine Thermosflasche mit heissem Wasser zur Verfügung stehen sowie gratis Tee und Kaffee. Heisses Wasser und Tee werden üblicherweise auch zum Mittag- und Abendessen gereicht.Chinesen reisen mit wenig Gepäck: Toilettenartikel für den täglichen Gebrauch, wie Shampoo, Zahnbürste und Zahnpaste, sollten im Badezimmer zur Verfügung gestellt werden.
Was für Massnahmen zur Unterstützung hat hotelleriesuisse ergriffen?

Wir haben im Juni dieses Jahres zusammen mit Schweiz Tourismus eine Broschüre «Chinesen zu Gast in der Schweiz» publiziert und allen unseren Mitgliedern zukommen lassen. Die Publikation enthält auf 28 Seiten und in den Sprachen deutsch, französisch sowie englisch die wichtigsten Hintergründe und Informationen zur Volksrepublik China sowie zu Kultur und Denkweise der neuen Kunden aus Fernost. Auch gibt die Broschüre Auskunft darüber, was bei geschäftlichen Kontakten mit Chinesen und im Umgang mit der chinesischen Sprache beachtet werden sollte. Last but not least beinhaltet diese eine Reihe praktischer Tipps, wie für die Gäste aus China ein optimales Paket von Reise- und Freizeitaktivitäten sowie Beherbergungs- und Verpflegungsangeboten geschnürt werden kann. Die Publikation fand übrigens reissenden Absatz … fast alle 11’000 Exemplare sind bereits aufgebraucht.

Nachdem die Schweiz von China den «Approved Destination Status» bekommen hat, haben bereits zahlreiche Reisegruppen aus dem Reich der Mitte die Schweiz bereist. Wie sehen die ersten Erfahrungen der Schweizer Hoteliers aus?

Unsere Erfahrungen sind positiv, und wir waren gut vorbereitet. Auch wurden unsere Prognosen betreffend Reiseziele, Vorlieben, etc. bestätigt: Die meisten Gruppenreisen führten durch die drei Lieblingsdestinationen der Chinesen (Frankreich, Italien und Schweiz) und die Angebote chinesischer Mahlzeiten wurden sehr geschätzt. Seit der Einführung des «Approved Destination Status» am 1. September 2004 erhöhten sich die Visumsanfragen für die Schweiz um das Dreifache.

Letzte Frage: Verbringt der Präsident von hotelleriesuisse seine Ferienzwangsläufig immer in Schweizer Hotels, oder wohin kann die Reise gehen, wenn Sie ausspannen wollen?

Ich verbringe meine Ferien meistens in der Schweiz. Allerdings mache ich nur selten Urlaub; und wenn, dann ist dieser leider oft zu kurz.

Moneycab Interviews Christian Rey 
Präsident von hotelleriesuisse

Geboren: 25. Dezember 1947 in Genf

Zivilstand: Verheiratet, vier Kinder

Ausbildung:
Universität in Genf
Universität in Freiburg, Wirtschaftswissenschaft
Doktorat in Wirtschafts- und Sozialwissenschaft
Harvard Business School in Boston (USA)

Berufliche Laufbahn:
März – Oktober 1979: Internationales Projekt Hotelier und Tourismus, München

1982 – 1999: Wirtschaftsexperte am Zivilgericht;
Präsident der Rentimo of Texas Inc., Dallas (USA)

Seit März 1980: Präsident des Verwaltungsrates der Vereinigung «Welcome Swiss Hotels Switzerland»

Mitglied des Verwaltungsrats verschiedener Immobiliengesellschaften;
Direktor der Rentimo S.A., Genf

Seit 1989: Leitung einer Kette mit fünf Hotels (vier davon in Genf und eines in La Chaux-de-Fonds)

Seit 1999: Präsident von hotelleriesuisse, Bern

Seit 2003: Mitglied des Verwaltungsrates der Schweizerischen Mobiliar Genossenschaft, Bern

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