Coface: Schweiz vom Abschwung der Weltwirtschaft und steigenden Risiken betroffen

Zürich – Coface hat mit dem „Barometer“ Ende Juni das quartalsweise Update zu Länder- und Branchenrisiken veröffentlicht. Die wirtschaftlichen Risikoperspektiven verschärfen sich für international ausgerichtete Schweizer Unternehmen. Das Downgrade von 23 Branchen und 4 Ländern markiert einen Wendepunkt. Dieses klare Signal zeigt eine zunehmend unsichere Weltwirtschaft, geprägt von geopolitischen Spannungen und volatilen Handelspolitiken. Für CEOs und CFOs von Schweizer KMU ist das Verständnis dieser Veränderungen unverzichtbar. Dabei stellt sich grundsätzlich die Frage: Ist die Schweiz eine Insel der Stabilität oder schon Teil des Sturms?
Unklare Gewässer: Analyse der wirtschaftlichen Risiken der Schweiz
Die Entscheidungen des US-Präsidenten Donald Trump zu Zöllen und die zunehmende Instabilität im Nahen Osten stören die Handelsströme nachhaltig. Jean-Christophe Caffet, Chefökonom bei Coface: “Die Befürchtungen, die wir zu Jahresbeginn äusserten, waren nicht unbegründet. Rückblickend scheinen sie sogar stark unterschätzt worden zu sein, da sie weit hinter den tatsächlichen Ereignissen zurückgeblieben sind. Die neue US-Regierung hat nicht nur einen umfassenden Handelskrieg begonnen, sondern scheint auch auf eine umfassende Zerstörung des „amerikanischen Exzeptionalismus“ zu sein“. Die Auswirkungen – der internationale Handel verlangsamt sich zusehends und das Risikoniveau steigt. Schweizer exportorientierte KMU – insbesondere in der Metallurgie und im Automobilzulieferbereich – müssen sich auf eine neue Normalität einstellen: Instabilität. Während die Weltwirtschaft an Schwung verliert, zeichnen sich für die exportabhängigen Branchen der Schweiz turbulente Zeiten ab. Von Asien bis Nordamerika nehmen Unternehmensinsolvenzen weltweit zu und die auf Zulieferungen angewiesene Schweizer Wirtschaft gibt Alarmzeichen von sich. Kurzfristige Aufschwünge in China und Indien verschleiern tiefere Verwundbarkeiten, denn nachlassende Nachfrage und auslaufende Subventionen gefährden das langfristige Wachstum. Vor diesem Hintergrund wurden in der Schweiz zwei Schlüsselbranchen – Metallurgie und Automobilindustrie – von „hohes Risiko“ auf „sehr hohes Risiko“ neu eingestuft, was die zunehmenden Herausforderungen und Unsicherheiten zum Ausdruck bringt.
Ökonomische Risiken: Schwaches Wachstum, hohe Gefahren
Während sich die Weltwirtschaft verlangsamt, werden die Wachstumsprognosen nach unten revidiert – auf 2,2 % in 2025 und gerade mal 2,3 % für 2026. Doch hinter diesen Zahlen verbirgt sich eine tiefere Gefahr: Sollte sich die geopolitische Lage verschärfen, könnte das Wachstum unter 2 % fallen. Auch die Inflation bleibt ungewiss, mit einem erwarteten Spitzenwert von 4 % in den USA bis Ende 2025, vor allem wenn die Energiepreise weiter steigen. Die Fed könnte bereits im Herbst mit Zinssenkungen beginnen – allerdings nur, wenn die Inflation unter Kontrolle bleibt. Die Europäische Zentralbank hingegen senkt weiter die Zinsen, nähert sich jedoch ihrem Zinssatzboden. In der Schweiz spürt man diese globale Unsicherheit besonders deutlich. Als offene, exportorientierte Volkswirtschaft ist das Land direkt von Handels- und Währungsspannungen betroffen. Während ein starker Franken die Kaufkraft im Inland schützt, belastet er gleichzeitig die Gewinnmargen der Exporteure erheblich.
Zunahme der weltweiten Insolvenzen: Warnsignal für die Wirtschaft
Mitte 2025 steigen die Unternehmensinsolvenzen weiterhin an. Fast 80 % der fortgeschrittenen Volkswirtschaften verzeichneten im ersten Quartal 2025 im Vergleich zum Vorjahr einen Anstieg der Insolvenzen, oft über dem Niveau von 2019. Die Region Asien-Pazifik ist am stärksten betroffen, besonders die Bau- und Immobilienbranche in Japan und Australien sind angeschlagen. In Europa bleiben die Insolvenzen trotz erster Anzeichen einer Stabilisierung um 25 % höher als vor der COVID-Pandemie, was die Lieferketten vieler Schweizer KMU belastet. In Nordamerika ist die Lage uneinheitlich: Kanada erholt sich nach einem schwierigen Jahr 2024, doch in den USA stiegen die Insolvenzen im ersten Quartal 2025 erneut um 4 %. Die Margen der Unternehmen stehen unter Druck, belastet durch steigende langfristige Zinssätze, höhere Kosten durch Zölle und schwindende Preissetzungsmacht.
Schwellenmärkte: Fragiles Wachstum und Margendruck
China erlebt einen temporären Aufschwung: Die Aussetzung der Zölle unterstützte die Exporte im ersten Quartal. BIP-Wachstumsprognosen für 2025 wurden auf 4,5 % revidiert, doch dieser Schwung könnte schnell nachlassen. Die Wirkung staatlicher Subventionen nimmt ab, und die Immobilienkrise belastet weiterhin stark. Das geplante Ende der Zollaussetzung im August könnte eine neue negative Wende markieren. In Indien überstieg das Wachstum im ersten Quartal 7 %, getragen von hohen öffentlichen Ausgaben zum Jahresende. Dennoch bleibt diese Dynamik fragil. Der städtische Konsum verlangsamt sich, und private Investitionen stehen unter Druck. Mittelfristig wird nur der Inlandsverbrauch das Wachstum stützen – eine riskante Abhängigkeit in einem unsicheren globalen Umfeld.
Schweizer Wirtschaft unter höchstem Druck – Metallbranche von stabil zu gefährdet
Die globale Stahlindustrie steht unter massivem Druck. Im Jahr 2024 belaufen sich die weltweiten Überkapazitäten auf 600 Millionen Tonnen – rund 25 % der Gesamtproduktion. Niedrige Nachfrage, volatile Energiepreise und neue Schutzzölle in Kanada, Mexiko und Europa verschärfen die Lage zusätzlich. In der Schweiz schlägt die Risikoampel auf Rot: Die Branche wird neu als „sehr hohes Risiko“ eingestuft (zuvor „hohes Risiko“). Die Ankündigung der USA, 50 % Zölle auf Stahl und Aluminium zu erheben, hat den Export abrupt gebremst. Ein leichter Anstieg der Verkäufe in die USA reicht nicht aus, um den Nachfragerückgang aus Deutschland – dem wichtigsten Absatzmarkt – auszugleichen. Die Auslastung liegt unter dem Mehrjahresdurchschnitt. Unternehmen bauen Stellen ab, setzen Kurzarbeit ein. Die Auftragsbücher sind leer, die Stimmung ist so schlecht wie seit der Pandemie nicht mehr. Selbst die stabilere Weiterverarbeitung ist im Rückgang begriffen. Der Maschinenbau hält sich besser – aber auch hier sinkt die Produktion.
Automobilbranche: Exportabhängig und unter Druck
Die Schweiz produziert zwar keine Autos, ist jedoch ein wichtiger Standort für spezialisierte Zulieferer. Diese Unternehmen sind fast vollständig auf den Export angewiesen – vor allem nach Deutschland und in die USA, wo inzwischen 25 % Zölle auf Autoteile erhoben werden. Deswegen wird diese Branche neu als „sehr hohes Risiko“ eingestuft (zuvor „hohes Risiko“). Nach einem stabilen Winter 2024 hat sich die Lage im Frühjahr stark verschlechtert. Der KOF-Indikator ist seit Januar tief negativ: Rückläufige Bestellungen, drohende Stellenverluste und eine sinkende Produktion prägen das Bild. Die Zahl der Neuzulassungen sinkt, und die Produktion von Transportausrüstung fällt deutlich. Die Zahl der Insolvenzen in der Automobilbranche stieg 2024 um 34 % – mehr als doppelt so stark wie im gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt (15 %). Im ersten Quartal 2025 setzt sich die Entwicklung mit weiteren +13 % Insolvenzen fort, während andere Sektoren stabil bleiben.
Weltwirtschaft im Krisenmodus – welche Massnahmen können Schweizer Unternehmen ergreifen?
Mit dem Abschwung der Weltwirtschaft und steigenden Risiken hat die Schweiz keine Sonderstellung inne. Wichtige Branchen wurden von Coface auf „hohes Risiko“ herabgestuft — ein Spiegelbild der weltweit steigenden Unternehmensinsolvenzen. „Schweizer KMU, besonders exportorientierte, müssen präventive Massnahmen ergreifen — sowohl gegenüber internationalen Partnern als auch im lokalen Umfeld. Erfolg in den kommenden Jahren wird von einer guten Antizipation und Anpassungsfähigkeit abhängen, insbesondere durch regelmässiges finanzielles Monitoring von Lieferanten und Kunden“, schliesst Christian Moins, Country Manager Switzerland. Die nächste makroökonomische Analyse von Coface erscheint Anfang Oktober 2025. (Coface/mc/pg)