Deutschland: Wende oder Wunschdenken?

Das sieht der Maschinenbau, das Paradepferd der deutschen Exportwirtschaft, anders. «Wir rechnen ab Jahresmitte mit einem Ende der bisherigen Talfahrt bei den Auftragseingängen», sagte der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes VDMA, Hannes Hesse. «Und zwar in der gesamten Breite des Maschinenbaus.» Den Höhepunkt des Einbruchs verzeichnete die Branche im Januar und Februar, als sich die Bestellungen nahezu halbierten. Hesse verwies nun auf die wachsende Zahl von Aufträgen aus China, Indien und Brasilien. «Ausserdem sollten auch die weltweit aufgesetzten Konjunkturpakete allmählich greifen.»


Hoffnugnsschimmer in China
Hoffnungsschimmer sehen die ebenfalls hart getroffenen deutschen Autobauer in China. Auf der Automesse in Shanghai kündigten VW, BMW, Daimler, Audi und Porsche am Montag ausnahmslos Absatzrekorde für dieses Jahr auf dem chinesischen Markt an. China ist der derzeit einzige relevante Automarkt mit Wachstum. 2009 könnten es sechs Prozent werden, bei Premium-Fahrzeugen sogar zwölf Prozent, meinte Daimler-Chef Dieter Zetsche. Und in diesem Bereich sind die krisengeschüttelten deutschen Konzerne besonders stark. In China wurden 2008 rund 5,69 Millionen Pkw abgesetzt.


USA: Konjunkturprogramme zeigen Wirkung
In den USA zeigen die Konjunkturprogramme offensichtlich bereits Wirkung. Die zu den grössten US-Finanzhäusern zählende Bank of America verbuchte zum Jahresauftakt einen überraschend hohen Milliardengewinn. Der vom Staat gestützte Finanzkonzern setzt damit als fünfte Grossbank in Folge die Reihe guter Nachrichten aus Amerikas Finanzbranche fort. Konzernchef Kenneth Lewis warnte allerdings vor «extrem schweren Herausforderungen» durch faule Kredite infolge der Wirtschaftskrise. Im ersten Quartal musste die Bank ihre Risikovorsorge um weitere 6,4 Milliarden Dollar erhöhen.


Düstere Stimmung in Elektroindustrie
Eine eher düstere Stimmung herrscht auch in der deutschen Elektroindustrie. «Wir erwarten für dieses Jahr inzwischen, nachdem wir zunächst mit einem Umsatzrückgang in Höhe von 3 bis 4 Prozent gerechnet hatten, dass der Rückgang noch deutlicher ausfällt», sagte der Präsident des Zentralverbandes Elektrotechnik und Elektronikindustrie (ZVEI), Friedhelm Loh, in Hannover. «Wahrscheinlich ist ein Minus um die 10 Prozent.» Im vergangenen Jahr stagnierte der Umsatz bereits bei 182 Milliarden Euro. Auch für den Chef des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Peter Keitel, ist eine Trendwende noch nicht absehbar. «Nichts spricht gegenwärtig für eine rasche Erholung – weder in Deutschland noch anderswo.»


Bundesbank: «Rezessive Grundtendenz weiter verschärft»
Das sieht die Bundesbank ähnlich. Ihrer Einschätzung nach spitzte sich die Krise in Deutschland zum Jahresbeginn sogar zu. «Im ersten Quartal 2009 hat sich die rezessive Grundtendenz in der deutschen Wirtschaft weiter verschärft», schreibt die Notenbank in ihrem Monatsbericht April. In der Industrie habe sich «die im September 2008 begonnene steile Talfahrt der Auftragseingänge in der Grundtendenz noch nicht verlangsamt». Einbussen gab es für viele Unternehmen vor allem im Auslandsgeschäft.


Gedämpfte Investitionsbereitschaft 
Eine Umfrage des Nürnberger Marktforschungsinstituts GfK zufolge dämpft die Krise die Investitionsbereitschaft deutscher Unternehmen. So habe etwa jedes fünfte Unternehmen seine zunächst geplanten Investitionen verschoben. 46 Prozent der Unternehmen hätten im ersten Quartal unter Umsatzrückgängen gelitten. Jedes dritte Unternehmen verzeichnete sogar Einbrüche von mehr als zehn Prozent. Die GfK hatte insgesamt 510 repräsentativ ausgewählte Firmen befragt.


Krise schlägt auf Steuereinnahmen durch
Zu den Leidtragenden der Krise wird sehr wahrscheinlich auch der Fiskus gehören. Nach Informationen des «Handelsblattes» schlägt die Krise auf die Steuereinnahmen durch. Im März hätten Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) und seine Länderkollegen 2,6 Prozent weniger Steuern von Bürgern und Unternehmen eingenommen als im Vorjahresmonat, berichtete das Blatt am Montag unter Berufung auf Informationen aus dem Finanzministerium. Im ersten Quartal seien die Einnahmen damit um 1,8 Prozent gesunken, das entspreche rund zwei Milliarden Euro. (awp/mc/ps/13)

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