Die Weko hat keine Lust mehr, als zahnloser Tiger zu gelten


Bislang gingen der Wettbewerbskommission vor allem kleine Fische ins Netz. Das soll sich ändern. Mit einem revidierten Kartellgesetz will die Weko zu härteren Massnahmen greifen können.

Von Andreas Gredig und Thomas Müller


Der Ruf der Wettbewerbskommission (Weko) nach einer Revision des Kartellgesetzes ist laut. Heute kann sie Kartellabsprachen erst nach einer Warnung, nicht aber direkt sanktionieren. Bis heute führte die Weko eine Vielzahl kleinerer Untersuchungen und weit über hundert Vorabklärungen durch. Diese waren teilweise erfolgreich. So knackte die Weko zum Beispiel das Monopol des Schweizerischen Verbandes für künstliche Besamung, deckte kartellwidrige Preisabsprachen unter den Westschweizer Cafétiers auf. Sie hob auch das Preiskartell bei den Service- und Reparaturarbeiten an Zentralheizungen aus den Angeln.

Wenig Lorbeeren im Falle UBSDoch bei den grossen Fischen holte sich die Kommission wenig Lob. Bei der Fusion von UBS und Bankverein hagelte es gleich reichlich Kritik. Zur Erinnerung: Die wichtigste dieser Auflagen verpflichtete die UBS zum Verkauf von 35 Bankstellen, wobei 25 als Paket verkauft werden sollten. Nach langem Hin und Her, bei dem sich die Weko nicht vollends durchsetzen konnte, wurde im Februar 1999 klar, dass der Verkauf der 25 Bankstellen en bloc endgültig nicht zustande kommen würde. Letztendlich übernahmen sowohl die Coop- als auch die Migros-Bank je elf UBS Filialen.

Zahnloser Tiger bei den Roche-VitaminenAuch im Fall der Roche und den verbotenen Vitamin-Preisabsprachen zeigte sich die mangelnde Durchschlagskraft der Schweizer Wettbewerbshüter. Während der Pharmakonzern in den USA und in der EU mit Bussen in Milliardenhöhe belegt wurde, konnte die Weko hierzulande lediglich den Gesetzesverstoss feststellen.

Buchhändler laufen SturmErneute Diskussionen, die bis heute andauern, löste die Weko mit ihrem Entscheid betreffend der Preisbindung im Buchhandel aus. Am 7.September 1999 entschied die Wettbewerbskommission nach einjähriger Untersuchung, dass das Preisbindungssystem, welches rund 90% aller in der Schweiz verkauften deutschsprachigen Bücher erfasst, den Wettbewerb beseitige. Der Börsenverein des deutschen Buchhandels sowie der Schweizerische Buchhändler- und Verlegerverband (SBVV) protestierten und legten Verwaltungsbeschwerde ein. Sie warfen der Weko vor, ihre Unterlagen zu wenig berücksichtigt und die kulturpolitischen Argumente ungenügend gewürdigt zu haben. Am 21. Mai 2001 stützte jedoch die Rekurskommission für Wettbewerbsfragen nun die Verfügung der Weko. Dem Buchhändlerverband bleibt jetzt als nächster Schritt noch der Weg ans Bundesgericht und vor den Bundesrat.


Bleibt der Bundesrat jedoch bei seinem Bekenntnis zu einen verschärften Kartellgesetz, müsste er den Buchhändlern die kalte Schulter zeigen. Denn im April 2001 hatte der Bundesrat betont, die Weko stärken und an einer Verschärfung des Kartellgesetzes festhalten zu wollen — und dies gegen den Widerstand der Wirtschaftsverbände.

Weko-Untersuchungen 1999/2000UntersuchungZeitraumVermutung / ResultatKünstliche Besamung9.9.96 bis 1.3.99Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung: Lieferverweigerung / Verfügung: Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung gemäss Art. 7 KGPrivatspitäler in Bern vs. Visana/CSS02.10.1996 bis 19.4.99Preisabreden und Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung / Einstellung: Keine unzulässige WettbewerbsbeschränkungMinolta7.6.97 bis 1.3.99Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung: Lieferverweigerung / Einstellung: Keine unzulässige WettbewerbsbeschränkungVolkswagen6.10.97 bis 8.5.00Unzulässige Wettbewerbsabreden; Vertrieb von Fahrzeugen der Marke Volkswagen / Verfahren eingestellt wegen veränderter MarktsituationReine Gase und Mischgase9.10.97 bis 1.3.99Lieferabreden der Schweizer Gasproduzenten / Verfügung: Unzulässige Wettbewerbsabreden (Art. 5 KG)Detailhandel3.11.97 bis 8.6.00Einkaufsabsprachen im Detailhandel / Verfahren eingestellt, weil keine Anhaltspunkte für unzulässige WettbewerbsabredenSWICA/AGZ19.1.98 bis 6.9.99Krankenversicherungsprodukte im Kanton Zürich: Unzulässige Wettbewerbsabreden und Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung / Einstellung: die Wettbewerbsbeschränkung wurde aufgehobenSanphar20.4.98 bis 7.6.00Margenordnung beim Arzneimittelvertrieb / Unzulässige Preisabreden festgestelltBahnhofkioske14.9.98 bis 5.7.99Preisabreden und Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung / Einstellung: Keine unzulässige WettbewerbsbeschränkungBücher28.9.98 bis 6.9.99Unzulässige Wettbewerbsabreden im Buchhandel / Verfügung: Unzulässige Wettbewerbsabreden (Art. 5 KG)Citroën2.11.98 bis ? (hängig)Unzulässige Wettbewerbsabreden; Vertrieb von Fahrzeugen der Marke CitroënSchweizerische Meteorologische Anstalt (SMA)17.11.98 bis 6.9.99Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, Diskriminierung / Verfügung: Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung (Art. 7 KG) –> Verfügung durch Rekurskommission aufgehoben (August 2000)Preisempfehlung für Getränke im Gastgewerbe18.5.99 bis 7.2.00Kartellgesetzwidrige Wettbewerbsabreden / Einvernehmliche Regelung: Verzicht auf PreisempfehlungVitamine: RocheJuni 1999 bis 14.4.00Vitaminkartell / Unzulässige Preisabreden festgestelltTeleclub / Cablecom21.6.99 bis ? (hängig)Missbrauch einer marktbeherrschenden StellungTessiner Zeitungen12.7.99 bis 7.2.00Preisabsprachen bei Abonnementpreisen / Einvernehmliche Regelung: Verzicht auf PreisabredenBKW FMB Energie AG13.7.99 bis 7.2.00Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung / Verfahren eingestellt, weil BKW Verhalten angepasst hatFahrlehrer13.7.99 bis 8.5.00Preisempfehlungen für die Fahrstunden: Preisabreden / Unzulässige Preisabreden festgestelltStrassenbeläge Nordostschweiz20.7.99 bis 4.12.00Unzulässige Preis-, Mengen- und Gebietsabreden / Unzulässige Preis-, Mengen- und Gebietsabreden festgestelltSUMRA23.8.99 bis ? (hängig)Marktordnung im Uhrenbereich: Unzulässige WettbewerbsabredenKreditkarten10.9.99 bis ? (hängig)Missbrauch marktbeherrschender Stellung: Verpflichtung zur Gleichbehandlung von Kreditkartenzahlung und Barzahlung beim PreisKaladent SA23.9.99 bis 18.12.00Missbrauch marktbeherrschender Stellung in Vertrieb von Zahnärzte-Verbrauchsprodukten / Verfahren eingestellt, weil marktbeherrschende Stellung erodiertIntensiv SA23.9.99 bis 18.12.00Missbrauch marktbeherrschender Stellung in der Herstellung von Dentalprodukten / Unzulässige Verhaltensweise eines marktbeherrschen UnternehmensJC Decaux / Affichage7.10.99 bis 7.5.01Unzulässige Wettbewerbsabreden / Verfahren eingestellt, weil genügend Konkurrenz vorhandenGenfer Abdichtungs- und Asphaltierungskartell17.1.00 bis 5.3.01Unzulässige Preisabreden / Einvernehmliche Regelung: Verzicht auf PreisabredenBerner Submissionskartell17.1.00 bis ? (hängig)Unzulässige PreisabredenSBB23.02.00 bis ? (hängig)Missbrauch marktbeherrschender Stellung im SchienengüterverkehrÄrzte Kanton Zürich3.5.00 bis ? (hängig)Unzulässige Preisabreden (Privatärztetarife)Benzinmarkt3.5.00 bis ? (hängig)Unzulässige Preisabreden, ev. unzulässige Verhaltensweisen marktbeherrschender UnternehmenZusatzversicherungen Kanton Aargau15.5.00 bis ? (hängig)Unzulässige Preisabreden zwischen KrankenkassenMobilfunkmarkt15.5.00 bis ? (hängig)Unzulässiges kollusives VerhaltenVertrieb von Tierarzneimitteln25.5.00 bis ? (hängig)Unzulässige exklusive VertriebsabredenFreiburger Elektrizitätswerke14.6.00 bis 5.3.01Unzulässige Verweigerung der Durchleitung von Strom / Verfügung: Missbrauch einer marktbeherrschenden StellungElektra Baselland4.8.00 bis ? (hängig)Unzulässige Verweigerung der Durchleitung von StromService intercommunal d’électricité de Renens7.9.00 bis ? (hängig)Unzulässige Verweigerung der Durchleitung von StromFeldschlösschen/Coca Cola20.11.00 bis ?(hängig)Missbrauch marktbeherrschender Stellung in Getränkevertrieb

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Der Präsident der Wettbewerbskommission (Weko) will bei Kartellen nicht nur sanft ermahnen, sondern büssen können. Alles andere bringe nichts, sagt Professor Roland von Büren im Interview mit Moneycab.

Moneycab: Kürzlich forderte der Internationale Währungsfonds IWF eine Verschärfung des Wettbewerbsrechts. Stärkt er Ihnen damit den Rücken?
Roland von Büren: Auf jeden Fall. Der IWF beobachtet die Wirtschaftspolitik verschiedenster Länder. Nach ihren Erfahrungen ist es tatsächlich so, dass nur ein wirklich scharfes Kartellrecht genügend abschreckende Wirkung gegen Wettbewerbsbeschränkungen hat.

Sie setzen sich vehement für die Einführung von Bussen ein. Müssten Sie in diesem politischen Prozess nicht Neutralität wahren?
Wir müssen zwischen der Meinungsbildungs- und der Gesetzgebungsphase unterscheiden. In der Meinungsbildungsphase ist es angebracht, dass auch die Weko ihre Meinung äussert, denn sie ist die Fachbehörde für Wettbewerbsfragen. Sie kennt die internationalen Entwicklungen und ist am besten in der Lage, aus Sicht des Wettbewerbsrechts zu argumentieren. In der Gesetzgebungsphase äussert sich die Weko nicht mehr. Es ist dann Aufgabe des Parlaments zu entscheiden, ob es direkte Sanktionen in das Kartellgesetz aufnehmen will oder nicht.

Wie gross ist der volkswirtschaftliche Schaden durch unerlaubte Absprachen in der Schweiz?
Dies lässt sich wohl kaum beziffern. Tatsache ist aber, dass Preis-, Mengen- oder Gebietsabrede zwischen direkten Konkurrenten und der Missbrauch marktbeherrschender Stellungen zu höheren Preisen als unter Wettbewerbsbedingungen führen. Diese «Kartellrente» wird von den Konsumentinnen und Konsumenten bezahlt. Aufgabe der Weko ist es, die Abschöpfung solcher Kartellrenten zu Lasten der Konsumentinnen und Konsumenten zu unterbinden oder zu verhindern.

Welche Instrumente sind dafür nötig?
Am dringendsten ist die Einführung direkter Sanktionen für harte Kartelle und für den Missbrauch marktbeherrschender Stellungen. In diesen Bereichen wirkt das heutige Kartellgesetz noch zu wenig präventiv.

Doch die Wirtschaft hat bereits vehement Widerstand signalisiert.
Im Moment wird an der Botschaft an das Parlament gearbeitet. Was den Widerstand der Wirtschaft anbelangt, so war dieser in der Tat vielfältig. Insbesondere wurde die Verfassungsmässigkeit direkter Sanktionen stark in Frage gestellt. Gemäss ersten Aussagen von Experten ist die Verfassungsmässigkeit jedoch offensichtlich gegeben. Damit dürfte der Widerstand abzubröckeln beginnen.

Sehen Sie Chancen, dass Ihre Anliegen durchkommen?
Erstens sind es nicht nur die Anliegen der Weko, sondern primär diejenigen unseres Wirtschaftsministers, Bundesrat Pascal Couchepin. Er hat die Revision des Kartellgesetzes ins Rollen gebracht. Was die Chancen anbelangt, so bin ich zuversichtlich. Der Entscheid obliegt jedoch dem Parlament.

Wann wird die Verschärfung des Kartellgesetzes in Kraft treten können?
Soweit ich informiert bin, sollte das revidierte Kartellgesetz auf Anfang 2003 in Kraft treten können, wenn ihm das Parlament zustimmt.Ein Mann der WirtschaftRoland von Büren (57) schloss 1971 sein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Bern mit dem Doktorat ab. Dann trat er in die Rechtsabteilung von Sandoz ein, für die er in der Schweiz, den USA und Frankreich tätig war. 1988 wurde er zum Mitglied der Geschäftsleitung der Sandoz Ernährung ernannt. Insgesamt arbeitete von Büren über zwanzig Jahre für Sandoz und ihre Tochter Wander. Der heutige Clariant-Präsident Rolf Schweizer war jahrelang sein Vorgesetzter gewesen.
1991 wurde von Büren Honorarprofessor an der Uni Bern, wo er 1998 zum Ordinarius für Handels-, Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht berufen wurde. Seit dem 1. Juli 1998 ist er Präsident der Eidgenössischen Wettbewerbskommission. Seit 1997 ist er Verwaltungsrats-Präsident der Berner Regionalbankengruppe Valiant.
Der Arbeitersohn aus der Innerschweiz ist verheiratet. Madeleine und Roland von Büren sind Eltern von drei Kindern.

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