Edgar Rappold, CEO Winterthur Technologie: Steigende Treibstoffpreise erhöhen die Nachfrage nach präzisen Getrieberädern

Von André Schäppi


Moneycab: Herr Rappold, der Aktienkurs der Winterthur Technologie ist seit Anfang Oktober von 38 Franken auf rund 34 Franken Ende Oktober abgesackt. Beunruhigt Sie das?


Edgar Rappold: Nein, das tut es nicht. Zwei Bemerkungen dazu: Für Small und Mid Caps war der Oktober ein schlechter Monat, was auch der SPI Extra-Index zeigt, der genau 4,6 Prozent gesunken ist. Das entspricht etwa dem Kursverlust, den wir haben. Der zweite Punkt ist folgender: Anfang Oktober musste eine Grossbank für einen Klienten kurzfristig ein Paket von 30’000 Aktien veräussern. Durch die Kurzfristigkeit der Aktion konnte die Bank den Verkauf marktpolitisch nicht anders steuern, was zu diesem Kursrückgang beigetragen hat.


Keine Reaktionen von Investoren?


Doch, Banken haben nachgefragt und dieselbe Antwort erhalten.


Wie ist aktuell das Interesse an Winterthur Technologie seitens Investoren?


Es besteht nach wie vor ein reges Interesse an Winterthur Technologie. Aufgrund der Namensaktien sehen wir zudem, dass wir ein qualitativ hervorragendes Aktionariat haben, das sich wenig ändert. Rund 2/3 der Aktionäre kennen wir. Gewisse grosse Aktionäre wie etwa die UBS kaufen von Zeit zu Zeit zu, was das langfristige Engagement unterstreicht.
Auf der anderen Seite wird der Free Float durch dieses feste Engagement natürlich reduziert., was den Handel einschränkt. Aber alles in allem sind wir mit der jetzigen Situation zufrieden.


«Wir wollen qualitativ wachsen»   Edgar Rappold, CEO Winterthur Technologie


Das Wachstum des Weltautomobilmarkts von gut 5 Prozent im vergangenen Jahr wird sich nicht fortsetzen, sondern abschwächen. Der US-Markt stagniert, auch in Westeuropa sind keine grossen Impulse zu erwarten. Mit 42 Prozent des Umsatzes im Automobilsektor dürfte Winterthur Technologie diese Abschwächung doch zu spüren bekommen.


Wir hatten ein gutes vergangenes Jahr und erwarten auch für das kommende Jahr Wachstum. Und was das zyklische Verhalten der Branche betrifft: Wir haben gute Karten, denn die Schleifarbeit am Auto steht in engem Zusammenhang mit den Treibstoffpreisen. Steigen die Benzin- und Dieselkosten, so entsteht eine erhöhte Nachfrage nach präzisen Getrieberädern, durch die sich Verluste minimieren lassen. Hier besteht ein grosses Potenzial, denn einerseits werden beispielsweise bei den Amerikanern noch viele Teile geschabt, was zu ungenaueren Produkten führt. Andererseits erzeugt der Trend zu immer höherstufigen Automatikgetrieben ebenfalls die Nachfrage nach präzisen Getriebeteilen.


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Das heisst, die Nachfrage in USA steigt?


Ja, sie ist stark steigend, gerade aus den obengenannten Gründen. So will ein bedeutender Hersteller bereits ab 2008 jährlich eine Million Automatikgetriebe mit sechs Gängen produzieren, ab 2010 drei Millionen. Und da möchten wir mit unseren Produkten gerne partizipieren.


Wie beurteilen Sie die Aussichten für Ihr zweitwichtigstes Segment, die Stahlindustrie?


Im Moment sehen wir zwar einen Abbau von bestehenden Stahllagern, was zu einem Nachfragerückgang führt. Aber beim für uns relevanten rostfreien Stahl steigt die Nachfrage, denn es gibt viele Anwendungen, in denen herkömmlicher Stahl wegen Korrosionsproblemen durch diese Qualität ersetzt wird. Als Beispiel dafür könnte man den Brückenbau nehmen, bei dem der Einsatz von rostfreiem Stahl zu tieferen Unterhalts- respektive Reparaturkosten führen kann. Wir rechnen damit, dass die Nachfrage 2006 für rostfreien Stahl um bis zu sieben Prozent steigen wird und sind überzeugt, dass wir an diesem Wachstum teilhaben werden.


Werden aufgrund der aktuellen Bestellungseingänge die Ziele für das laufende Jahr, eine Umsatzsteigerung von 8 bis 9 Prozent, erreicht werden können?


Wir haben eine guten Auftragseingang mit einen Book-to-Bill-Verhältnis grösser eins, also immer noch mehr Auftragseingang als Auslieferung. Ich denke, dass wir dieses Ziel erreichen werden.


Liegen sie im oberen oder unteren Bereich?


Eher bei den acht Prozent, aber immer noch komfortabel darüber.


Winterthur Technologie möchte extern wachsen und führt deshalb wie, früher bekannt gegeben, laufend intensive Gespräche, die offensichtlich doch recht langwierig sind. Welchen Zeithorizont hat man sich für eine erste Akquisition gesetzt?


Ich rechen schon mit zwei Jahren. Für uns geht es ja darum, qualitativ zu wachsen. Deshalb lassen wir uns da auch Zeit.


Aber Ihre Mitbewerber werden sich ja wohl auch umschauen.


Natürlich, aber wir haben den Vorteil, dass wir durch unsere Grösse vertrauenserweckender als grosse Mitbewerber sind. Meistens sind es ja Familienunternehmen, zu denen sich aus den verschiedensten Gründen ein Kontakt ergibt, etwa wegen einer Nachfolgeregelung. Und gerade derartige Firmen sind an einer langfristigen Sicherung des Bestandes interessiert.


In welche Richtung zielt denn eine Akquisition?


Es sollten Technologien oder Produktlinien sein, in denen wir uns verstärken können oder die unsere Aktivitäten ergänzen. Wir denken etwa an Superabrasives, also Diamanten- und CBN-Werkzeuge.


Winterthur Technologie will in neue Marktregionen vorstossen. Ein erklärtes Ziel ist der russische Markt. Erste Erfolge können vorgewiesen werden. Die Gründung der russischen Niederlassung ist auf den Herbst dieses Jahres terminiert. Wie weit ist man damit?


Ende November wird die juristische Person gegründet und operativ werden wir Anfangs Januar aktiv. Aber wir haben heute bereits grössere Aufträge, die wir mit unseren Technikern bearbeiten.


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Welches Potenzial hat der russische Markt?


Wir würden uns freuen, wenn wir in drei Jahren eine Million Euro Umsatz machen würden. Das sehen wir als durchaus realistisch an.


Hohe Produktinnovation, schnelle Umsetzungen. Ist das das Erfolgsrezept der Winterthur Technologie?


Ich würde sagen, das ist ein Teil davon. Ein anderer ist sind die intensiven Partnerschaften mit der schweizerischen Schleifwerkzeugmaschinen-Industrie, denn die Schweiz hat ja die grösste Dichte in der Schleifwerkzeugmaschinen-Industrie. Dazu kommt die Anwendungstechnik und die Software für Optimierungen. Mit diesen Elementen können wir die Kunden begeistern.


Nanotechnologie ist in aller Munde und auch die Winterthur Technologie hat bereits ein neuartiges Schleifwerkzeug mit nanoskaligen Bindungssystemen. Können Sie kurz erklären, worum es sich handelt?


Nanotechnologie bedeutet für uns einen Bereich von 100 bis 300 Tausendstel Mikrometern, im Gegensatz zur Elektronikindustrie, wo es oft um wenige Tausendstel Mikrometer geht. Wir sehen in der Anwendung dieser Technologie für unsere Produkte verschiedene Vorteile. Ein erstes Produkt aus diesem Bereich stellt NanoWin dar, mit dem Schleifbrand verhindert werden kann. Schleifbrand nimmt eine zentrale Rolle beim Schleifen ein, denn er verursacht hohe Folgekosten. Ausserdem wird das Verschweissen von Spänen gemindert und der Schleifprozess kontrollierbar gemacht – was die anteiligen Schleifkosten auf breiter Front reduziert und die Standzeit von Abrichtwerkzeugen verbessert.


Die durch den Einsatz von Nanotechnologie entwickelten neuartigen Bindungssysteme erlauben einen Quantensprung in der Schleiftechnologie. Ist damit zu rechnen, dass demnächst weitere Produkte folgen?


Ja, das ist so. Bereits nächstes Jahr kommt ein neues Produkt aus dieser Familie auf den Markt. Es handelt sich um eine Glaskeramik, die 25 Prozent weniger Bindungswerkstoff für die Schleifscheibe braucht. Trotzdem haben wir bei der Festigkeit keine Einbussen. Wir steigern also laufend die Qualität und Festigkeit bei den Produkten.




Zur Person
Edgar F. Rappold, geboren 1946 in Wien, ist schweizerisch-österreichischer Doppelbürger. Nach dem Studium der Chemie an der ETH Zürich und in Padua gründete er ein Industrieberatungsbüro, während er noch einen Lehrgang als Master of Business Administration absolvierte. 1985 übernahm er die Rappold Schleifmittel Industrie, Österreich. 1992 kaufte er WST Winterthur Schleiftechnik, 1999 folgte die Integration der schwedischen SlipNaxos; dazu kamen weitere Akquisitionen und die Gründung von Tochtergesellschaften; so entstand unter seiner Federführung die heutige Winterthur Technologie Gruppe. Rappold ist Beirat der Bank Austria-Creditanstalt und trägt den Titel eines Kommerzialrates. Rappold ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Das Unternehmen
Winterthur Technologie AG ist einer der führenden europäischen Hersteller von hochwertigen Präzisionsschleifscheiben für industrielle Anwendungen, die vorwiegend in der Automobil- und Stahlindustrie eingesetzt werden. Das Unternehmen ist in allen relevanten Märkten Europas, aber auch in Nord- und Südamerika sowie in Asien mit seinen Vertriebsorganisationen und seinen Produkten präsent. Hergestellt werden keramische Schleifscheiben, kunstharzgebundene Schleifscheiben, Trennschleifscheiben sowie superharte Schleifwerkzeuge aus Diamant und kubischem Bornitrid.
Die Winterthur Technologie AG besteht aus drei operative Betriebe in Österreich, der Schweiz und Schweden sowie Verkaufsniederlassungen in Europa und USA. Mit rund 580 Mitarbeitern erwirtschaftete das Unternehmen im Jahr 2004 einen Umsatz von 72,4 Millionen Euro.

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