Eric Nussbaumer, Geschäftsführer ADEV Energiegenossenschaft: «Die Energiefrage ist eine der wichtigsten Fragestellungen für die ganze Menschheit»

Eric Nussbaumer, Geschäftsführer ADEV Energiegenossenschaft: «Die Energiefrage ist eine der wichtigsten Fragestellungen für die ganze Menschheit»

von Patrick Gunti


Herr Nussbaumer, die ADEV (Arbeitsgemeinschaft für dezentrale Energieversorgung) Gruppe gilt als Werk von Alternativenergie-Pionieren. Mit welchem Hintergrund wurde die ADEV 1985 gegründet?


Die Gründer wollten aufzeigen, dass für die Entwicklung von Alternativenergieanlagen nicht noch mehr Studien nötig sind, sondern dass es die konkrete Anwendung und das konkrete Investment im Markt braucht. Dies war auch im Umfeld der energiepolitischen Debatte um die Atomenergie ein wichtiger und konkreter Schritt.


Sie sind seit 1988 ADEV-Geschäftsführer und kennen die Energiegenossenschaft bis ins Detail. Wie hat sie sich in den letzten 22 Jahren entwickelt – welche Bilanz können Sie heute ziehen?


Wir sind von einem Genossenschaftsbetrieb mit vorwiegend ideeller Zielsetzung zu einer kleinen, publikumsgeöffneten Firmengruppe gewachsen, welche heute die gesellschaftlichen und ökonomischen Ziele gut vereint. Die Rahmenbedingungen des Stromverkaufs haben sich in all den Jahren langsam, aber Schritt für Schritt verbessert. Heute können dezentrale Stromproduktionsanlagen in die Wirtschaftlichkeit geführt werden.


«Wir produzieren heute rund 15 Mio. Kilowattstunden Elektrizität – genug für den Haushaltstromverbrauch einer Stadt mit 15’000 Einwohnern.» (Eric Nussbaumer, Geschäftsführer ADEV)


In der ADEV-Gruppe zusammengefasst sind neben der ADEV Energiegenossenschaft die ADEV Wasserkraftwerk AG, die ADEV Solarstrom AG und die ADEV Windkraft AG. Welche Dienstleistungen bieten die drei Unternehmen an?


Diese drei Unternehmen sind publikumsgeöffnete Betreibergesellschaften für die jeweils angesprochene Technologie. Die Unternehmen planen , bauen und betreiben Solarkraftwerke, Windkraftwerke und Kleinwasserkraftwerke. Der produzierte Strom wird den Verteilnetzbetreibern in der Schweiz und in Deutschland verkauft. Die ADEV Energiegenossenschaft ist das Stammhaus und erbringt alle Managementaufgaben.


Wie viele Anlagen sind heute in Betrieb und wie viel Strom produzieren diese?


Wir produzieren den Strom in über 50 Anlagen. Am meisten Strom produzieren die Kleinwasserkraftwerke mit rund 58%, aus Windstrom kommen 24%. Der Rest kommt aus Solarstromanlagen und Blockheizkraftwerken. Wir produzieren heute rund 15 Mio. Kilowattstunden Elektrizität – genug für den Haushaltstromverbrauch einer Stadt mit 15’000 Einwohnern.


Wer sind Ihre Kunden?


Soweit wir nur Strom produzieren, sind unsere Kunden grösstenteils die Elektrizitätsnetzbetreiber. Diese wiederum beliefern mit unserem Strom die Endkunden. Den Umweltmehrwert der ökologischen Stromproduktion verkaufen wir auch direkt an Endkunden. Im Bereich des Wärmeverkaufs aus Holzenergie- und Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen (Wärmecontracting) sind es die Endkunden im Nahwärmeverbund. Dazu gehören private Hauseigentümer, Dienstleistungsunternehmen und die öffentliche Hand.


Wie hat sich das Geschäft im vergangenen Jahr entwickelt?


Die gesamte Gruppe erreicht einen Umsatz von etwa 4,5 Mio. Franken. Der Gewinn wird nicht konsolidiert ausgewiesen, sondern für jede Aktiengesellschaft und das Stammhaus alleine. Während die Windkraft AG ausgeglichene Ergebnisse erreicht, erzielen die Solarstrom AG und die ADEV Wasserkraftwerke AG einen Reingewinn von ca. 0,1 Mio. Franken. Das grösste Wachstum erfährt zurzeit die Solarstrombranche.


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ADEV bietet den Mehrwert der sauberen, eigenen Stromproduktion in Form von Zertifikaten am Markt an. Was passiert mit dem Erlös des Kaufs von ADEV-Ökostrom?


Jeder Kunde der Ökostrom kauft, fördert konkret die Stromproduktion in diesen sauberen, umweltfreundlichen Kraftwerken. Das ist bei der ADEV so, das ist aber auch bei jedem Elektrizitätswerk so. Bei uns weiss man einfach, dass wir nur erneuerbare Energien voranbringen und nicht mit der anderen Hand noch ein bisschen im Atomenergiehandel tätig sind. Der Kauf von Ökostrom wird zusätzlich mit qualitativen Verbesserungen im Umfeld der Kraftwerke verbunden. Gemäss den Vorgaben des Qualitätslabels naturemade star investieren wir einen Teil der Ökostromeinnahmen in ökologische Verbesserungen bei Kleinwasserkraftwerken.


Die Idee entstand vor über 20 Jahren – die Umsetzung war nur dank ökologischorientierten Kapitalgebern möglich. Heute hat die Angst vor dem Klimawandel umweltschonende Energieformen zum Dauerthema gemacht. Wie sehen Sie diese Entwicklung?


Die Energiefrage ist eine der wichtigsten Fragestellungen für die ganze Menschheit. Technologisch sind wir in der Lage, vollständig auf erneuerbare Energien zu setzen, ohne dass die Lichter ausgehen und ohne dass das wirtschaftliche Wachstum gebremst würde. Es ist nur die Frage, wie schnell wir die Rahmenbedingungen für diese Anwendungen verbessern. Hier ist die Politik, lokal wie auch global leider zu langsam oder all zu stark von nicht hinterfragten Sachzwängen geleitet.


Glauben Sie, dass dieser Trend zur Nachhaltigkeit auch selber nachhaltig sein wird?


Die Entwicklung zu mehr Erneuerbaren Energien und zu mehr Energieeffizienz ist nicht mehr zu stoppen.


«Technologisch sind wir in der Lage, vollständig auf erneuerbare Energien zu setzen, ohne dass die Lichter ausgehen und ohne dass das wirtschaftliche Wachstum gebremst würde.» (Eric Nussbaumer)


Welcher alternativen Energieproduktion geben Sie die besten Chancen?


Global wir die Windenergie und die Biomasse in den nächsten Jahren bedeutend sein. Über den langen Zeithorizont wird es die Sonnenenergienutzung sein.


Das revidierte Energiegesetz, das Anfang 2008 in Kraft treten soll, sieht vor, Energieerzeugung aus regenerierbaren Quellen mit jährlich 320 Mio. Franken zu fördern. Was sagen Sie zur Gesetzesanpassung und welche Auswirkungen hat diese auf die ADEV?


Die Gesetzesanpassung ist ein erster kleiner Schritt. Medial ist das sehr hochgejubelt worden, aber wir liegen mit diesen Rahmenbedingungen immer noch weit hinter den Nachbarländern zurück. Für die ADEV und unsere Anleger ergeben sich verlässlichere Rahmenbedingungen, die Investitionssicherheit wurde erhöht.


Wie stellen Sie sich zur Diskussion um neue Atomkraftwerke?


Atomkraftwerke bergen Risiken, die keine Versicherungsgesellschaft versichert. Das sagt alles. Eine Technologie, welche im grösstmöglichen Schadenfall unsere Lebensgrundlagen zerstört, sollte man nicht weiter anwenden. Und es ist klar: Der Ausstieg aus der Atomenergie ist technologisch und wirtschaftsverträglich machbar.


Herr Nussbaumer, besten Dank für das Interview.


 

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