EZB sendet starke Signale für Zinserhöhung bereits im Juli

Diese Meinung vertritt Commerzbank-Experte Michael Schubert. Zwar werde die Notenbank noch den nächsten Monat abwarten und schauen, ob sich die Konjunkturaussichten dramatisch eintrüben. Allerdings dürften die Inflationsrisiken nochmals zunehmen, weswegen von einem schnellen Zinsschritt auszugehen sei. Verhaltener als Schubert zeigte sich indes DekaBank-Chefvolkswirt, Ulrich Kater. «Die verschärften Aussagen von EZB-Präsident Trichet sind Teil der Kommunikationsstrategie.» Eine Leitzinserhöhung bereits im Juli sei unwahrscheinlich. Auch würde ein späterer Zinsschritt die Glaubwürdigkeit der EZB noch nicht gefährden. Sollten jedoch weitere negative Überraschungen von der Inflationsseite kommen, sei durchaus eine baldige Zinserhöhung möglich.


EZB in «erhöhter Alarmbereitschaft»
Laut EZB-Präsident Trichet befindet sich die europäische Notenbank wegen der anhaltend hohen Teuerung im Währungsraum in einem Zustand «erhöhter Alarmbereitschaft». Die EZB werde entschlossen und zeitnah handeln, um Preisstabilität im Währungsraum zu gewährleisten. Eine Zinserhöhung bei der nächsten Sitzung im Juli sei durchaus möglich, unterstrich Trichet mit ungewöhnlich direkten Worten. Gleichwohl betonte er, dass eine Zinserhöhung noch keine ausgemachte Sache sei. Der EZB-Rat werde wie immer zu gegebener Zeit auf Basis vorliegender Daten seine Entscheidung treffen. Zuvor hatte die EZB den Leitzins wie von Experten erwartet unverändert bei 4,0 Prozent belassen.


Bereits auf der jüngsten Sitzung des EZB-Rats hätten sich einige Ratsmitglieder für eine Zinserhöhung ausgesprochen, sagte Trichet. Nach Einschätzung von HSBC-Experte Rainer Sartoris ist dies ein Hinweis darauf, dass im EZB-Rat derzeit zwei Lager existieren: Befürworter von Zinserhöhungen einerseits und eher abgeneigte Ratsmitglieder andererseits. «Nach den Worten Trichets dürfte die EZB aber nicht mehr so leicht aus der Zinserhöhungsecke herauskommen», sagte Sartoris.


Neue Projektionen unterstreichen Bild
Laut Trichet haben sich die Risiken für die Preisstabilität im Euroraum zuletzt weiter erhöht und sind nach wie vor klar aufwärts gerichtet. So sollte die Inflationsrate – die im Mai auf einen Rekordstand von 3,6 Prozent gestiegen war – im weiteren Jahresverlauf deutlich erhöht bleiben und erst im kommenden Jahr moderat zurückgehen. Die EZB werde entschlossen und zeitnah handeln, um Preisstabilität im Währungsraum zu gewährleisten. Man werde alle Entwicklungen «sehr genau» beobachten.


Auch die jüngsten Projektionen der EZB für Inflation und Wachstum unterstreichen das von Trichet gezeichnete Bild. So geht die Notenbank für das laufende Jahr von einer Inflation von durchschnittlich 3,4 Prozent aus, nachdem bislang eine Rate von 2,9 Prozent angenommen wurde. Auch für das kommende Jahr wurde die Inflationsprognose von 2,1 auf 2,4 Prozent angehoben. Die Wachstumsprognose für den Euroraum wurde für 2008 leicht erhöht, für 2009 indes reduziert.


Experten überrascht – deutliche Finanzmarktreaktionen
Experten zeigten sich ob der deutlichen Worte Trichets überrascht. «‹Wir waren sichtlich überrascht über die Deutlichkeit der Ausführungen Trichets», sagte HSBC-Experte Rainer Sartoris. Allerdings sei die Ankündigung in gewisser Hinsicht auch logisch gewesen. So unterscheide die EZB offensichtlich zwischen kurzfristigen Risiken wie Verspannungen am Geldmarkt und mittel- bis langfristigen Problemen wie erhöhter Inflationserwartungen. Auch Postbank-Chefvolkswirt, Marco Bargel, zeigte sich überrascht. Nach seiner Einschätzung wäre eine schnelle Zinserhöhung wegen ungünstiger Konjunkturdaten in wichtigen Euroraum-Staaten und den anhaltenden Spannungen an den Finanzmärkten «nicht ganz verständlich».


Die Reaktionen an den Finanzmärkten auf die Worte Trichets waren deutlich: So sprang der Eurokurs zeitweise um über eineinhalb Cent auf bis zu 1,5563 Dollar nach oben. Die Ölpreise legten wegen der zwischenzeitlich kräftigen Dollarverluste zeitweise um über zwei Dollar zu. Die deutschen Staatsanleihen mussten unterdessen merkliche Kursverluste hinnehmen. Auch der deutsche Aktienmarkt reagierte negativ und drehte ins Minus. (awp/mc/pg)

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