Finanzkrise: Deutsche Regierung sieht Lage als hoch gefährlich

Nach Überzeugung Steinbrücks (SPD) reicht eine «singuläre Lösung» wie bei der ins Trudeln geratenen Hypo Real Estate (HRE) zur längerfristigen Stabilisierung der deutschen Finanzmärkte nicht aus. Voraussichtlich notwendig werde ein bundesweites Sicherungssystem. Einzelheiten für einen solchen «Plan B» wollte er aber nicht nennen. Kurzfristig machbar seien aber neue Bilanzierungsvorschriften für deutsche Unternehmen nach dem Vorbild der USA. Die von ihm und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) abgegebene Komplettgarantie für private Spareinlagen nannte Steinbrück ein Signal, um zur Beruhigung beizutragen. Man habe vermeiden wollen, dass Bankkunden ihre Guthaben kurzfristig abheben «und unter die Matratze» legen.


Beleihung von Wertpapieren
Nach Angaben des Ministers wird die deutsche Finanzwirtschaft das jetzt aufgestockte Rettungspaket für die HRE vor allem durch Beleihung von solchen Wertpapieren finanzieren, die bislang nicht von Notenbanken akzeptiert wurden. Die Europäische Zentralbank (EZB) habe sich bereit erklärt, über diesen Weg die Liquidität wieder auszuweiten. Niemand könne allerdings vorhersagen, welche Erlöse diese Papiere tatsächlich erbringen. Steinbrück bezeichnete es als beunruhigend, dass selbst Turbulenzen bei isländischen Banken inzwischen Auswirkungen in Deutschland hätten. Dies habe er sich vor einer Woche noch nicht vorstellen können.


Breitseite gegen HRE-Management
Scharfe Kritik übte Steinbrück erneut am Management des Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate (HRE). Er bezeichnete es als «ungeheuerlich», dass ausgerechnet eine Bank, die vom Staat gestützt werden müsse, sich über Anwälte an die Bundesregierung wende, um sich ihrer Verantwortung zu entziehen. «Das prägt», betonte der Finanzminister.


«Dicker Hals»
Er bekomme einen «dicken Hals», wenn nun der Politik die ganze Schuld zugeschoben werden solle und Politiker als «Idioten» dargestellt würden. Die erneute Zuspitzung am zurückliegenden Wochenende liege in der alleinigen Verantwortung der HRE-Spitze, die mit «zu optimistischen Annahmen» die neue Krise ausgelöst habe. Ebenso wie Merkel und Bundesbankpräsident Axel Weber habe er erst am Samstagabend von der neuen Entwicklung erfahren.


Funke vor Absetzung?
Nach der Aufstockung des Rettungspakets muss HRE-Vorstandschef Georg Funke Kreisen zufolge um seinen Chefposten bangen. Der Abgang Funkes sei angesichts der massiven Rücktrittsforderungen wohl nur eine Frage der Zeit, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur (dpa) in Finanzkreisen. «Wenn die Politik seinen Kopf fordert, wird man dem langfristig nachkommen müssen», hiess es.


«Extremes Krisenmanagement gefragt»
Zunächst habe der Aufsichtsrat an Funke festgehalten, um nicht noch mehr Unruhe in das Unternehmen zu bringen. «Im Moment ist extremes Krisenmanagement gefragt.» Es sei zudem schwierig, kurzfristig Ersatz für Funke zu finden. Neben Funke steht auch Aufsichtsratschef Kurt Viermetz wegen des finanziellen Desasters bei dem Konzern in der Kritik. Der Konzern äusserte sich am Montag nicht dazu.


Briten nach deutscher Garantie-Ankündigung unter Druck
Nachdem die Bundesregierung eine Komplettgarantie für private Spareinlagen in Aussicht gestellt hat, ist der Druck auf die britische Regierung gewachsen. Die Opposition in London betonte, Grossbritannien stehe nun unter Zugzwang, einen ähnlichen Schritt zu machen. Medien berichteten unterdessen am Montag, dass Grossbritannien in Erwägung ziehe, mit Steuergeldern eine Beteiligung an angeschlagenen Banken zu kaufen, um das System wieder zum Laufen zu bringen.


«Gemeinsamer europäischer Ansatz»
«Deutschland ist Europas wirtschaftliche Supermacht. Wo sie anführen, sind andere verpflichtet, zu folgen», sagte der Chef der Liberaldemokraten, Nick Clegg, am Sonntag. Schon Irlands Entscheidung, für alle Einlagen der grossen Banken des Landes zu bürgen, mache einen «gemeinsamen europäischen Ansatz» notwendig. «Deutschlands Entscheidung, macht dass vollkommen unvermeidlich.» Finanzminister Alistair Darling hatte zuvor erklärt, bereit für «ziemliche grosse Schritte» zu sein, die «in normalen Zeiten» nicht gemacht würden, um wieder Vertrauen in das Bankensystem herzustellen.


EU begrüsst deutsche Garantie für private Spareinlagen
Die Europäische Kommission hat die deutsche Ankündigung einer Komplettgarantie für private Spareinlagen grundsätzlich begrüsst. «Sie scheinen sich auf private Einlagen zu beschränken», sagte ein Sprecher von EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes am Montag in Brüssel. «Das kann eine angemessene Antwort der Politik sein.» Details erwarte die Kommission auch von den Regierungen Dänemarks und Österreichs. Zurückhaltend äusserte sich der Sprecher weiter zu der umstrittenen Vollgarantie der irischen Regierung. «Sie geht über private Spareinlagen hinaus», sagte er. So sollten auch ausländische Banken, die auf dem irischen Markt präsent sein, einbezogen werden. (awp/mc/ps/20)

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