G20: Obama knickt im Handelsstreit ein

Beim Treffen der stärksten Wirtschaftsmächte (G20) am Donnerstag in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul musste sich Obama mit einer Absichtserklärung begnügen, dass das Problem zu einem noch unbestimmten Zeitpunkt ernsthaft angepackt wird. «Wir können über Ungleichgewichte auf der Welt sprechen. Aber wir können dafür nicht die Differenz aus Export und Import nehmen», sagte Merkel zum Auftakt des zweitägigen Treffens. In den nächsten Monaten soll eine Art Frühwarnsystem installiert werden, um rechtzeitig gegen übermässige Handels- und Kapitalüberschüsse oder -defizite Massnahmen zu ergreifen.


Merkel setzt sich weitgehend durch
«Was man nicht machen kann, ist, die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes auf eine Zahl zu reduzieren», sagte Merkel. «Das halten wir für (…) nicht zielführend. Und ich glaube, von diesem Ansatz sind jetzt alle auch weg.» Damit hat sich Merkel weitgehend durchgesetzt, die breite Unterstützung in der EU, aber auch bei Ländern wie Brasilien genoss. Laut Merkel muss das Problem nun aus mehreren Perspektiven angegangen werden. Es gehe da beispielsweise um Wechselkurse und die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft auf dem Weltmarkt. Schon bei den ersten Gesprächen vor dem Treffen zeigte sich, dass die USA sich ins Abseits manövriert hatten. Das Anwerfen der Notenpresse durch die US-Notenbank und die Idee einer «Exportbremse» für Deutschland und China stiessen auf massive Kritik. Obama versuchte dennoch, für seine Idee zu werben, dass führende Exportnationen ihren Handelsüberschuss deckeln und stattdessen mehr für die heimische Nachfrage tun müssten.


Politische Festlegung nicht gerechtfertigt
«Eine politische Festlegung von Obergrenzen für Leistungsbilanzüberschüsse oder -defizite (…) ist weder ökonomisch gerechtfertigt noch politisch angemessen», sagte Merkel bei einem G20-«Business Summit» vor 100 Topmanagern aus aller Welt. «Dies wäre unvereinbar mit dem Ziel eines freien Welthandels.» Die EU stützte Merkel im Streit mit den USA. Zwar müsse man Ungleichgewichte in den internationalen Handelsströmen angehen, sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in Seoul. Dies könne aber nicht durch einen «mechanischen Ansatz» geschehen. Obama und Merkel demonstrierten bei einem Treffen vor dem offiziellen Beginn nach aussen hin zwar Harmonie. Doch hinter den Kulissen kämpften die Unterhändler um jedes Wort für die Abschlusserklärung. Die südkoreanischen Gastgeber sprachen von einem zeitweise völligen Stillstand in der Sache.


US-Wachstum gut für die Welt
Obama setzte sich gegen die Kritik zur Wehr. «Das Wichtigste, was die USA für die Weltwirtschaft tun können, ist zu wachsen.» Nach wie vor seien die USA der grösste Markt der Erde. «Länder wie Deutschland profitieren von unserem offenen Markt und davon, dass wir ihre Waren kaufen.» Chinas Staatschef Hu Jintao hoffte auf ein Einlenken der USA und trotz allen Streites auf ein «positives Ergebnis» des Treffens. Peking sei bereit, «mit den USA zusammenzuarbeiten, um Dialog und Zusammenarbeit zu verstärken», sagte er bei einem Treffen mit Obama. Hintergrund der Kritik ist auch der Kauf amerikanischer Staatsanleihen in Höhe von 600 Milliarden Dollar durch die US- Zentralbank.


Brasilien zeigt Verständnis
Brasiliens Finanzminister Guido Mantega zeigte sich verständnislos für die Politik der US-Notenbank. Er fürchtet, dass das billige Geld genutzt wird, um an den Weltbörsen zu spekulieren, statt Arbeitsplätze und Investitionen in den USA zu schaffen. Auch bei Kanzlerin Merkel lässt der Schritt, mit dem die Konjunktur angekurbelt werden soll, die Alarmglocken schrillen. Sie warnte vor neuen Risiken für die Weltwirtschaft. Kein Mensch könne Interesse «an neuen Blasen haben».


Ackermann verteidigt China
Der Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, verteidigte in Seoul Chinas Politik, seine Währung nur langsam aufzuwerten. «China muss man verstehen, die sind in einer Phase des Übergangs zu noch mehr Marktwirtschaft», sagte Ackermann der «Financial Times Deutschland». Die Chinesen würden sich auch nicht zu einer Wechselkurskorrektur drängen lassen. Trotz der Differenzen rechnete Obama mit einer Einigung. Ausdrücklich fügte er hinzu, dass er auch die Zustimmung Merkels erwarte. «Wir werden bei dem Gipfel eine Übereinkunft auf breiter Grundlage aller Länder sehen, einschliesslich Deutschlands.» Diplomaten in Seoul vermuteten, dass der französische Staatschef Nicolas Sarkozy als nächster G20-Präsident eine Arbeitsgruppe für dieses Frühwarnsystem im internationalen Handel einsetzen wird. Die soll dann beim nächsten Gipfel Ergebnisse vorlegen. (awp/mc/ss/30)

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