Gilbert Achermann, CEO Straumann

Von Christa Spoerle


Moneycab: Haben Sie es als bitter empfunden, nach zweistelligen Wachstumsraten ein Umsatzminus von 2% im ersten Quartal 2009 vorlegen zu müssen?


Gilbert Achermann: Dass der Markt für künstlichen Zahnersatz so unmittelbar auf die sich verschlechternde Konsumstimmung reagiert hat, war überraschend und erstmalig. Trotzdem: Wir sind in lokalen Währungen gewachsen, und obschon die Steigerung nur 2 Prozent betrug, haben wir besser als viele unserer Mitbewerber abgeschnitten ? zum Teil um 10 Prozentpunkte ? und ein solides Ergebnis erzielt. Wir sind überzeugt, dass wir aufgrund von Marktanteilsgewinnen und einem breiteren Produktportfolio heute stärker aufgestellt sind denn je. Damit sind wir auf eine Normalisierung der Konjunktur bestens vorbereitet.


Wie stark ist denn das Geschäft von Straumann von Konjunktur und Wechselkursen abhängig?


Der Zahnersatz mit Implantaten wird in der Regel nicht von den Krankenkassen übernommen. Das heisst, Patienten müssen dafür das verfügbare Einkommen verwenden. Im derzeitigen Umfeld hat die Konsumentenstimmung historische Tiefststände erreicht, der Markt ist geprägt von Unsicherheiten bezüglich des eigenen Arbeitsplatzes, die Altersvorsorge und andere Sparguthaben mussten deutliche Rückschläge hinnehmen. Einzelne Patienten verschieben
derzeit nötige Eingriffe, gehen weniger oft zum Zahnarzt oder greifen zu vermeintlich preisgünstigeren Behandlungsalternativen wie Zahnbrücken, auch wenn implantatgetragene Lösungen langfristig die bessere und kostengünstigere Wahl sind. Was die Wechselkurse betrifft, so sitzen wir im selben Boot wie die meisten anderen exportorientierten Schweizer Unternehmen. Straumann macht nur ca. fünf Prozent des Umsatzes in der Schweiz und hat eine stark schweiz-lastige Kostenbasis. Über die Internationalisierung unserer Produktionsstätten federn wir Währungseffekte durch Natural Hedging ab, und Terminkontrakte helfen uns, Wechselkursschwankungen kurzfristig zu glätten.


«Wir halten unsere Augen immer offen, wenn es um Schlüsseltechnologien oder innovative Ergänzungen unseres Portfolios geht.»


Was bestimmt den langfristigen Geschäftstrend?


Mehrere Einflussgrössen bestimmen die Zukunft unseres Geschäfts. Etwa die demographische Entwicklung in den Industrieländern: Immer mehr immer ältere Menschen benötigen hochwertigen Zahnersatz. Oder die zum Teil noch unbedeutende Marktdurchdringung in verschiedenen Schlüsselländern mit absehbar höheren zukünftigen Einkommen, wie etwa die BRIC-Staaten. Auch die zunehmende Akzeptanz von Zahnimplantaten als Standardbehandlung bei Zahnverlust ist ein wichtiger Faktor. Das Geschäft mit CADCAM-Anwendungen wird
zukünftig vermehrt von Kostenüberlegungen bei den Dentaltechnikern bestimmt. Hier haben wir mit der zentralisierten Fertigung von Aufbauten eine zukunftsgerichtete und für die Anwender investitionsfreundliche Lösung.


Straumann will im laufenden Jahr bei stagnierendem Umsatz weitere Marktanteile gewinnen. Wie wollen Sie das erreichen, müssen Sie die Preise senken?


Für uns lautet das Erfolgsrezept: Spitzenleistungen und Kontinuität im Vertrieb sowie Produkte, welche sich im klinischen Einsatz bewähren und den Patienten sowie Kunden einen Mehrwert bieten. Das klingt vielleicht einfach; diese Faktoren aber umzusetzen ist sehr herausfordernd. Unser Anteil an den gesamten Behandlungskosten ist vergleichsweise gering, in der Regel zwischen 15 und 20 Prozent. Die Preise widerspiegeln unsere Anstrengungen in Forschung und Entwicklung sowie den Einsatz hochwertiger Materialien und die zahlreichen Sicherheitskontrollen in der Fertigung, schliesslich stellen wir Medizinaltechnikprodukte her und keine Konsumgüter. Die Zahnärzte wissen sinnvolle Innovationen und unser Qualitätsbewusstsein zu schätzen.


Aber man spricht doch von der grossen Konkurrenz von Billiganbietern, spüren Sie die?


Die Billiganbieter, wie Sie sie nennen, können für Ihre Produkte keine klinischen Daten nachweisen. Ohne klinische Nachweise hat der Kunde weniger Gewissheit über das langfristige Verhalten des Produkts. Im schlimmsten Fall ist das Implantat nur ebenso kurzlebig wie sein Hersteller. Das kann dazu führen, dass bei einer Reparatur aufgrund eines schadhaften Implantats kein Hersteller, keine Werkzeuge und keine Ersatzprodukte mehr vorhanden sind.
Solche Fälle können für den Patienten und meistens auch für den Zahnarzt richtig teuer und sehr unangenehm werden.


Kämen denn auch Akquisitionen noch in Frage?


Wir halten unsere Augen immer offen, wenn es um Schlüsseltechnologien oder innovative Ergänzungen unseres Portfolios geht.


Werden Sie weitere Wertberichtungen im laufenden Jahr vornehmen müssen?


Der grösste Teil des Goodwills wurde im vergangenen Geschäftsjahr abgeschrieben. Unsere Bilanz ist solide.


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Werden Sie, wie angekündigt, die Kurzarbeit Ende Juni aufheben können?


Derzeit ist in der Produktion Kurzarbeit bis September geplant. Für Juli und August beantragen wir keine Kurzarbeitentschädigung, da Ferien bezogen werden. Sollte danach keine Erholung stattfinden, werden wir weiterhin reduzierte Arbeitszeiten in der Produktion führen. Wir hoffen natürlich, so bald als möglich wieder zur Normalität zurückzukehren. Immerhin konnten wir mit dieser Massnahme einen grösseren Arbeitsplatzabbau verhindern und unsere Teams halten. Wenn es mit der Konjunktur wieder aufwärts geht, sind wir so gut positioniert.


Wo liegt Ihr Investitionsschwerpunkt 2009?


Wir werden weiterhin in Forschung und Entwicklung investieren, in neue Technologien und in Produktionsverfahren, die uns Effizienzsteigerungen ohne Qualitätseinschränkungen bringen. Mit der Anpassung unseres Budgets an die Konjunkturentwicklung haben wir uns bewusst auf Massnahmen konzentriert, die uns weiterhin erlauben, erprobte Innovationen auf den Markt zu bringen und unseren Kunden hervorragende Dienstleistungen anzubieten ? schliesslich hängt unser langfristiger Erfolg in hohem Masse von diesen Faktoren ab. Wir haben erst vor kurzem die deutsche IVS gekauft und sind so in das Geschäft mit der geführten Dentalchirurgie eingestiegen. Mit dieser Akquisition und mit unseren CADCAM Lösungen wollen wir ein führender Anbieter für Digital Dentistry sein und die ganze Wertschöpfungskette beim restaurativen Zahnersatz abdecken. Hierfür und bei den regionalen Einführungen unserer neu lancierten Produkte (wie z.B. das neue Keramik-Angebot aus unserer Partnerschaft mit Ivoclar Vivadent) und Dienstleistungen werden wir Ressourcen einsetzen.


«Der grösste Teil des Goodwills wurde im vergangenen Geschäftsjahr abgeschrieben. Unsere
Bilanz ist solide.»


Welche ihrer neuen Produkte würden Sie als die vielversprechendsten einstufen?


Straumann setzt auf ein ausgewogenes Produkte- und Dienstleistungsangebot mit dem Ziel, Ballungen bei Ertrag und Risiko zu vermeiden. Unsere einzigartige SLActive Oberfläche, unser Bone Level Implantat-Portfolio; aber auch Produkte aus den Bereichen CADCAM oder Regeneration bergen noch viel Wachstumspotenzial. Aussagen über die am meisten versprechenden Produkte sind stark abhängig von der geografischen Region. In Asien sind wir weiterhin stark auf Implantate ausgerichtet, unsere anderen Innovationen sind vielerorts noch in der Zulassungsphase.


Wie entwickelt sich die Markteinführung des Hochleistungsmaterials Roxolid? Was sind die wichtigsten Vorteile gegenüber Titan?


Roxolid ist ? wie seine Bezeichnung schon andeutet ? rock solid. Das Material, eine Mischung aus Zirkonium und Titan, ist extrem widerstandsfähig und dauerhaft. Damit lassen sich zum Beispiel auch kleinere Implantate mit hochfesten Eigenschaften herstellen. Ein wichtiger Vorteil wäre, dass sich bisher notwendige Knochenaufbauprozeduren eventuell vermeiden liessen, was letztlich Geld und Zeit spart sowie Schmerzen vermeidet. Roxolid befindet sich zurzeit in klinischen Studien, um unserer Philosophie entsprechend den Behandlungserfolg zu gewährleisten. Vorbehältlich guter Daten werden wir Roxolid im Jahre 2010 breit im Markt
einführen.


Wie gross ist das Marktpotenzial der PEG-Membran zur Knochenregeneration?


Man schätzt, dass rund die Hälfte der Patientinnen und Patienten einen Knochenaufbau benötigt, bevor ein Implantat gesetzt wird. Die Membran wird für die kontrollierte Knochenregeneration eingesetzt und schafft eine Barriere zwischen Weichgewebe und Knochen. Konventionelle Membranen benötigen einen zusätzlichen chirurgischen Eingriff zu deren Entfernung. Unsere Membran wird ? nachdem sie ihre Aufgabe erfüllt hat ? vom Körper resorbiert und spart so Zeit und Kosten. Aufgrund dieser Vorteile sowie der einfachen Handhabung durch den Zahnarzt rechnen wir mit guten Erfolgsaussichten im Markt für regenerative Zahnheilung.


In welchen Regionen orten Sie noch das grösste Nachfragepotenzial?


In Nordamerika; aber auch in Japan ist die Marktdurchdringung im Vergleich zu Europa noch sehr gering. Die Implantologie hat ein hohes Niveau erreicht, und viele Menschen ? besonders ältere Personen ? können und wollen sich eine entsprechende Behandlung leisten. In Ländern wie China oder Indien ist das längerfristige Nachfragepotenzial aufgrund der grossen Bevölkerung und der wachsenden Mittelschicht enorm.






Zur Person:
Gilbert Achermann, Jahrgang 1964, besitzt einen Abschluss als Betriebsökonom der HWV St. Gallen sowie einen Executive MAB der IMD, Lausanne. .Gilbert Achermann kam 1998 als CFO zu Straumann und wurde 2002 zum CEO und zum Präsidenten ernannt.  Zuvor war er während 13 Jahren in den Bereichen Corporate Finance und Investment Banking bei der UBS tätig. Er ist Mitglied des Verwaltungsrats und des Stiftungsrats des unabhängigen akademischen Netzwerks Internationales Team für Implantologie (ITI) sowie des Verwaltungsrats der Straumann Holding AG .


Zum Unternehmen:
Die in Basel beheimatete Straumann Gruppe ist ein weltweit führendes Unternehmen im Bereich des implantatgestützten und restaurativen Zahnersatzes und der oralen Geweberegeneration. Mit mehr als 2200 Beschäftigten erzielte Straumann 2008 einen Umsatz von  780 Mio CHF. Die Produkte und Dienstleistungen werden in mehr als 60 Ländern über eigene Vertriebsgesellschaften und ein breites Netz von Vertriebsunternehmen verkauft. 

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