Guglielmo L. Brentel, Präsident hotelleriesuisse

von Patrick Gunti


Herr Brentel, für die Vergabe von Hotel-Sternen gelten ab 2011 neue Kriterien. hotelleriesuisse verwendet künftig dieselbe Klassifizierung wie sie in sechs europäischen Ländern gilt. Was sind die Vorteile des neuen Systems?


Die länderübergreifenden Richtlinien tragen den Ansprüchen der internationalen Gäste Rechnung und machen die Hotelangebote besser vergleichbar. Durch die Harmonisierung wird die Schweizer Hotelklassifikation auch für ausländische Gäste verständlicher und nachvollziehbarer. Dies ist besonders für die Schweiz mit ihrem heterogenen Hotelangebot von grosser Wichtigkeit. Das neue Bewertungssystem honoriert Innovationen und Zusatzleistungen und ist in vielen Bereichen wie etwa bei den Zimmergrössen flexibler. Bei den Sicherheitsnormen und der Zustandsbewertung gilt dagegen nach wie vor die Null-Toleranz. Ich bin überzeugt: Das ist die beste Hotelklassifikation, die wir je hatten!


In Deutschland ist das System bereits in Kraft. Wurde es einfach übernommen oder zusammen mit den anderen Ländern ausgearbeitet?


Bereits im März 2009 besiegelten hotelleriesuisse, der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) und der österreichische Fachverband Hotellerie eine strategische Partnerschaft mit dem Ziel, die Hotelklassifikationssysteme der drei Länder zu harmonisieren. Gemeinsam legten die Verbände die Eckpfeiler der bevorstehenden Harmonisierung fest. 2009 unterzeichneten die Hotelverbände aus der Schweiz, Österreich, Deutschland, Schweden, den Niederlanden, Tschechien und Ungarn den Rahmenvertrag der «Hotelstars Union» mit dem Ziel, die Normen der länderspezifischen Klassifikationssysteme bestmöglich aufeinander abzustimmen. Grundlage bietet ein gemeinsamer Kriterienkatalog für die Basiskategorien 1- bis 5-Sterne mit Superior sowie Garnihotels in den Kategorien 1- bis 4-Sterne. Gleichzeitig verbleibt jedem Verband ausreichend Gestaltungsraum, innerhalb und ausserhalb des gemeinsamen Kriterienkatalogs weitere Akzente zu setzen und Spezifikationen vorzunehmen.



«…Diese Investitionen sind zumutbar und vor allem notwendig, um die Qualität und damit die Rentabilität der Schweizer Hotellerie weiter zu erhöhen.» Guglielmo L. Brentel, Präsident hotelleriesuisse


Auf welchen Grundlagen basiert das neue Schema?


Die neue Schweizer Hotelklassifikation ist nach wie vor eine Schweizer Lösung, die bewährte Elemente beibehält und neue, zukunftsweisende Elemente integriert. Die eigentliche Revolution findet in den Basiskategorien statt. Hier kommt der harmonisierte Kriterienkatalog zum Tragen, der in einzelnen Punkten an die Schweizer Verhältnisse angepasst wurde. Dabei müssen in jeder Sterne-Kategorie eine bestimmte Anzahl Mindestkriterien erfüllt werden. Gleichzeitig muss der Betrieb pro Kategorie eine bestimmte Anzahl Punkte erreichen, welche er über sogenannte optionale Kriterien erlangen kann. Zu den bewährten und landestypischen Bausteinen der neuen Hotelklassifikation zählt die Sicherheit, die nach wie vor an erster Stelle steht. Ebenso steht die Zustandsbewertung als Eintrittshürde in die gewünschte Kategorie. Spezialisierungskategorien wie «Wellnesshotel», «Seminarhotel» oder «Typically Swiss Hotels» werden weiterhin auf nationaler Ebene definiert.


Welche Erfahrungen hat man in Deutschland gemacht?


Die Erfahrungen sind durchwegs positiv. Und seit der Einführung der neuen Kriterien wurden in Deutschland sogar mehr Hotels klassiert.


Wie verändern sich die Anforderungen, z.B. an ein 1-Sterne-Haus?


In 1-Sterne-Häusern werden Zimmer mit TV sowie WC und Bad oder Dusche Pflicht. Weiter müssen Hotels mit der Kennzeichnung «Superior» nach einer Übergangsfrist über ein stufengerechtes Qualitätsmanagementsystem verfügen. Mit der neuen Hotelklassifikation werden wir aber auch toleranter: So gibt es beispielsweise keine obligatorische Minimalgrösse für Zimmer mehr. Insgesamt erlaubt uns das System, dass wir noch stärker auf die Eigenheiten der einzelnen Betriebe eingehen können und dem Hotelier mehr unternehmerischen Freiraum einräumen.


Die neue Klassifizierung tritt bereits Anfang 2011 in Kraft. Wie lange ist die Übergangsfrist, in der die Hotels Anpassungen vornehmen können?


– TV: bis Ende 2011
– Nasszelle: bis Ende 2013
– QMS Superior: Q 1 bis Ende 2011, Q2 bis Ende 2012 (für 4-Sterne-Hotels), Q3 bis Ende 2012 (für 5-Sterne-Hotels)


Sie zwingen einen Teil Ihrer Mitglieder damit zu Investitionen. Was passiert, wenn diese nicht möglich sind?


Investitionen in die Qualität finden in der Schweizer Hotellerie bereits auf hohem Niveau statt. So sagt die Hochbauprognose von BAK Basel Economics der Branche für das laufende Jahr ein Investitionsvolumen von 1,3 Milliarden Franken und damit einen Zuwachs von 18 Prozent gegenüber dem Vorjahr voraus. Diese Investitionen sind zumutbar und vor allem notwendig, um die Qualität und damit die Rentabilität der Schweizer Hotellerie weiter zu erhöhen. Betriebe wie beispielsweise Berggasthäuser, historische Gebäude oder Hotel mit einer besonderen Ausrichtung, für welche diese Kriterien aus Gästesicht nicht sinnvoll sind, können sich in der neuen Basiskategorie «Swiss Lodge» positionieren.


Das neue Schema wird auch bei den Nobelherbergen zu Veränderungen führen. Wie sind die 5-Sterne-Hotels betroffen?


Hier könnte es vor allem im Bereich der 5-Sterne Superior Kategorie zu Veränderungen kommmen. 5-Sterne-Superior Hotels müssen bis Ende 2013 über ein Qualitätsmanagementsystem analog zum Qualiätsgütesiegel für den Schweizer Tourismus der Stufe drei (entspricht ISO 9001-2008 oder EFQM) erfüllen sowie ein umfassendes Dienstleistungsangebot und makellose Sachleistungen ausweisen, um die notendige Punktezahl zu erreichen.


Es gibt enorm viele Diversifikationen. Ein Hotel spezialisiert sich auf Wellness, ein anderes auf Golfferien, der Businessbereich mit auf Seminare und Konferenzen spezialisierten Häusern ist ebenfalls vertreten. Wie wird der Spezialisierung im neuen Schema Rechnung getragen?


Die Spezialisierungen werden unabhängig von den Normen der Sterneklassifikation überarbeitet und in marktgerechtem Zyklus weiterentwickelt. Von den bisherigen Spezialisierungen sollen nur noch diejenigen weitergeführt werden, die auch tatsächlich marktfähig sind. Konsequent sollen diese dann mit unserem strategischen Partner Schweiz Tourismus vermarktet werden.


«Swiss Lodge», auf jeder Sterne-Stufe der mögliche Zusatz «Superior» für die Klassenbesten, Hotels mit spezieller Ausrichtung werden national bewertet. Verbessert sich mit dem neuen Schema tatsächlich der Durchblick im «Label-Dschungel»?


Das System wird insgesamt einfacher und transparenter. Anstelle von Minimal-, Standard- und Superiornormen kommen für die Sternekategorien neu Mindestkriterien und Punktetotal pro Kategorie zu tragen. Neben den Sternekategorien wird es künftig nur noch eine weitere Basiskategorie geben. Diese sechste Basiskategorie trägt den Namen «Swiss Lodge» und wird ohne Sterne geführt. Auch von den bisher 17 Spezialisierungen sollen nur noch diejenigen weitergeführt werden, die auch tatsächlich marktfähig sind. Dabei soll die Aufteilung dynamischer und verstärkt den Gästebedürfnissen angepasst werden.



«Die Sterneklassifikation dient dem Gast als wichtige Orientierungshilfe und schafft Transparenz und Sicherheit. Für den Hotelier stellt die Klassifikation ein wichtiges Marketinginstrument dar.»&


Wie wichtig sind die Sterne für eine Hotelbuchung überhaupt?


Laut einer Umfrage des Hotelverbands Deutschland ist für Hotelgäste die Sterneklassifikation nach der persönlichen Empfehlung das wichtigste Kriterium beim Buchungsentscheid. Die Sterneklassifikation dient dem Gast als wichtige Orientierungshilfe und schafft Transparenz und Sicherheit. Für den Hotelier stellt die Klassifikation ein wichtiges Marketinginstrument dar. Sie trägt massgeblich zur Positionierung auf dem Markt bei und macht die Qualität und die Leistungen eines Betriebs mess- und vergleichbar.


hotelleriesuisse und Gastrosuisse führen seit Jahren einen «Krieg der Sterne», denn Gastrosuisse will vor allem für Gasthöfe, Pensionen sowie kleine und mittlere Hotels weiterhin eine eigene Klassifizierung. Gastrosuisse wirft Hotelleriesuisse denn auch erneut vor, mit dem neuen Schema Sternensymbole für das eigene Klassifikationssystem zu monopolisieren. Ihre Reaktion?


Für die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Hotellerie ist eine einheitliche Hotelklassifikation als Orientierungsraster für Gäste und Hoteliers absolut zentral. Zwei sich konkurrierende Systeme, die beide Sterne als Kategorisierungs-Symbol verwenden, aber unterschiedliche Kriterien aufweisen, verwässern die seit über 30 Jahre bestehende Schweizer Hotelklassifikation und sorgen für Verwirrung und Intransparenz bei den Gästen wie auch bei den Leistungsträger.


Wäre es nicht möglich gewesen, mit dem neuen Schema eine gemeinsame Basis zu finden?


hotelleriesuisse hat dem Wirteverband verschiedene Angebote für eine Einbindung in die seit 1979 eingeführte Hotelklassifikation unterbreitet – leider immer wieder erfolglos. In erster Linie ist die Ausrichtung der beiden Verbände unterschiedlich, was auch eine gemeinsame Zielsetzung erschwert. GastroSuisse betreibt Verbandspolitik und hat den Fokus seiner Aktivitäten primär auf die Mitglieder ausgerichtet, so nimmt es die Öffentlichkeit wenigstens wahr. hotelleriesuisse dagegen macht Branchenpolitik und ist export- und marktorientiert. Wir setzen uns, unabhängig von der Sternezahl, für die Zukunftssicherung aller qualitativ gut aufgestellten, wettbewerbsfähigen und -willigen Hotels ein.


Abschliessende Frage: Für Gäste aus den Euro-Ländern haben sich die Ferien in der Schweiz wegen des schwachen Euros massiv verteuert. Fürchten Sie Einbussen in der Wintersaison?

Sicher ist die Party vorbei, die wir mit einem Euro-Wechselkurs von 1.60 Franken feierten. Aber der Wechselkurs hat auf die Übernachtungszahlen in den qualitativ führenden Hotels unseres Verbands nur bedingt einen Einfluss. Für die erwarte ich einen Rekordwinter.


Herr Brentel, besten Dank für das Interview.





Zur Person:
Guglielmo L. Brentel ist seit Sommer 2005 Präsident von hotelleriesuisse. Brentel, Absolvent der Ecole hôtelière Lausanne und selbst Hotelier, ist im Vorstand verschiedener Gremien und war vormals Präsident des Zürcher Hotelier-Vereins. Seit 1989 führt der zweifache Familienvater die H&G Hotel Gast AG, eine Führungs- und Beratungsfirma für individuell geführte Hotel- und Gastronomiebetriebe.


Zu hotelleriesuisse:
hotelleriesuisse ist der Unternehmerverband der Schweizer Hotellerie und vertritt primär die Interessen der klassierten national und international ausgerichteten Hotelbetriebe. Die von hotelleriesuisse klassierten Betriebe repräsentieren annährend 65 Prozent der Schweizer Hotelbetten und generieren 77 Prozent der Logiernächte.


Die Hotellerie als Rückgrad des Schweizer Tourismus erwirtschaftet allein einen jährlichen Umsatz von über 9 Mrd. Franken und beschäftigt rund 70’000 Vollzeitangestellte.


hotelleriesuisse unterhält Geschäftsstellen in Bern (Hauptsitz), Lausanne sowie Bellinzona und zählt rund 100 Mitarbeitende.

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