Hans Lerch, CEO Kuoni: «Aufgestaute Nachfrage noch nicht ganz zurückgeflossen»


Kuoni-CEO Hans Lerch, der im kommenden Frühjahr zurücktritt, sieht die aufgestaute Nachfrage der letzten drei Jahre noch nicht vollumfänglich ins Geschäft zurückgeflossen. Im Moneycab-Interview äussert sich Lerch über Wachstumschancen und neue Herausforderungen von Kuoni.

Von Peter Stoeferle


Hans Lerch, Kuoni-CEO (pd)
Moneycab: Herr Lerch, beim soeben vorgelegten Halbjahresergebnis weist Kuoni noch einen Reinverlust von 12,9 Millionen Franken aus, nach einem Verlust von 44,1 Millionen Franken in der Vorjahresperiode. Auf Stufe EBITA schreibt Kuoni bereits wieder schwarze Zahlen. Wann erhoffen sie sich auch wieder schwarze Zahlen beim Reingewinn?

Hans Lerch: In unserem Geschäft wird das Geld in der zweiten Jahreshälfte verdient. Ein Ergebnis um den break-even herum ist eigentlich gut und wird nächstes Jahr hoffentlich auch auf der Reingewinnbasis positiv aussehen.


Im Moneycab-Interview vom März 2003 haben Sie festgehalten, dass ein Verkauf des damals etwas schwachen Skandinavien-Geschäfts zu jenem Zeitpunkt verfrüht gewesen wäre, zumal sich bereits wieder eine Wende abzeichnete. Im ersten Halbjahr 2004 haben die Umsätze in Frankreich und in Skandinavien am stärksten zugelegt. Wie kam dieser Fortschritt im Norden zu Stande?

Unsere Gesellschaft in Skandinavien entspricht heute in allen Belangen den Ansprüchen, welche wir an eine Kuoni-Gesellschaft stellen. Das Produkt stimmt, die Qualität im Management stimmt, die Prozesse sind in Ordnung, und als Folge davon – und das ist das Wichtigste – sehen die Kunden eben, dass aus dieser ehemaligen Billigmarke Apollo heute ein verlässliches und qualitativ hochstehendes Reiseprodukt entstanden ist. Das gibt uns eine sehr viel bessere Stellung im Markt als früher, und deswegen ist das Geschäft gewachsen.

Ein international agierendes Unternehmen wie Kuoni ist den schwankenden Wechselkursen ausgesetzt. Im abgelaufenen Halbjahr haben die Währungseffekte ein Plus von 1,6 Prozent zum Nettoerlös beigetragen. Ist für Kuoni die Rechnungslegung in einer Fremdwährung eine Option?

Nein, sicher nicht. Wir sind an der Börse in Zürich kotiert, und Rechnungslegung wird in Schweizer Franken bleiben. Im Übrigen haben Sie auch Währungseinflüsse, wenn Sie in Dollars oder Pfund abschliessen würden.

In welchen Produkte- oder geografischen Märkten sieht Kuoni für sich das grösste Wachstumspotenzial in den kommenden Jahren?

Ich bin der Meinung, dass die aufgestaute Nachfrage der letzten drei Jahre noch nicht vollumfänglich ins Geschäft zurückgeflossen ist und glaube deswegen, dass eigentlich alle Produkte noch ein gewisses Aufholpotential haben. Was die geografischen Märkte anbelangt, ist das grösste organische Wachstum sicher in den Entwicklungsmärkten wie Indien und China zu sehen.

In den späten 90er Jahren haben viele kleine Reisebüros in der Schweiz das Potenzial des Internets unterschätzt und sind entsprechend ins Hintertreffen geraten. Welche Strategie fährt Kuoni als Gesamtanbieter gegenüber den Buchungsmöglichkeiten von Hotels und Flugtickets direkt beim Leistungserbringer übers Internet?

Die Websites der traditionellen Reiseunternehmungen werden immer professioneller. Das ist auch notwendig, denn es besteht kein Zweifel, dass das Internet die Branche verändert hat und noch sehr viel mehr verändern wird. Einfache Angebote werden je länger je mehr über elektronische Medien gebucht werden. Reisegewandte Kunden tendieren auch dazu, ganze Arrangements direkt übers Internet abzuwickeln. Auf der andern Seite stellen wir auch fest, dass dann sehr schnell auch ein Komplexitäts- oder Zeitfaktor oder auch beides eine wichtige Rolle zu spielen beginnt. Das traditionelle Reisebüro wird somit noch lange eine Berechtigung haben, aber eben nur, wenn es dem Kunden einen Beratungsmehrwert erbringen kann, der auch als solcher empfunden wird. Kuoni ist fest entschlossen, sich dieser immer grösser werdenden Herausforderung zu stellen.

Das Kommissionen der Airlines gegenüber den Reisebüros kommen immer mehr unter Druck. Auch werden Tickets von vielen Billig-Airlines in den Reisebüros gar nicht verkauft oder nur mit einer Aufwandpauschale angeboten. Ist der Flugticket-Verkauf über Reisebüros ein Auslaufmodell?

Bis anhin wurde der Verdienst vom Lieferanten, also von der Fluggesellschaft bezahlt und in Zukunft muss er vom Kunden bezahlt werden. Dies wird dazu führen, dass auch hier ein Mehrwert z.B. in Bezug auf Änderungen und Umbuchungen, Auskünfte usw. erbracht werden muss. Gewisse Kunden werden das so nicht sehen und deswegen auf das Internet ausweichen. Der Verkauf von Flugtickets hat sich geändert, wird sich noch mehr verändern und wird schlussendlich auch die Branche verändern. In der Re-Definition dessen was ein Reisebüro zukünftig tun soll, sehen wir allerdings auch eine grosse Chance.

Nachdem in der Schweiz in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre die Reisegarantie eingeführt wurde, blieben nur noch vereinzelt Gäste infolge Zahlungsunfähigkeit von Reiseveranstaltern sitzen. Davon hat wiederum die ganze Schweizer Reisebranche profitiert. Welche Vorteile hat die Reisegarantie einem Grossunternehmen wie Kuoni gebracht?

Wenig. Grosse und solide Unternehmungen wie Kuoni, Hotelplan oder TUI Suisse werden wohl kaum insolvent werden, und wenn sie es würden, wäre auch der Garantiefonds mit höchster Wahrscheinlichkeit überfordert. Die Unterstützung der drei Grossen war aber insofern unabdingbar, als dass es die Branche als Ganzes legitimierte. Bei Mitgliedern des Garantiefonds ist der Kunde tatsächlich auch abgesichert, bei solchen die nicht Mitglied sind, ist dies nicht der Fall. Der Kunde tut gut daran, sich diesbezüglich zu erkundigen.

Anfang September ist im südtürkischen Antalya ein Anschlag verübt worden. Die Südtürkei galt bis anhin aufgrund des hervorragenden Preis-/Leistungsverhältnisses als eine der gefragtesten Destinationen der Saison. Befürchten Sie nun Annullationen für den bevorstehenden Herbst?

Nein, der Markt hat darauf kaum reagiert, und es ist tatsächlich so, dass man sich auch an diese neue Situation zu gewöhnen scheint. Selbst der schreckliche Anschlag in Madrid hat die Leute kaum beeindruckt und spätestens seit diesem Anschlag in Westeuropa muss man wahrscheinlich zur Kenntnis nehmen, dass leider überall etwas passieren kann.

Moneycab Interviews Hans Lerch 
Jahrgang: 1950

Position: Seit 1999 CEO der Kuoni Reisegruppe

Laufbahn:
Eintritt 1970 in Kuoni Incoming Services, Management-Funktionen in Tokio, Hong Kong und Singapur.
1986 Stellvertrender CEO Incoming Services von Kuoni Reisen AG.
1989 Stellvertrender CEO Tour Operating von Kuoni Reisen AG.
1995 Stellvertrender CEO Schweiz und Incoming Services von Kuoni Reisen Holding AG.
Seit 1999 CEO der Kuoni Reisegruppe.


Die Kuoni Reisegruppe wurde 1906 von Alfred Kuoni am Zürcher Bellevue-Platz gegründet und hat sich über mehr als neun Jahrzehnte in allen Bereichen der Ferien- und Geschäftsreisen spezialisiert. Kuoni gehört zu den führenden Reiseveranstalter in Europa und ist das grösste Reiseunternehmen der Schweiz mit über 2000 Beschäftigten

Kuoni besitzt in der Schweiz mehr als hundert Filialen und über 200 Franchise-Partner, welche eigene Produkte wie auch diejenigen anderer Reiseveranstalter vertreiben. Wiederum verkaufen über 1000 andere gute Schweizer Reisebüros auch Reisen von Kuoni.

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