Hans-Peter Güllich, CEO Avanon AG

von Patrick Gunti


Herr Güllich, 1999 unter dem Namen RCS (Risk Management Concept Systems) gegründet, firmiert das Unternehmen seit letztem Jahr als Avanon AG. Weshalb der Namenswechsel?


Unser über die Jahre gewachsener Expertenstatus und Bekanntheitsgrad sprachen für einen kürzeren und eleganteren Firmennamen. Der neue Name sollte leicht zu merken und leicht auszusprechen sein. Genauso sollte er unserem nationalen und internationalen Umfeld wie auch unseren Zielen entsprechen. Der Firmenname Avanon und die neue Webadresse www.avanon.com erfüllten alle Kriterien. Wir konnten uns sofort damit identifizieren!


Avanon entwickelt Software-Lösungen für unternehmerisches Risikomanagement. Vielleicht zuerst generell: Welche Rolle spielt die IT-Unterstützung heute im Risikomanagement?


Das unternehmerische Wachstum bringt Herausforderungen ans Risikomanagement mit sich. Dabei sind die Grösse und die gestiegene Komplexität des Unternehmens wichtige Parameter. IT-Unterstützung im Risikomanagement kann entscheidend sein, um strukturierte Abläufe zu gewährleisten, die Handhabung zu vereinfachen und v.a. automatisch die vollständige Historisierung aller Aktionen sicherzustellen. Besonders die Historisierung ist ein wichtiger Faktor, denken Sie etwa an die Revision. Für kleine Betriebe können dagegen Papier- oder Excel-Prozesse durchaus zielführend sein.


Ihre modulare Lösung gehört  seit Jahren zu den weltweit führenden. Was haben sie denjenigen der Konkurrenz voraus?


Vor elf Jahren begannen wir mit der Entwicklung unserer Lösung. Damals hatten wir den Vorteil, einer der ersten Anbieter im Bereich Operational Risk zu sein. Heute verfügen wir über eine langjährige Erfahrung. Unsere Standardlösungen sind vollständig integrierbar, funktional umfangreich und bieten unseren Kunden hundertprozentige Investitionssicherheit.


Zudem implementieren wir das System in acht bis zwölf Wochen. Wir haben bisher jedes Projekt im vorgegebenen Zeit- und Budgetrahmen realisiert. Zum Vergleich: Eine Gartner-Studie hat ergeben, dass die Einführung von Riskmanagement-Lösungen normalerweise bis zu 17 Monate in Anspruch nimmt und ca. 65 % aller Projekte nicht erfolgreich sind.



«Wir können alle Phasen von der Entwicklung des kundenspezifischen Risikomanagement-Prozesses ? man spricht hier vom Risk Framework ? über die eigentliche Implementierung der Systemlösung bis hin zum Roll-Out zu den Endnutzern unterstützen.» Hans-Peter Güllich, CEO Avanon AG


Die Einführung eines Risikomanagements ist ein umfassender Prozess. Welche Phasen können Sie am besten unterstützen?


Wir können alle Phasen von der Entwicklung des kundenspezifischen Risikomanagement-Prozesses ? man spricht hier vom Risk Framework ? über die eigentliche Implementierung der Systemlösung bis hin zum Roll-Out zu den Endnutzern unterstützen. Grundsätzlich schätzen unsere Kunden die Tatsache, dass wir nicht nur ein umfangreiches System-Know-how haben, sondern vielmehr den gesamten fachlichen Prozess kennen und verstehen. Denn dadurch sind wir in der Lage, einerseits unsere Systemlösung zielgerichtet weiterzuentwickeln und andererseits unseren Kunden eine optimale Lösung zur Verfügung zu stellen.


In welchen Bereichen kommen Avanon-Lösungen hauptsächlich zum Einsatz?


Ursprünglich wurde die Systemlösung für den Bereich Basel II Operational Risk entwickelt. Ungefähr 80 % unserer Kunden nutzen die Systemlösung auch in diesem Bereich. Über die Jahre hat sich gezeigt, dass bei einer grossen Anzahl verbundener Themen Bedarf besteht, z.B. beim internen Kontrollsystem (inkl. SOx), Audit Management, unternehmensweiten Risikomanagement, Business Continuity Planning oder beim Claim Management von Versicherungszahlungen. Die Kunden wünschen eine umfangreiche funktionale Lösung, die am besten alle Themen abdeckt.

Somit haben wir den Funktionsumfang unserer Avanon-Lösung stetig erweitert und keiner unserer Kunden nutzt die Systemlösung heute für nur einen Themenbereich.


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Wie präsentiert sich Ihr Kundenportfolio?


Unsere ersten Kunden stammen aus dem Bankensektor. Da Basel II und Solvency II eng verbunden sind, kamen Versicherungen hinzu. In den letzten Jahren wurden auch vermehrt Industrieunternehmen auf unsere Lösungen aufmerksam, so dass wir vermehrt auch solche Kunden gewannen.

Grundsätzlich unterstützt das Avanon System alle Branchen. Da wir nicht in jeder Branche das erforderliche Fachwissen haben, fokussieren wir derzeit auf die Branchen Finanzen, Energie, Handel und Gesundheitswesen.


Für die AXA Gruppe hat Avanon eine strategische Lösung für ihre Solvency II Ziele eingeführt, unternehmensweit über 15 Länder hinweg. Was waren die besonderen Herausforderungen dieses Projekts?


Die Lösungsanforderungen ergaben sich aus dem umfangreichen Risikokonzept der AXA Gruppe. Dazu kamen technische Vorgaben wie ein hochgradig strukturiertes und sorgfältig konzipiertes Datenmodell sowie mehrsprachige Funktionalitäten. Angesichts der Wachstumsstrategie der AXA Gruppe musste es ausserdem möglich sein, bisherige oder neue Geschäftseinheiten mit wenig Aufwand und ohne Datenverlust zu integrieren, neu zuzuordnen und umzustrukturieren.


Sie haben Anfang Juni in Frankfurt die erste Vertretung ausserhalb der Schweiz eröffnet. Was macht diesen Standort für Sie attraktiv?


Unsere ersten Kunden im Bereich OpRisk hatten wir in Deutschland. So nutzt die Commerzbank mittlerweile seit über elf Jahren unsere Systemlösung weltweit.
Obwohl wir mittlerweile Kunden aus über zehn Ländern haben, ist Deutschland nach wie vor unser Hauptmarkt. Zudem ist es ein naher Markt mit ähnlicher Kultur, was ebenfalls Vorteile für den Vertrieb bietet.


Sind weitere Expansionsschritte zu erwarten?


In den vergangenen Jahren sind wir hauptsächlich durch einen reaktiven Vertrieb gewachsen. 2009 konnten wir mit Mirko Djuric einen Vertriebsprofi für uns gewinnen. Er steht für die klare Zielrichtung eines aktiven Vertriebs. Darüber hinaus haben wir eine sehr erfahrene Managerin zur Betreuung der Vertriebspartner eingestellt, die in ausgesuchten Ländern gezielt nach Vertriebs- und Implementierungspartnern sucht. Beispielsweise konnten bereits ein Kunde sowie ein Partner in Südafrika gewonnen werden.


Ein funktionierendes Risikomanagement, sprich frühzeitig erkannte Risiken, hätten vielleicht die Finanz- und Wirtschaftskrise verhindern können. Hat hier das Risikomanagement umfassend nicht funktioniert oder wurden die Risiken schlicht ignoriert?


Hierzu existieren verschiedene Meinungen und v.a. unterschiedliche Informationen im Markt. Grundsätzlich sind wir der Meinung, dass das Wissen über die vorhandenen Risiken auf jeden Fall vorhanden war. Einerseits wurde es nicht genutzt, andererseits wurden die aufgezeigten Risiken ignoriert oder unterschätzt, da die zu erwartenden Gewinne sehr verlockend waren.


Wie einige Beispiele aber zeigen, war es durchaus möglich, die Risiken frühzeitig zu erkennen und Gegenmassnahmen einzuleiten. In einem Vortrag zu Beginn dieses Jahres wurde z.B. von Herrn Rohner (CFO Crédit Suisse) aufgezeigt, dass die CS bereits ab dem 3. Quartal 2007 damit begonnen hat, Risikopositionen im Investment Banking v.a. in den Bereichen Subprime Residential und Leveraged Finance nachhaltig zu reduzieren.


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Nach den Erfahrungen der letzten Jahre sind immer mehr Unternehmen auf der Suche nach Lösungen, um Risiken zu minimieren und frühzeitig zu erkennen. Wie spüren Sie das bei Avanon?


Wir gehen davon aus, dass dieser Trend anhält und sogar noch zunimmt. Früher sprachen uns ausschliesslich Finanzunternehmen an, da hier klare regulatorische Anforderungen vorliegen. Seit einigen Jahren interessieren sich vermehrt auch Industriekunden für die Vorteile des unternehmensweiten Risikomanagements.
Es geht heute darum, die Risiken zu kennen, um Massnahmen zu erarbeiten und die Auswirkungen abschätzen zu können. Im Ergebnis können die Unternehmen negative Auswirkungen vermindern, aber auch ganz bewusst Risiken eingehen, um die damit verbundenen Chancen zu nutzen.


Wie weit können Sie bei Ihren Kundenkontakten feststellen, dass das Risikomanagement tatsächlich ein Teil der Unternehmensstrategie und -kultur ist?


In den vergangenen Jahren hat dies zugenommen, aber es ist durchaus noch ein weiterer Lernprozess erforderlich. Unternehmen sollten durch eine Einschätzung von Risiken in der Lage sein, diese bewusst einzugehen um die Chancen und Potentiale zu nutzen. Zunehmend setzt sich die Einsicht durch, dass sich Risikomanagement lohnt. Leider wird dieses aber immer noch zu sehr «negativ» gesehen. Die direkte Verbindung von Risiko und Chance hat sich noch nicht zu hundertprozentig durchgesetzt.


Wie weit kann Risikomanagement Risiken tatsächlich ausschliessen oder frühzeitig erkennbar machen? Ein Beispiel: Der Vulkanausbruch in Island hat diesen Frühling den europäischen Flugverkehr über Tage lahmgelegt ? mit immensen Folgen für sehr viele Branchen. Künftig werden solche Ereignisse sicher im Risikomanagement berücksichtigt. Waren sie es auch schon vor dem Vulkanausbruch?


Das Beispiel mit dem Vulkan zeigt, dass es immer Risiken geben wird, die theoretisch zwar kalkulierbar wären, aber kein Experte dieses Risiko im tatsächlich eingetretenen Ausmass einschätzt. Immerhin war ja bekannt, dass Flugverbote infolge Vulkanasche erlassen werden können.

In der Praxis gibt es aber auch eine Vielzahl von Beispielen, die aufzeigen, dass eine korrekte Risikobewertung bzw. Früherkennung dem Unternehmen eine rechtzeitige und richtige Reaktion ermöglicht. Aktuell zeigt die Ölpest im Golf von Mexiko gut, welche dramatischen Folgen aus ungenügendem Risk Management entstehen können: Die technisch komplexe Erschliessung des Ölfeldes in einer Meerestiefe von 1?500 Metern involviert grosse Risiken. Das nun eingetretene Szenario und mögliche Gegenmassnahmen wurden nicht oder nicht ausreichend vorbereitet. Die Schwierigkeiten das Problem technisch zu lösen, verbunden mit einer heftig kritisierten Krisenkommunikation, haben bisher zu Kosten im zweistelligen Milliardenbereich und einem Einbruch des Marktwertes von BP geführt. Vor dem Vorfall war das Unternehmen 123 Mrd. $ wert, kurz danach nur noch 55 Mrd. $, also weniger als die Hälfte. Gutes Risk Management bedeutet, dass im Krisenfall die erforderlichen Massnahmen bereits ermittelt sind und zügig umgesetzt werden können.



«Das Beispiel mit dem Vulkan zeigt, dass es immer Risiken geben wird, die theoretisch zwar kalkulierbar wären, aber kein Experte dieses Risiko im tatsächlich eingetretenen Ausmass einschätzt.»&


Wie wird sich der Markt für Risikomanagement in den kommenden Jahren entwickeln?


In der aktuellen Gartner-Studie «Strategic Implications of Operational Risk Management Software Selection» vom Januar 2010 wird aufgezeigt, dass das Thema in einer grossen Anzahl von Finanzinstituten immer noch nicht ganzheitlich betrachtet wird. Vielmehr existieren fragmentierte und separate Systemlösungen zu einzelnen Themen, die lediglich regulatorische Anforderungen erfüllen. Gartner kommt zum Ergebnis, dass der Nutzen durch aktives Risikomanagement für die Unternehmen im Vordergrund stehen muss.


Das Risikomanagement wird sich hin zu einer Disziplin entwickeln, die Unternehmen erlaubt, das Verlustpotential von Risiken genauer zu bestimmen und dem damit einhergehenden Gewinnpotential gegenüber zu stellen. Auf dieser Basis können anschliessend gezielt Entscheidungen getroffen werden. Sollte das vorab eingeschätzte Risiko dennoch zum Tragen kommen, sind die erforderlichen Massnahmen bereits definiert und können gezielt und schnell umgesetzt werden. Somit ist das Unternehmen in der Lage, Risiken bewusst einzugehen, um seine Chancen und Potentiale optimal zu nutzen.


Wo steht Avanon in zehn Jahren?


Mit der definierten Wachstumsstrategie verfolgen wir das Ziel, unseren Umsatz bis 2012 zu verdoppeln. Mit den bisher geschaffenen Grundlagen und dem aktuellen aktiven Vertriebskonzept ist dieses Ziel realisierbar. Avanon hat ein solides Fundament geschaffen, um in den nächsten Jahren das Wachstum in weitere Industriezweige, Märkte und Regionen zu bewältigen.


Herr Güllich, herzlichen Dank für das Interview.






Zur Person
Hans-Peter Güllich gründete Anfang 1999 gemeinsam mit Dr. oec. HSG Patrick Wegmann in Zürich die RCS Riskmanagement Concept Systems AG. Mit wachsendem Erfolg entstand auch der Bedarf, den Firmennamen und den visuellen Auftritt den veränderten Ansprüchen und Zukunftsplänen anzupassen. Seit 2009 tritt RCS unter dem Namen Avanon AG auf.


Hans-Peter Güllich hat bei Avanon die Funktionen des CEO und Vorsitzenden des Verwaltungsrats inne. Hans-Peter Güllich stammt aus Ansbach in Deutschland. Er studierte Wirtschaftsinformatik an der European Business School in Oestrich-Winkel, am Regent?s College in London und an der San Diego State University. Er promovierte an der Technischen Universität Chemnitz. Seine Dissertation hatte das Thema «Entwicklung eines Fuzzy-Expertensystems zur Bonitätsbeurteilung von Kreditanträgen für Automobilbanken».


Seit 1992 ist Dr. rer. pol. Hans-Peter Güllich erfolgreich als Systemberater und -analyst sowie als Risikomanagement-Experte tätig. Bei der AMS Management Systems Deutschland GmbH in Frankfurt war er verantwortlich für die Entwicklung und das Design eines Kredit-Risikomanagementsystems für eine Deutsche Grossbank. Für die BMW Bank entwickelte Herr Dr. Güllich im Rahmen seiner Dissertation ein integriertes Rating-System für Privat und Firmenkunden. Bei der St. Gallen Consulting Group war er mit der Konzeption und Umsetzung von integrierten Kreditrisikomanagement-Systemen betraut. In seiner Freizeit rudert Hans-Peter Güllich als aktives Mitglied im Grasshopper Club (Rudersektion) Zürich. Er nimmt an nationalen und internationalen Ruderregatten in der Masters-Klasse teil.


Zum Unternehmen
Avanon wurde im Jahr 1999 unter dem Namen RCS (Risk Management Concept Systems) gegründet und firmierte 2009 neu unter dem Namen Avanon. Das Schweizer Unternehmen entwickelt am Standort Zürich Lösungen für unternehmensweites Risikomanagement ERM (Enterprise Risk Management) und vertreibt diese weltweit. Seit Februar 2010 verfügt Avanon über eine Niederlassung in Deutschland, Frankfurt am Main. Heute vertrauen über 50 Kunden mit rund 15?000 Anwendern in weltweit mehr als 40 Ländern der Avanon-Software.


Internationale Marktstudien stufen die modulare Lösung von Avanon seit mehreren Jahren als eine weltweit führende Lösung im Risikomanagement ein. Die langjährige Kompetenz von Avanon, die Vorteile der Lösung und die hohe Kundenzufriedenheit überzeugen. Gartner zählt Avanon zu den fünf wichtigsten ERM-Anbietern und hebt besonders die Kernkompetenz des Gesamtprodukts hervor. Chartis hat das Avanon-System wiederholt als führend hinsichtlich der Vollständigkeit seines Funktionsumfangs gewertet.

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