Joachim Asbrede, Oracle: «Aufhören, den Wohlstand in der ersten Welt zu horten»


Der Softwaregigant Oracle ist immer noch auf Expansionskurs. Joachim Asbrede, Managing Director Oracle Schweiz, nimmt im Moneycab Interview Stellung zur strategischen Ausrichtung und der Rolle der Schweiz in einem globalisierten Unternehmen.

Von Helmuth Fuchs


Joachim Asbrede, Managing Director Oracle (Schweiz) (pd)
Moneycab: Sie haben die Verantwortung für Oracle Schweiz 1998 in einer turbulenten Phase übernommen. Seither scheint Ruhe eingekehrt zu sein und die Schweiz schreibt sehr gute Zahlen. Was sind die wichtigsten Schritte, die zum Erfolg führten?

Joachim Asbrede: Für uns war es in erster Linie wichtig, das Vertrauen unserer Kunden zu gewinnen. Da das Vertrauen zwischen Kunden und Anbieter gerade in unserer Branche äusserst wichtig ist, haben wir unsere Energie dafür eingesetzt, unsere Kunden und ihre Bedürfnisse und Anforderungen zu verstehen und ihnen entsprechende Lösungen anbieten zu können.
Um dieses Ziel zu erreichen, brauchen wir motivierte und qualifizierte Mitarbeiter/-innen. Es ist uns gelungen, ein äusserst erfolgreiches Team zu bilden, das Projekte auch umsetzten kann. Die Motivation der Mitarbeiter hängt bestimmt auch mit den Arbeitsbedingungen zusammen – und die sind bei uns sehr gut. Nicht umsonst gehören wir zu den Top Arbeitgebern der Schweiz: Gute Entwicklungschancen, gute Sozialleistungen und ein spannendes, sich rasch entwickelndes Umfeld können die Mitarbeiter von uns erwarten.


«Die Beurteilung «besser/schlechter» ist keine Frage des Passports, sondern der persönlichen Entwicklung. Bei Oracle arbeiten wir als internationales Team – so arbeiten in der Schweiz Mitarbeiter aus 18 Nationen.» Joachim Asbrede, Managing Director Oracle (Schweiz)



Die Einführung von Oracle 10g (Grid Control Technology) hat zu einem Umsatzwachstum von 15% bei den Lizenzeinnahmen geführt. Gleichzeitig wurde im Consulting Bereich weniger eingenommen. Die Software-Einnahmen stiegen im letzten Jahr um 12% auf 8.1 Milliarden US Dollar, während die Einnahmen im Consulting um 8% auf 2.1 Milliarden US Dollar fielen. Mutiert Oracle zur reinen Software-Anbieterin, oder macht das Beratungsgeschäft in Ihren Augen noch Sinn?

Oracle ist in jedem Fall primär ein Lizenzunternehmen und wird das in den Augen von Analysten und Shareholdern immer sein und entsprechend daran gemessen und bewertet werden. Die Entwicklung des Lizenzgeschäfts und damit der Verkauf unserer Produkte ist ausschlaggebend. Nichtsdestotrotz ist der Consultingbereich für Oracle ein äusserst wichtiger Bereich was die Einführung unserer Produkte und Lösungen angeht. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass rund 60% aller Oracle Consulting-Projekte von Oracle Partnern ausgeführt werden, die sich genau auf diesen Bereich spezialisiert haben. Wir sind überzeugt, dass diese Kombination von eigenen Consultants und Partnerfirmen die richtige Strategie ist – denn so beschleunigen wir den Lizenzumsatz und gewinnen ständig neue und qualifizierte Partner.


Oracle wird immer noch zur Hauptsache als Lieferantin der Datenbank wahrgenommen, obschon einige Anstrengungen unternommen werden, sich ebenfalls als Anbieterin von Branchenlösungen zu positionieren. Wie gross ist der Anteil des Umsatzes von Branchenlösungen in der Schweiz und welche Ziele haben Sie hier in der nächsten Zukunft?

Es ist nicht verwunderlich, dass Oracle noch immer hauptsächlich als Datenbank Lieferant wahrgenommen wird – haben wir doch in der Schweiz einen Marktanteil von ca. 75% im Datenbankbereich auf offenen Plattformen. Dennoch dürfen wir feststellen, dass unser Wachstum im Bereich der Applikationen und übrigen Branchenlösungen neben SAP eindeutig am stärksten ist. In einigen Bereichen, so zum Beispiel in der Prozessindustrie (Life Sciences) sind wir gar Marktführer.

Bei grossen Finanzunternehmen, wie beispielsweise der UBS konnten wir mit unserer Finanz-Applikation dazu beitragen, dass rund 50% der TCO-Kosten (Total Cost of Ownership) gegenüber dem Vorläufersystem eingespart werden können. Mit dieser «Schweizer Lösung» haben dem Kunden eine Lösung anbieten können, die ihm laut Gartner-Studien einen Marktvorsprung von fünf Jahren gibt.

Im Applikationsbereich sind wir weltweit die Nummer zwei. Unser Ziel ist klar: Diese Position wollen wir festigen und unsere relative Wettbewerbsfähigkeit noch verbessern, durch externes aber auch durch organischesWachstum; denn wir sind überzeugt, dass wir das richtige Angebot haben, sowohl für grössere Unternehmen als auch für KMUs. Dies zeigt uns auch unser Erfolg in der Schweiz.

Oracle’s Übernahmeversuch von Peoplesoft stiess auch im DoJ (Department of Justice) auf wenig Verständnis. Im letzten Schreiben vom 22. Juni 2004 wertet es eine mögliche Übernahme als wettbewerbsbehindernd, da nur Oracle, Peoplesoft und SAP in der Lage seien, solch komplexe Lösungen anzubieten. Wieso glauben Sie, dass die Übernahme Sinn macht und wird Oracle weiterhin versuchen, Peoplesoft zu übernehmen?

Diese Frage kann ich Ihnen in dieser Form heute leider nicht beantworten, da wir uns noch immer in einem laufenden Verfahren befinden. Wir erwarten jederzeit den Entscheid des Department of Justice – erst nach diesem Entscheid und wenn die Fakten abschliessend zur Verfügung stehen, sollten wir interpretieren.
Die Corporation hat mit dem Übernahmeangebot sich deutlich dafür entschieden, dass eine Übernahme von PeopleSoft sinnvoll wäre. Die Bedeutung und der Sinn einer solchen Transaktion wird auf eine globale Sicht beurteilt und wird nicht auf regionale Gegebenheiten abgestützt. Aber selbstverständlich würde die Übernahme von PeopleSoft Oracles Marktposition verstärken.

Die Verlagerung der Software-Entwicklung in kostengünstige Länder wie Indien sind weltweit im Trend. In Europa wird das Gefälle zu den Ostblockländern ebenfalls wahrgenommen. Wie verhält sich Oracle gegenüber dieser Entwicklung?

Wir haben in Indien und China bereits Offshore Entwicklungszentren installiert und greifen bei Migrationen und Standardentwicklungen auf diese kostengünstigeren Ressourcen zurück. So bekommen unsere Kunden die optimale Mischkalkulation von Leistung und Preis. Gleichzeitig eröffnen wir in den «EU enlargement countries», namentlich in Ungarn so genannte «Nearshore-Zentren», deren Ressourcen europaweit zur Verfügung gestellt werden. In diesen Ländern können Mitarbeiter mit höchsten Ausbildungen kostengünstig eine exzellente Qualitätsarbeit liefern. Nahezu jedes bekannte Schweizer Unternehmen hat im letzten Jahr Projekte in Indien umgesetzt.

Offshore Outsourcing wird heute kritisch beobachtet. Das ist auch gut so. Aber wir müssen damit aufhören, unseren Wohlstand angstvoll in der ersten Welt horten zu wollen. Übrigens bringt Offshoring der heimischen Wirtschaft oft Vorteile: Wie das McKinsey Global Institute in einem Report letzte August festgestellt hat, kommt für jeden US Dollar, den eine amerikanische Firma im Ausland investiert, ca. $ 1.13zurück in die Staaten. Viele Firmen, die schon seit längerem in Südostasien produzieren meinen, dass sie nur dank diesem Outsourcing ihre Headquarters im Mutterland behalten konnten.

Nach Aussage von Larry Ellison sei die Vielzahl schlechter Quartalsergebnisse von Softwarefirmen in der aktuellen Berichtssaison ein Hinweis auf eine bevorstehende weitere Konsolidierung der Branche. Dieselbe Konsolidierung spielt sich auch in der Kundenbasis von Oracle ab. Macht es da noch Sinn, kleine und mittlere Unternehmen als Kunden gewinnen zu wollen, oder wäre es nicht einfacher auch in der Schweiz nur die Grosskunden zu bedienen?

Oracle hat den KMU-Markt genau studiert und intensive Gespräche mit Partnern und Kunden geführt – weltweit und lokal. Wir haben festgestellt, dass diese Unternehmen ein grosses Verlangen nach ERP-Lösungen haben. Mit unseren Lösungen für KMU decken wir genau diese Bedürfnisse ab. Den KMU-Bereich überlassen wir vollständig unseren rund 500 Schweizer Partnern, die sich bereits seit langem im diesem Umfeld bewegen.
Wir sehen besonders in der Schweiz ein grosses Potential für unsere Lösungen, ist doch der Markt ein typischer KMU-Markt: einige grosse globale Unternehmen und eine Vielzahl kleiner und mittlerer Unternehmen.

Wir besitzen eine dedizierte KMU-Strategie und wir können den gesamten Markt bedienen. Wir investieren sehr viel in diesem Bereich: So haben wir unser Partnergeschäft aufgestockt mit einerseits neuen Partnern und andererseits breiteren Ressourcen für unsere interne Partnerbetreuung.

Der Lizenzverkauf für Standardprodukte wie die Oracle Datenbank lässt sich einfach über das Internet abwickeln, für komplexere Produkte, die auch intensivere Beratung benötigen stehen Partner bereit. Ist das Account Management im Verkauf wie es bis anhin auch von der Oracle gepflegt wurde ein Auslaufmodell?

Nein, Account Management ist mit Sicherheit kein Auslaufmodell, sondern wird weiterhin rege gepflegt werden. Wir müssen einen Unterschied zwischen der Notwendigkeit, persönliche Kontakte zu pflegen und dem Transaktionsgeschäft im Massenmarkt machen.
In der Schweiz betreuen wir ca. 500 Firmen direkt. Rund 20 Unternehmen davon sind international agierende Unternehmen, die ihren Hauptsitz in der Schweiz haben. Diese Unternehmen werden von einem Global Account Management aus der Schweiz heraus betreut. Intensive und vertrauensvolle Zusammenarbeit ist hier undabdingbar.
Beim Verkauf von Standardprodukten im Massenmarkt hingegen ist diese enge Zusammenarbeit und eine ausführliche Beratung nicht immer zwingend notwendig. So konnten wir einen massiven Zuwachs beim Kauf von Standardprodukten über das Internet, unseren Oracle i-Store, feststellen.

Die Arbeit des Account Management hat sich über die letzten sechs Jahre bei uns stark gewandelt. Unsere Kunden müssen sich nicht nach uns richten, wir richten uns nach den Bedürfnissen unserer Kunden. So können wir heute eine Organisation vorweisen, die die Anforderungen der Unternehmen widerspiegelt. Unseren Kunden stehen verschiedene Vertriebskanäle zur Verfügung, die sie je nach Bedürfnissen benutzen können: Oracle i-Store, spezialisierte Produktverkäufer, Account Manager oder Oracle Partner. Dies hat nicht zuletzt zu der oben erwähnten erhöhten Kundenzufriedenheit geführt.

Nebst der Schweiz sind Sie noch für die Länder Österreich und Griechenland zuständig. Wo sehen sie die wichtigsten Unterschiede in der Arbeitsweise in den verschiedenen Ländern, wo hat die Schweiz Vorteile, wo müssen wir uns verbessern?

Das ist keine leichte Frage, da in jeder Kultur die Vorteile überwiegen. In meinem Fall ist es so, dass ich in der Schweiz wohne und wir auf Grund des Revenues als so genanntes «leading country» die anderen Ländern «führen». Somit lassen sich betriebswirtschaftlich Synergieeffekte umsetzen und kulturell Erfahrungen teilen. Darüber hinaus ist die Beurteilung «besser/schlechter» keine Frage des Passports, sondern der persönlichen Entwicklung. Bei Oracle arbeiten wir als internationales Team – so arbeiten wir in der Schweiz Mitarbeiter aus 18 Nationen, der Anteil der Nicht-Schweizer liegt bei ca. 50%. Vielleicht ist es eher zufällig, dass im Vertrieb relativ viele Italiener arbeiten, ein Deutscher das Unternehmen führt, ein Spanier die Verantwortung für das Marketing inne hat und ein Schotte die Finanzen regelt.
Auch ohne wissenschaftlichen Nachweis hat sich das Team in der Form ökonomisch und kulturell bewährt. Volkswirtschaftlich begrüsse ich jede Initiative der Schweiz zu bilateralen Abkomen und einer Annäherung an Europa. Bei 470 Millionen Einwohnern und einem Bruttosozialprodukt von 10 Trillionen Euro sollte die Schweiz selbstbewusst ihre Vorteile einbringen.

Sie haben zwei Wünsche frei, wie sehen diese aus?

Oh, als Familienvater würde ich beide Wünsche für meine Famile beanspruchen: Als erstes Gesundheit für meine Familie und dann eine gute Ausbildung für meine Kinder.


Moneycab Interviews Joachim Asbrede 
VP & Managing Director Oracle Schweiz, Österreich und Griechenland, Mitglied des Advisory Boards von Oracle

1998: Managing Director Oracle Schweiz

Joachim Asbrede ist ein anerkannter IT Experte. Er begann seine Karriere 1979 bei Honeywell Bull. Danach verschiedene Positionen als Consulting Manager, Sales Manager, Marketing- und Business Unit Manager.

Verantwortung für das gesamte Europäische Software- und Dienstleistungsgeschäft. Partnergeschäft mit SAP und Baan.

1996: Managing Director Deutschland für Baan Business Systems.

Joachim Asbrede ist im Beirat der simsa (Swiss Interactive Media and Software Association), Mitglied er INGCH (Vereinigung Schweizer Ingenieure).

Der Diplom-Oekonom ist verheiratet und Vater von drei Kindern. In der Freizeit kümmert er sich gerne um die Kinder, fährt Ski und Mountainbike, spielt Tennis und Golf.

Joachim Asbrede unterstützt aktiv ein Programm zur Krebsbekämpfung bei Kindern.

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