Jürgen Mayer, CEO maxon motor AG, Sachseln: «Mich motiviert kein Salär in zweifacher Millionenhöhe»

Von Helmuth Fuchs

Moneycab: Herr Mayer, nach der erfolgreichen Eroberung des Mars mit Ihren maxon-Motoren (bei den Marsmobilen «Spirit» und «Opportunity» stammten jeweils 39 der 40 Motoren aus dem Hause maxon), welche Ziele haben Sie als nächstes?

Jürgen Mayer: Wenn wir beim Thema Weltraum bleiben, wird es in ca. 10 Jahren sehr spannend werden. Seit über einem Jahr rasen unsere Mikro-Motoren auch mit dem Kometenjäger «Rosetta» durch den Weltraum. In gut 10 Jahren wird «Rosetta» sein Landegerät auf einem Kometen absetzen. Das Landegerät wird Angaben über die Entstehung unseres Sonnensystems vor 4.5 Milliarden Jahren liefern. Weitere Missionen laufen oder sind geplant über die man zum heutigen Zeitpunkt nicht sprechen darf.

«Es gibt zwei Möglichkeiten, erfolgreich zu sein: Entweder leistet man wirklich was, oder man behauptet, etwas zu leisten. Ich rate zur ersten Methode, denn hier ist die Konkurrenz bei weitem nicht so gross.» Jürgen Mayer, CEO maxon motor AG

Im abgelaufenen Finanzjahr haben Sie wieder mit einem Umsatz-Wachstum von 29.4 % geglänzt (16,3 Prozent 2003). Vor allem in Asien sind Sie mit 15.2 % überdurchschnittlich gewachsen. Welche Ziele setzen Sie sich für das kommende Finanzjahr?

Die maxon-Gruppe konnte erneut eine grosse Umsatzsteigerung (konsolidiert) mit 29.4 % (2003: plus 16.3 %) erzielen und das ohne Akquisitionen. Dabei konnte Europa mit einer Steigerung von 44.1 % (ohne CH) die grösste Umsatzsteigerung verwirklichen. Asien ist nach plus 16 % im Vorjahr erneut um plus 15.2 % gewachsen. Diese Zahlen sind alle konsolidiert. Nach einem derartigen Wachstum ist eine Konsolidierungsphase notwendig. Ziel ist es, den Umsatz zu halten, beziehungsweise moderat zu erhöhen. Wir spielen in einer anderen Liga und müssen unsere Organisation diesen Begebenheiten anpassen.

Zentral sind für uns folgende Aktivitäten:
– Gezielter Ausbau unserer Mikro-/Medizintechnik
– Neue Projekte in der Automobiltechnik
– Erfolgreicher Ausbau unserer chinesischen Vertriebsorganisation und Produktionsstandort Ungarn
– Organisationsentwicklung der maxon-Gruppe mit Umsetzungsziel Ende 2006
– Inbetriebnahme des neuen TC-III Gebäudes mit 6174 m2 zusätzlicher Produktionsfläche Ende Jahr
– Budgeteinhaltung

China ist auch für Sie ein wichtiger Wachstumsmarkt. Wie schützen Sie Ihre Patente und den technischen Vorsprung in den sensiblen Bereichen?

Im Gegensatz zu vielen anderen Firmen rüsten wir technologisch China nicht kostenlos auf. Die Besten werden von den Chinesen kopiert. Auch unsere Produkte versucht man zu kopieren. Patentrechtlich mit China zu streiten, halte ich für wenig sinnvoll. Für maxon gilt: Wir müssen schneller und besser als unsere Mitbewerber sein. Das fängt bei innovativen Produkten an, geht über die gesamten Prozessketten bis hin zum Management und unseren Kunden, denen wir in diesem hoch kompetitiven Umfeld möglichst viele Vorteile verschaffen müssen.

Am Hauptsitz in Sachseln (Obwalden) beschäftigen Sie 900 der 1’400 weltweit tätigen Mitarbeitern. Wo sehen Sie die Vorteile der Wahl Ihres Hauptsitzes und wo muss die Schweiz zulegen, um die Attraktivität als Standort weiterhin zu sichern?

Obwalden wurde als Produktionsstandort für Scherblätter von der BIGA 1961 empfohlen und von den Gebrüdern Erwin und Arthur Braun ausgewählt. Durch die immer bessere verkehrstechnische Anbindung ist Obwalden heute ein Ort mit hohem Freizeitgehalt und einer verlässlichen Arbeiterschaft, bei akzeptablen Rahmenbedingungen. Wo sich das Stammhaus schlussendlich befindet, finde ich nicht von so grosser Bedeutung solange es in der Zentralschweiz ist. Obwalden muss im Besonderen eine Verbesserung der Steuersätze erzielen, sonst ist der Kanton für bestehende und neue Industrien uninteressant. Bei der Steuerlast für natürliche Personen liegt der Kanton Obwalden mit Rang 26 an letzter Stelle (s. NZZ vom 2.6.2005). Die Schweiz muss sich mehr und schneller öffnen. Das Unternehmertum muss gefördert werden und eine bessere Zusammenarbeit zwischen Forschung, Bildung und Wirtschaft muss erreicht werden. Die bekannten und geforderten Reformen müssen endlich umgesetzt und nicht nur zerredet werden. Man könnte in der Schweiz beachtliche Verbesserungen erzielen, würde die Politik endlich handeln und zwar auf allen Stufen. Wahrscheinlich geht es uns immer noch zu gut!

Die Wirtschaft braucht konkurrenzfähige Rahmenbedingungen von Gemeinden, Kantonen und Staat, den Rest schaffen ein verantwortungsbewusster Unternehmer oder Management selber.


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In Obwalden sind Sie der grösste Arbeitgeber. Welche besonderen Aufgaben erwachsen Ihnen daraus und stellt diese Situation für den Kanton auch ein gewisses Risiko dar?

Als grösster Arbeitgeber tragen wir auf den verschiedensten Gebieten Verantwortung mit. Ich denke hier zum Beispiel an einige Arbeitsplätze für Behinderte oder an unseren Kinderhort, der mittlerweile 30 Jahre alt ist und von ausgebildeten Kleinkindererziehenden geführt wird. Viele Mitarbeiterinnen können dank dieser Einrichtung überhaupt erst eine Arbeit ausführen. Aber auch das Gebiet Politik wird von unserem Hauptaktionär und der Geschäftsleitung unterstützt. Ob es der ehemalige Gemeindepräsident von Sachseln, oder einige Kantonsräte oder andere Aufgaben und Ämter sind, maxon hat dafür ein offenes Ohr. Zugegeben sind wir kein Wohlfahrtsamt, aber dort wo wir innerhalb unserer Möglichkeiten unseren Beitrag leisten können, tun wir das. Besonders freue ich mich, wenn wir 2006 unsere eigene Haltestelle der Zentralbahn bekommen.

Als grösster Arbeitgeber entstehen mit unserem Wachstum gewisse Probleme. Wir haben heute eine Grösse, die es mehr oder weniger zu stabilisieren gilt. Ein Schnupfen von maxon kann für den Kanton bereits eine Lungenentzündung bedeuten. Das war auch ein Hauptgrund für den Produktionsstandort Ungarn.

Eine hohe Fertigungstiefe (bis hin zur Entwicklung der eigenen Produktionsmaschinen) und eine sehr breite Anwendungspalette für die Kleinstmotoren bieten einen gewissen Schutz der Produkte. Auf der anderen Seite benötigen Sie dafür auch viele überdurchschnittlich qualifizierte MitarbeiterInnen. Welche Qualitäten und Qualifikationen suchen Sie bei den MitarbeiterInnen und wie viel lassen Sie sich die Forschung und Entwicklung jährlich kosten?

Zugegeben hat maxon eine hohe Fertigungstiefe, die sich bis heute mehrfach ausbezahlt hat. Unser technischer Vorsprung beruht unter anderem auf diesen Kompetenzen. Was wir dazu brauchen sind motivierte, gut ausgebildete Mitarbeitende verschiedenster Fakultäten. Kreative, neugierige Ingenieure in der Entwicklung und anderen Bereichen, gut ausgebildete Fachkräfte, die bereit sind sich weiterzubilden, Hilfskräfte, die interessante Tätigkeiten bei maxon suchen und finden.

Ein Kader, das sich durch Führungskompetenz und sozialer Kompetenz auszeichnet. Im Jahr 2004 haben wir beispielsweise für unsere Entwicklungen in der maxon-Gruppe 11.8 Mio. CHF ausgegeben.

Sie sind mit maxon sehr erfolgreich, seit fast 40 Jahren im Unternehmen an führender Position tätig. Das Aktienkapital ist fast vollständig im Besitz von Dr. Karl-Walter Braun, Sie haben weder einen Firmenjet, noch ein Salär in zweifacher Millionenhöhe. Was motiviert Sie und welche Werte in der Firmenkultur sind für Sie wichtig?

Sicher bin ich lange bei maxon. Ich habe so manche high- und low lights in dieser Zeit erlebt und interessanterweise ist es mir in der ganzen Zeit nie irgendwie langweilig geworden. Es gab immer genügend Herausforderungen. Wir brauchen bei maxon keinen Firmenjet und ich habe immer gesagt, solange ich was zu sagen habe fliegen wir mit einer Airline. Das reicht, auch wenn ich persönlich immer noch ein begeisterter Segelflieger bin. Was mich motiviert ist eigentlich recht einfach: Mich motiviert kein Salär in zweifacher Millionenhöhe; Was mich immer fasziniert hat, ist die Tatsache, dass ich bei maxon mitgestalten kann. Ich bin überzeugt von unseren Produkten, die ich weitgehend mitbestimmen durfte, und unseren Technologien. Aber auch der «Stallgeruch» von maxon, der da lautet, das Beste zu geben. Wir wollen besser und schneller sein als unsere Konkurrenten. Wir glauben daran, dass wir uns immer wieder selber übertreffen können. Wir sind stolz auf unsere Leistungen, weil wir Hunger auf Erfolg haben. Weil wir kein Fett ansetzen wollen, wo heute Muskeln sind. Dieser maxon Spirit ist es, das ist unsere Unternehmenskultur.

Es gibt zwei Möglichkeiten, erfolgreich zu sein: Entweder leistet man wirklich was, oder man behauptet, etwas zu leisten. Ich rate zur ersten Methode, denn hier ist die Konkurrenz bei weitem nicht so gross. Die grösste Motivation ist der Erfolg.

Die meisten Projekte finanzieren Sie aus dem Cash Flow. Wie sieht es im kommenden Jahr aus, welche wichtigen Projekte mit welchem Investitionsumfang stehen an?

Wir finanzieren tatsächlich unsere Projekte vorwiegend aus dem erwirtschafteten Cash Flow. Für das kommende Jahr sieht es ebenfalls wieder recht gut aus. Die ersten vier Monate waren besser als im Vorjahr (+14 %). Dieses Jahr investieren wir ca. 10 Mio. in Rationalisierungs- und Automationsprojekte. Im Weiteren investieren wir in den Ausbau unseres TC-III (Technologie-Centrum III) und führen die Norm ISO/TS 16949 ein, die uns die Voraussetzungen für die Medizin- und Kfz-Industrie schafft.

Wie sehen Sie die Entwicklung für die nächsten fünf Jahre? Welche Anwendungsbereiche Ihrer Motoren und welche Absatzmärkte stehen für Sie im Zentrum?

maxon wächst aus der KMU-Welt heraus zu einem Grossbetrieb. Diese neue Herausforderung muss von der Führung gemeistert werden. Dabei streben wir, wenn immer möglich, eine Inhouse-Lösung an. Die nächsten 5 Jahre sehen wir positiv. Der Markttrend geht zu immer kleineren, hochwertigen und intelligenten Antriebssystemen und gerade hier hat sich maxon eine führende Marktstellung erarbeitet.

Für maxon werden die bestehenden strategischen Anwendungsgebiete an Bedeutung zunehmen. Hervorzuheben sind die Medizintechnik, Industrieanwendungen mit Schwerpunkt Automatisierung, Robotik und möglicherweise Teilbereiche im Fahrzeugbau. Die asiatischen Märkte werden vermutlich das grösste Wachstumspotential aufweisen. maxon wird, egal wo die zukünftigen Märkte sein werden, dort vertreten sein und alles daran setzen, unseren Kunden mit unseren Leistungen Vorteile zu verschaffen.

Sie sind seit dem Start von maxon 1967 dabei, seit 1990 CEO, seit 2004 VR-Präsident. Wann werden Sie kürzer treten und wer wird Ihre Nachfolge im operativen Bereich übernehmen?

Ich habe eine gute Entwicklung bei maxon erleben dürfen. Zurzeit ist noch nicht an kürzer treten zu denken. Zu viele Dinge müssen noch aufgegleist werden. Der Traum, man könnte etwas kürzer treten, trifft erst dann zu, wenn man ausgeschieden ist. Den operativen Bereich gebe ich Ende 2006 oder anfangs 2007 ab. Mein Nachfolger ist bestimmt und ich werde ihn rechtzeitig bekannt geben. Jetzt ist es noch etwas zu früh.

Sie haben zwei Wünsche frei, wie sehen diese aus?

Wenn ich mir zwei Wünsche aussuchen dürfte, dann würde ich mir gute Gesundheit im Kreise meiner Familie und einen erfolgreichen Führungswechsel bei maxon wünschen.




maxon motor AG
Die maxon motor AG mit Sitz in Sachseln/OW ist spezialisiert auf die Entwicklung, Herstellung und den Vertrieb von hochwertigen Antriebskomponenten und -systemen. Das Unternehmen ist in allen Schlüsselmärkten präsent und beschäftigt heute 1400 Mitarbeitende an den Standorten Sachseln (CH), Sexau (D) und Veszprém (Ungarn). Die maxon motor AG produziert alle wichtigen Komponenten ihrer Antriebssysteme auf selbstentwickelten Maschinen und Fertigungsstrassen. Zu den Schlüsseltechnologien des Unternehmens zählen verschiedene Wicklungsverfahren, die Motorenfertigung, der Getriebebau sowie der Einsatz von Hightech-Keramik und Magnetencoder-Bauteilen inklusive dazugehöriger Elektronik.

Die maxon motor AG ist massgeblich an den Marsmissionen beteiligt, die Anfang 2004 gestartet sind. Nachdem das Obwaldner Hightech-Unternehmen bereits 1997 die Antriebsmotoren für das Marsmobil «Sojourner» geliefert hat, stattete es nun die beiden Marsmobile «Spirit» und «Opportunity» der NASA aus: Bei den beiden Marsmobilen stammen jeweils 39 der 40 Motoren aus dem Hause maxon. Auch die europäische Raumfahrtbehörde ESA baut auf Antriebe aus Obwalden. Beim Kometenjäger «Rosetta», der im März 2004 gestartet ist, steuern maxon-Motoren Instrumente an Bord des Landers. Diese kommen erst in etwa 10 Jahren zum Einsatz, wenn die Untersuchungen auf dem Kometen beginnen.

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