Kreise: Shell erwägt Übernahme von BP

New York – In der britischen Ölindustrie könnte es demnächst zu einer Megaübernahme kommen. Shell arbeite mit Beratern an der Prüfung des möglichen Kaufs von BP, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg am Wochenende unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertrauter Personen. BP wird an der Börse aktuell mit umgerechnet knapp 66 Milliarden Euro bewertet. Shell ist derzeit gut 175 Milliarden Euro schwer. Zusammengerechnet erreicht die Börsenbewertung fast die gesamte Wirtschaftsleistung Portugals. Allerdings ist bei einer Übernahme ein spürbarer Aufschlag auf den letzten Aktienkurs üblich, sodass das Land auch noch überholt werden könnte.
Shell warte aber auf einen weiteren Verfall des Aktienkurses von BP und der Ölpreise, hiess es in den Kreisen weiter. Das BP-Papier hat binnen eines Jahres fast ein Drittel eingebüsst. Ende April hatte Konzernchef Murray Auchincloss Anleger mit einer weiteren Reduzierung von Aktienrückkäufen erneut enttäuscht. Sie gelten als ein wichtiger Faktor, der die Branche für Anleger attraktiv macht. Ein wegen schlechterer Geschäfte zurückgehender Barmittelzuflusses und steigende Schulden machen es BP zunehmend schwer, noch Geld an die Aktionäre auszuschütten.
In der Kritik steht das Unternehmen auch wegen der 180-Grad-Wende zurück zum Öl- und Gasgeschäft, der allerdings auch von Konkurrenten vollzogen wurde. Auchincloss-Vorgänger Bernard Looney hatte noch den Bereich Alternative Energien stark ausbauen wollen. Zusätzliche Unruhe bringt der US-Hedgefonds Elliott Management in das Unternehmen Dieser hält mittlerweile eine grössere Aktienposition und fordert stärkere Kostensenkungen. Zudem soll der Konzern weitere Unternehmensteile veräussern und mehr Barmittel anhäufen. Bis 2027 soll BP nach Vorstellungen des Investors einen freien Barmittelzufluss von 20 Milliarden Dollar erzielen – das liegt um etwa 40 Prozent über dem derzeitigen Ziel des Unternehmens.
Die Ölpreise sind gemessen am Preis für ein Barrel der Sorte WTI innerhalb eines Jahres um gut ein Fünftel gefallen. Dafür gibt es mehrere Gründe. So belasten immer wieder Ängste um einen Einbruch der Weltwirtschaft aufgrund der US-Zollpolitik die Preise. Im April hatte die Ankündigung einer deutlichen Erhöhung der Fördermenge durch Opec+, in der neben Opec-Staaten auch andere wichtige Ölstaaten wie Russland organisiert sind, den Markt nach unten gedrückt. Am Samstag einigte sich die Gruppe auf eine weitere Anhebung.
Shell habe Durchführbarkeit und Vorteile einer Übernahme in den vergangenen Wochen mit seinen Beratern ernsthafter diskutiert, hiess es in den Kreisen weiter. Eine endgültige Entscheidung dürfte von der Entwicklung des BP-Aktienkurses abhängen. Die Erwägungen befänden sich in einem frühen Stadium und Shell könnte sich auch dazu entschliessen, sich auf Aktienrückkäufe und kleinere Übernahmen zu konzentrieren.
Ein Shell-Sprecher wiederholte der Nachrichtenagentur zufolge frühere Aussagen des Unternehmens. BP habe sich nicht äussern wollen. (awp/mc/ps)