Kudelski: Auf der verzweifelten Suche nach dem fairen Wert der Aktie


Nach der Gewinnwarnung von Kudelski haben die Analysten ihre Schätzungen für das Kursziel der Aktie massiv nach unten angepasst. Das Nachsehen haben die Kleinanleger, die bei Kudelski noch investiert sind.

Von Mark Baer


(Foto: Nina Süsstrunk)
«Die spinnen doch, die Analysten!». Ein Kleinaktionär, der mit den Aktien von Kudelski in den letzten drei Monaten mehr als die Hälfte seines eingesetzten Geldes verloren hat, macht seinem Ärger Luft. «Das kann ich nicht glauben! Wie ist es möglich, dass Kudelski jetzt plötzlich nur noch einen fairen Wert von 18 Franken haben soll?» Die Aktienexperten haben das Westschweizer Technologieunternehmen bis zur Gewinnwarnung vor einer Woche immer wieder in den allerhöchsten Tönen gelobt und sich mit Kaufempfehlungen gegenseitig überboten. Nun nach dem dramatischen Kurseinbruch der letzten Tage haben die Analysten ihre Einschätzungen zur Kudelski-Aktie nach unten korrigiert – und dies zum Teil massiv.

Das (Kursziel-)Streichkonzert(Bild: Keystone)
Die Analysten der Deutschen Bank zum Beispiel gaben für die Kudelski-Papiere bis vor kurzem ein hochtrabendes Kursziel von 200 Franken an. Nun revidieren die Aktienexperten ihre Einschätzung und sehen den fairen Wert für den Technologie-Valor noch bei 24 Franken. Am Donnerstag haben auch die Analysten der Banca del Gottardo das Kursziel von Kudelski von 100 auf 47 hinuntergeschraubt. Auch die Preisziel-Korrektur (von 130 auf neu 25 Franken) von UBS Warburg mutet im nachhinein nicht sehr glaubwürdig an.

«Für so etwas braucht es doch keine Analysten!»Ein Privatanleger, der sich in einem Mail an Moneycab gewendet hat, versteht die Welt nicht mehr. «Nachdem eine Aktie dermassen eingebrochen ist, kann auch ich als Nicht-Profi das Kurziel so einfach nach unten anpassen. Für so etwas braucht es doch keine Analysten.» Auch andere Reaktionen von Kleinanlegern zeigen, dass die Analysten ihre Glaubwürdigkeit ein Stück weit verspielt haben. «In Zukunft werde ich nicht mehr auf diese so genannten Experten hören», schreibt ein anderer genervter Kleinanleger der Moneycab-Redaktion.

In die Kudelski-Aktie verliebtAuch Hans Kaufmann, Wirtschaftsberater und Ex-Chefanalyst bei der Bank Julius Bär, hat kein Verständnis für seine früheren Kollegen. «Ich begreife nicht, wie man den Anlegern so lange, so grosse Hoffnungen machen konnte.» In den Augen Kaufmanns war die Gewinnwarnung und damit der Absturz der Kudelski-Aktie vorhersehbar. Man wusste, dass es den Kunden von Kudelski nicht gut geht. «Die haben schlicht ein zuwenig gutes Research gemacht!» Er selber habe beim Technologiewert schon im Juni ein Minuspotenzial von 65 Prozent ausgemacht. «Ich glaube, dass sich gewisse Analysten der neuen Generation in den Titel verliebt haben. Viele so genannte Experten glaubten offenbar, dass alte Massstäbe heute nicht mehr gelten.»

Aktienempfehlung mit kurzer Halbwertszeit«Kudelski war ein Börsenliebling», sagt Rolf Biland vom unabhängigen Vermögenszentrum in Zürich. Weil alle Analysten in Kaufstimmung waren, hätte – trotz Eintrübung des Wirtschaftsumfelds – niemand den Mut gehabt, den Titel kritischer zu beurteilen. Allerdings hält Biland den Brokern zugute, dass sich die Situation mit der Gewinnwarnung wirklich grundlegend geändert habe und es deshalb zu den massiven Kurszielkorrekturen kommen musste. Allerdings seien Aktienempfehlungen immer mit einer gewissen Vorsicht zu geniessen. Ein Analystenrating habe eine extrem kurze Halbwertszeit. «Heute ist eine Einschätzung gut, schon morgen aber stimmen nur noch 80 Prozent.» Die Ratings sind also sehr schnell überholt.

Von Gewinnwarnung total überraschtAuch Reto Portmann, Technologieanalyst der Bank Sarasin sah sich gezwungen, das Kursziel von 80 auf 28 Franken zu reduzieren. Gleichzeitig stufte er die Kudelski-Aktie von «Buy» auf «Neutral» herunter. «Eine kleine Gewinnwarnung habe ich ja erwartet, aber nicht in diesem Stil», rechtfertigt Portmann sein «Downrating». «Alle wurden von der Warnung überrascht, das sieht man auch dem tiefen Fall der Aktie an.» Tatsächlich scheint die vereinigte Analystenzunft bis zum Schluss an die vielen Beteuerungen von André Kudelski geglaubt zu haben. «Die Erwartungen, die das Management geweckt hat, sind offensichtlich zu hoch gewesen», fasst Portmann gegenüber Moneycab die Situation zusammen.

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