Kunstmuseum Bern: Horn Please!

Horn Please! Dies schreiben die Lastwagenfahrer in Indien hinten auf ihre Ladebrücken. Man soll durch hupen auf sich aufmerksam machen, damit man vorgelassen wird oder nicht von einem rückwärts fahrenden Lastwagen überrollt wird. Horn Please! – Auch die Kunst aus Indien ist kommunikativ und hat uns etwas zu erzählen. Das Erzählerische gehört seit langem zur indischen Kultur: in Mythen und Legenden, Religionen und Göttergeschichten, in oralen literarische Traditionen und in der «Bollywood»-Unterhaltungsindustrie nimmt die Erzählung einen zentralen Platz ein. Die über 30 an der Ausstellung beteiligten Künstler/innen zeichnen ein lebendiges Bild vom heutigen und gestrigen Indien. Sie stellen Szenen des Alltagslebens und Fiktionen, Mythologie und Satire, Autobiografisches, Gesellschaftliches und Geschichtliches dar. So vereint Horn Please unterschiedliche Sichtweisen auf Indien, erzählerisch umgesetzt von Künstlerinnen und Künstlern, die den grössten Teil ihres Lebens in diesem Land verbracht haben.








Arpita Singh, Thirty Six Clouds: Yudhishthira Approaching Heaven, 2005.


Grosser Wandel im Land der Vielfältigkeit
Die ökonomischen und sozialen Auswirkungen der Globalisierung sorgten im Laufe der letzten Jahre auch in Indien für grossen Wandel. Die Werke in der Ausstellung widerspiegeln diese gewaltigen wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Veränderungen, die in Indien, dem Land der zahlreichen Sprachen, Religionen und Kulturen stattgefunden haben. Viele Werke in der Ausstellung setzen sich mit eben diesem Thema auseinander: was es bedeutet, in einem Land zu leben, dessen Heterogenität schon immer der wunde Punkt, aber auch sein ganzer Reichtum war. Und sie reagieren ebenso auf unsere Zeit – auf die Frage, was es bedeutet, in einem Zeitalter zu leben, in dem der Einzelne sich nicht nur in einer Welt bewegt, sondern in vielen einander kreuzenden, überlappenden und unverbundenen Welten. Zeitgenössische Künstler/innen nehmen es aber auch als ihre Aufgabe wahr, den sozial Benachteiligten oder den ethnischen/religiösen Minderheiten eine Stimme zu verleihen und ihre Geschichte zu erzählen.


N S Harsha, Dyeing the Great Indian, 200


Geschichten ohne Anfang und Ende
Horn Please zeigt Kunstwerke von ca. 1980 bis heute und ist in vier Kapitel gegliedert: 1. Aufeinander prallende Erzählwelten; 2. Place for People – ein Wiederaufleben; 3. Alte Geschichten – neu erzählt/Beredte Metapher; und 4. Leben in Alices Zeit. Die Geschichten verlaufen in alle Richtungen, werden mit wechselnden Medien, in unterschiedlichen Zeitperspektiven und ohne durchgängigen Erzählstrang, ohne Anfang und Ende dargeboten. Ausgehend von den 1980er Jahren, versucht die Ausstellung anhand des roten Fadens der Narration einerseits Beständigkeiten und Brüche in der indischen Kunstproduktion aufzuweisen. Andererseits sollen singuläre Werke präsentiert werden, die Dank ihrer erzählerischen Komponente das Potenzial besitzen, uns – unabhängig von unserer geografischen und kulturellen Herkunft – sehr direkt zu berühren, lustvoll zu unterhalten, mit kritischen Gesellschaftsfragen zu konfrontieren oder durch «Leerstellen» in der Narration zum aktiven Mitmachen anzuregen: Horn Please! Eine Ausstellung über das Erzählen, als Erzählung inszeniert. (kmb/mc/th)

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