Merkel: Europa benötigt eigene Rating-Agentur

In der «Financial Times» (Mittwochausgabe) plädierte Merkel für eine eigene europäische Rating-Agentur in Konkurrenz zu den US-amerikanischen Marktführern. «Europa hat sich dank des Euro eine gewisse Unabhängigkeit erarbeitet. Aber wir haben – was die Regelsetzung, die Transparenz und die gesamte Standardisierung der Finanzmärkte anbelangt – nach wie vor ein sehr stark angelsächsisch dominiertes System», sagte Merkel. Auf mittlere Sicht benötige Europa eine funktionierende Rating-Agentur, damit sich die Stärke des Euro in einem grösserem Einfluss auf die Regeln der Finanzmärkte widerspiegele.


G8-Vorschlag aufgenommen
Die Bildung einer europäischen Rating-Agentur als Konkurrent zu den Marktführern Moody’s und Standard&Poor’s gehört zu den Vorschlägen für das Finanzsystem, die Deutschland der Gruppe der sieben führenden Industrieländer und Russland (G8) unterbreitet. Die Finanzmarktkrise ist auch Thema beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs der G8-Staaten USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Kanada, Italien und Russland Anfang Juli in Japan.


Finanzmarktkrise verschlafen?
Rating-Agenturen bewerten die Kreditwürdigkeit von Firmen und Produkten. Die Politik wirft ihnen vor, in der Finanzmarktkrise zu spät reagiert und versagt zu haben. Die Produkte mit zweitklassigen US-Immobilienkrediten, die die Krise ausgelöst hatten, wurden auch ohne Bedenken von Banken erworben, weil Bewertungsgesellschaften wie Moody’s oder Standard&Poor’s die Bonität der Produkte und Schuldner positiv und Ausfallrisiken gering bewerteten. Kritiker sehen zudem einen Interessenkonflikt, weil die Gesellschaften Berater für diese strukturierten Produkte seien und diese bewerteten. Die Agenturen bestreiten den Konflikt. Die Politik will mehr Transparenz.


«Verhältnis von Eigenkapital zum Risiko überdenken»
Merkel sprach sich in der «Financial Times» auch dafür aus, die Eigenkapitalanforderungen bei Finanzprodukten mit hohem Risiko zu verstärken. «Man sollte über das Verhältnis von Eigenkapital zum Risiko nachdenken», sagte sie. So sei für bestimmte Produkte, die ein höheres Risiko haben, eine stärkere Eigenkapitalunterlegung zu prüfen. Die Kanzlerin schloss sich der Aussage von Bundespräsident Horst Köhler nicht an, der die Finanzmärkte als «Monster» bezeichnet hatte. Allerdings seien Finanzmarktprodukte viel intransparenter als Erzeugnisse der Industrie, mit denen die Menschen vertraut seien. (awp/mc/ps)

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