Michael Elsaesser, CEO Youngone Corp. Europe

von Jolanda Lucchini


Herr Elsaesser, Youngone Corporation ist Hauptaktionärin der Mode- und Sportbekleidungsmarke Poivre Blanc, die seit 2009 die Schweizer Skicross-Nationalmannschaft ausrüstet. Diese hatte an den Winterspielen in Vancouver  grossen Erfolg: Mike Schmid holte die Goldmedaille heim. Inwieweit wird sich dieser Sieg für Poivre Blanc auswirken?

Wir hatten viele positive Reaktionen aus all unseren Vertriebsländern, man hat Poivre Blanc in Vancouver gesehen. Bis jetzt wurde Poivre Blanc als Damen- und Kindermarke wahrgenommen, mit Herrenskibekleidung stehen wir erst ganz am Anfang. Hier hoffen wir nun dank Skicross den Bekanntheitsgrad steigern zu können.


Im Gegensatz zu Poivre Blanc ist die Youngone Corporation selber beim Konsumenten kaum bekannt, da die Firma vor allem als Sportbekleidungs-Zulieferin agiert. Für welche Labels produzieren Sie?

Im Outdoor-Bereich für Marken wie The Northface, Patagonia oder Jack Wolfskin, im allgemeinen Sportbereich für Nike, im Schneesport für Burton, Scott oder Spyder, im Sportswearbereich für Polo Ralph Lauren, Lacoste oder Benetton.


Produzieren Sie nach Vorgabe der Auftraggeber oder liefern Sie auch die Designs?

Das Design stammt von den Designern unserer Marken-Kunden, ab Skizze erstellen wir Prototypen und Verkaufsmuster und gehen dann in Produktion. Das Design stammt also nicht von uns.



«Wir sind von unseren Exportmärkten her bewusst sehr ausgeglichen.» Michael Elsaesser, CEO Youngone Corp. Europe


Welchen Umsatz generierten Sie 2009?

Der Umsatz der ganzen Gruppe betrug 2009 erstmals mehr als eine Milliarde USD.


Im Juli 2009 wurde Youngone Corporation in Youngone Holdings (Investment) und Youngone Corporation (Produktion) gesplittet. In den Monaten danach haben sich die Aktien von Youngone Holdings sehr gut entwickelt, jene von Youngone Corporation weniger. Warum?

Youngone Holdings ist Lizenznehmer von The Northface in Korea und verfügt damit über die in diesem Land umsatzstärkste und am schnellsten wachsende Sportbekleidungsmarke. Weil The Northface in Korea sehr erfolgreich ist, wurden dort auch vermehrt Youngone-Holdings- Aktien gekauft ? das erklärt den steileren Kursanstieg.


Wie wichtig ist der europäische Markt für Youngone Corporation?

Knapp ein Drittel unserer Kleiderexporte geht nach Europa. In die USA und nach Asien exportieren wir je etwas mehr als ein Drittel. Wir sind von unseren Exportmärkten her bewusst sehr ausgeglichen.


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Die Münchner ispo, die weltgrösste Messe Fachmesse für Sportartikel und Sportmode, verzeichnete diesen Februar mit über 64?000 internationalen Fachbesuchern gemäss den Veranstaltern eine hervorragende Bilanz. Schätzen Sie die Situation für Ihre Branche auch so rosig ein?

Wettermässig kann sich die Sportbranche über den vergangenen Winter nicht beklagen: Es war kalt und hatte früh und lange Schnee. Das Wetter ist für unsere Branche ebenso wichtig wie die Wirtschaftslage. Verschiedene Kunden haben ihre Bestelllungen bei uns gegenüber dem Vorjahr erhöht. Aber nicht alle. Auch verkauften sich nicht alle Produktgruppen gleich stark. Ein wahrer Boom herrscht bei allen Kunden bei Daunenjacken.


Youngone betreibt Fabriken in China, Vietnam und El Salvador. Wichtigster Produktionsstandort ist indes Bangladesch mit Werken in Chittagong und Dhaka. Letzteres haben Sie mit aufgebaut. Was waren die Herausforderungen?

Vor 10 Jahren leitete ich für knapp 2 Jahre in Dhaka unsere dortige Produktionsstätte mit 6000 Angestellten. Ich war als Schweizer in einer koreanischen Firma verantwortlich für eine Fabrik in Bangladesch. Es galt diese drei Wertsysteme auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen.


Können Sie ein Beispiel geben?

Ich war schon damals der Meinung: Wenn wir mehr Verantwortung ans lokale Management in Bangladesch übertragen, werden die Leute an der Verantwortung wachsen. Diese Meinung hat sich inzwischen auch in Korea durchgesetzt. In Bangladesch ist man verbreitet der Meinung, dass man sich als Vorgesetzter nicht an alle internen Firmen-Regeln ? etwa an die normalen Arbeitszeiten ? halten muss. Gegen solche Sachen habe ich mich vehement gewehrt.


Als neustes Projekt erstellt Youngone in Bangladesch derzeit eine der weltgrössten Schuhfabriken, wo dereinst 30?000 Mitarbeitende täglich 100?000 Paar Schuhe herstellen sollen. Wann wird diese eröffnet?

Wir haben bereits eine Schuhfabrik in Bangladesch, genauer: in Chittagong. Spätestens im Verlaufe des Jahres 2011 ziehen wir in die neuen Fabriken um und können dadurch auch unsere Schuh-Produktionskapazität stark ausbauen.



«Sobald andere, neue Industrien entstehen, wollen die Leute nicht mehr in der Textilindustrie arbeiten, auch bei erhöhten Löhnen nicht.»


Was macht Bangladesch als Produktionsstandort so attraktiv?

Kleider- aber auch Schuhproduktion sind sehr arbeitsintensiv, sie brauchen viele Arbeiter. Diese findet man in Bangladesch mit einer Bevölkerung von fast 150 Millionen Menschen. Die Bangladeschis sind arbeits- und lernwillig, was ebenfalls eine wichtige Voraussetzung ist. Als ehemalige englische Kolonie ist Englisch als Sprache zudem weit verbreitet. Nicht zuletzt haben Importe aus Bangladesch ? ein LDC-Land (least developed country) ? auch gewisse Zollvorteile gegenüber jenen aus anderen asiatischen Ländern inkl. Vietnam und China.


Wie sehr spielt es eine Rolle, dass es in Bangladesch ausserhalb der Landwirtschaft und Textilindustrie kaum Verdienstmöglichkeiten gibt?

Das kommt dazu. Sobald andere, neue Industrien entstehen, wollen die Leute nicht mehr in der Textilindustrie arbeiten, auch bei erhöhten Löhnen nicht. Dies haben wir vor Jahrzehnten in der Schweiz und Europa erlebt ? und erleben es heute in China. Man findet dort nicht mehr genügend Näherinnen, die Leute ziehen es vor, in der Elektronikindustrie oder im Dienstleistungssektor zu arbeiten. In Bangladesch haben wir dieses Phänomen noch nicht, da es neben der Texilindustrie wenig andere Industrien gibt.


Plant Youngone weitere Projekte?

Im Bekleidungsbereich produzieren wir heute vor allem Webwaren, also Jacken und Hosen. Nun wollen wir die Produktion im Wirkwarenbereich aufbauen, d.h. auch T-Shirts und Pullover herstellen.


Youngone wurde in den Medien auch schon bezüglich Ausnützung von Mitarbeitenden in Zusammenhang gebracht. So soll eine Näherin in El Salvador für eine Toplabel-Regenjacke für 170 Franken nur einen Franken erhalten. Stimmt das?

Die Erklärung von Bern hat diese Meldung in der Schweiz verbreitet. Dazu kann ich sagen: In El Salvador produzieren wir gar keine Regenjacken. Zudem: Wenn eine Näherin einen Franken pro Regenjacke verdienen würde, hätte sie einen Tageslohn von mindestens 100 Franken, weil in einer Produktionslinie pro Tag mindestens 100 Stück Regenjacken produziert werden. Sie würde also mehr als eine Näherin in Portugal verdienen ? bei deutlich tieferen Lebenskosten.


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In Asien produzierende Firmen sind mehr und mehr bestrebt, durch karitatives und ökologisches Handeln ihr Image zu stärken. Was unternimmt Youngone in diesen Bereichen?

Sie sind für uns sehr wichtig. Wir sind zum Beispiel grösster Kleiderspender von Worldvision. In unserer Off Season produzieren wir mit Stoffen, die von Kunden annulliert wurden, gratis Kleider für diese Nonprofit-Organisation. Wenn Bangladesch von Naturkatastrophen heimgesucht wird, was leider immer wieder vorkommt, schicken wir unsere Fabrikärzte ? es sind mehr als 30 ? jeweils vor Ort. Bezüglich Umweltschutz: Wir erstellten vor 15 Jahren die zweite Kläranlage in Bangladesch. Und derzeit sind wir daran, unsere Stoffproduktion nach dem unabhängigen Label Bluesign zu zertifizieren, das für Nachhaltigkeit, Umweltschutz, Gesundheit und Sicherheit steht.


Sie haben initiiert, in Bangladesch Schweizer Kühe zu züchten. Welche Idee steckt dahinter?

Eine Kuh gibt in Bangladesch nur 4 Liter Milch. Das bedeutet, dass es zuwenig Milch hat für die Bevölkerung und der Milchpreis fast so hoch ist wie in der Schweiz. Wir wollen nun in erster Linie für unsere Mitarbeiter Milch produzieren. Fernziel sind 1000 eingekreuzte Schweizer Kühe, die je 20 Liter pro Tag geben. Wir stehen derzeit am Anfang mit 50 Kühen und bilden Leute in Boden- und Graswirtschaft sowie in Viehwirtschaft aus.


Welchen Stellenwert hat Forschung und Entwicklung bei Youngone?

Wir haben eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilungen. So waren wir einer der ersten Produzenten, der nahtlose Jacken herstellte. Unsere grösste Forschungs- und Entwicklungsabteilung befindet sich in Bangladesch, was sicher auch für dieses Land spricht.


«In unserer Off Season produzieren wir mit Stoffen, die von Kunden annulliert wurden, gratis Kleider für diese Nonprofit-Organisation (World Vision).»


Gerade im Outdoor-Bereich wollen immer mehr Konsumenten, dass ihre Bekleidung fair, sozial und ökologisch korrekt hergestellt wird. Ein Kriterium ist auch die Wiederverwertbarkeit von Kleidern. Ist Recycling für Youngone auch ein Thema?


Wir verarbeiten Stoffe aus recycliertem Material zu Kleidern ? zum Beispiel Stoffe, die auf Basis von PET-Flaschen produziert wurden. Die Kleider selber zu recyclieren ist hingegen praktisch nicht möglich. Dazu müsste man sie in ihre verschiedenen Grundmaterialien zerlegen, was nur in Ausnahmefällen funktioniert, denn eine Jacke besteht nicht selten aus bis zu 50 verschiedenden Materialien. Der Stoff einer modernen Outdoorjacke ist zudem fast immer ISE-beschichtet. Diese Spezialbeschichtung lässt sich nicht mehr vom Oberstoff trennen. Dazu kommt, dass Kleiderrecycling auch energetisch gesehen keinen Sinn macht.


Ihr Chef Kihak Sung, Vorsitzender von Youngone Corporation, soll einen ganz eigenen Führungsstil haben. Typisch koreanisch?

Kihak Sung ist der Gründer und heute grösster Einzelaktionär. Er pflegt einen sehr patriarchalischen, manchmal auch autokratischen Führungsstil. Dies ist für Korea nichts Ungewöhnliches und kann den Vorteil haben, dass man sehr schnell zu Entscheiden kommt. Schneller als andere, die solange diskutieren, bis sie eine Chance verpasst haben.


Was ist das Wichtigste, das Sie von ihm gelernt haben?

Dass es zu jedem Problem eine Lösung gibt.





Der Gesprächspartner:
Michael Elsaesser, 50, ist in Bern aufgewachsen. Nach dem Jurisprudenz-Studium an der Universität Bern arbeitete er als Textil-Productmanager bei Intersport International. Ab 1991 war er in verschiedenen Positionen bei Youngone Korea tätig, mit Arbeitsorten in Korea, Bangladesch und in der Schweiz. Heute ist Michael Elsaesser Geschäftsführer der Textilfirma Youngone Corporation Europa mit Sitz in Muri bei Bern. Seit 2000 steht er zudem als Verwaltungsratspräsident Poivre Blanc vor.


Die Unternehmung:
Youngone Corporation wurde 1981 in Korea gegründet. Das Headoffice ist in Seoul domiziliert. Mit 55’000 Mitarbeitenden ist die Firma eine der weltweit grössten Produzentinnen für Sportbekleidung, hat aber auch eigene Stoff- Schuh- und Taschenfabriken. Youngone betreibt Werke in Bangladesch (2), Vietnam (1), China (1)und El Salvador (1) und erwirtschaftet einen Umsatz von über einer Milliarde USD (2009). Das Unternehmen produziert für bekannte Sportkleidermarken wie Nike, The North Face, Jack Wolfskin und Polo Ralph Lauren. Ausserdem hat es für verschiedene Marken die Lizenz für den koreanischen resp. chinesischen Markt und ist zudem Hauptaktionärin von Poivre Blanc mit Sitz in Marseille (F). Die Produktpalette von Poivre Blanc umfasst Ski-, Tennis-, Golf-, Outdoor- und Sportbekleidung.

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