Michael Paravicini, CIO ZFS: «Wir bezahlen auf On-demand-Basis»


Die Zurich Financial Services (ZFS) hat am 26. Juli die Auslagerung der Anwendungsentwicklung an Computer Sciences Corporation (CSC) im Umfang von 1.3 Milliarden USD bekannt gegeben. Michael Paravicini erklärt im Moneycab Interview die Hintergründe.

Von Helmuth Fuchs


Michael Paravicini, CIO ZFS (Foto: pd)
Moneycab: Herr Paravicini, die Zurich Financial Services (ZFS) will einen grossen Teil ihrer Informatikabteilung an die Computer Sciences Corporation (CSC) auslagern. Dafür ist ein maximaler Betrag von ungefähr 1.3 Milliarden US Dollar für die nächsten sieben Jahre vorgesehen. Begründet wird der Schritt mit Kosteneinsparungen und Anschluss an die neuesten IT-Entwicklungen. Entlassungen soll es keine geben, da die CSC alle Mitarbeiter übernehme.

Wenn also die gleichen Leute das Gleiche tun, wenn möglich noch in besserer Qualität, woher kommen dann die Einsparungen und wie hoch werden diese beziffert?

Michael Paravicini: Die Einsparungen kommen aus einer Kombination von verschiedenen Massnahmen: Die Vereinbarung mit CSC gibt uns einerseits die Flexibilität, schneller und effizienter auf Nachfrageschwankungen nach
Applikations-Dienstleistungen zu reagieren, und zwar weltweit.
CSC ihrerseits hat die Möglichkeiten, die jeweils notwendigen Ressourcen zu identifizieren und die im Moment nicht benötigten anderweitig einzusetzen
sowie, zu einem späteren Zeitpunkt und unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen, auch einen Teil dieser Arbeiten aus Offshore-Ländern zu erbringen. Unsere Mittel sind also nicht mehr in den einzelnen Ländern fix
gebunden, sondern wir bezahlen auf On-demand-Basis.

Ein weiterer Teil der Vereinbarung besteht darin, Tools und Prozesse innerhalb der ganzen Gruppe zu vereinheitlichen. Dies wird die Komplexität der jetzigen Applikations-Landschaft reduzieren und die Kostentransparenz erhöhen. Darüber hinaus wird CSC ihr hohes Know-how in die Entwicklung von neuen Applikationen einbringen und so Synergien ausschöpfen.

Von all diesen Massnahmen zusammen erwarten wir, über die vereinbarte Vertragsdauer von sieben Jahren hinweg, eine Einsparung von ungefähr 20%.


«Oftmals nutzen Unternehmen Outsourcing, um einen Organisationswechsel einzuleiten. Wir haben zuerst die IT-Organisation geändert und dann entschieden, wo Outsourcing Sinn macht und der neuen Organisation einen Mehrwert bringt.» Michael Paravicini, CIO ZFS



Als Chief Information Technology Officer (CIO) der ZFS sind Sie für die Informatik-Strategie des Unternehmens zuständig. Ihr Kollege, Herr Zygmunt Mierdorf, Vorstandsmitglied der Metro Group, gilt als einer der innovativsten IT-Vorstände und steht dem Outsourcing sehr skeptisch gegenüber. Darauf angesprochen meinte er neulich in einem Interview der Computerwoche «Wir versuchen, die Synergiepotenziale erst einmal intern zu
heben». Was sind Ihre Gründe, im Outsourcing die beste Lösung für die ZFS zu sehen?

Ich kann Herr Mierdorf mit diesem Vorgehen nur Recht geben. Wir haben in den letzten eineinhalb Jahren unsere IT-Organisation umgestellt und sie unserem neuen Business-Modell angepasst. Dabei haben wir mögliche
Synergiepotentiale schon berücksichtigt, wie unter anderem die Konsolidierung der Rechenzentren zeigt. Oftmals nutzen Unternehmen Outsourcing, um einen Organisationswechsel einzuleiten. Wir haben zuerst die IT-Organisation geändert und dann entschieden, wo Outsourcing Sinn macht und der neuen Organisation einen Mehrwert bringt.


Die ZFS beschreitet einen konsequenten Weg des Outsourcings. Auf IBM (Management der elektronischen Arbeitsplätze) und Equant (Betrieb der Daten- und Sprachnetzwerke) folgt nun CSC (Entwicklung und Unterhalt von Informatik-Anwendungen). Was macht die ZFS bezüglich der Informatik noch selbst?

Wir haben ein IT-Budget von über einer Milliarde Dollar pro Jahr. Wenn alle Optionen ausgeschöpft werden, erhält CSC davon knapp 200 Millionen Dollar pro Jahr. Von den weltweit rund 3’400 Mitarbeitern im Applikationsbereich
werden nur rund 1’600 Mitarbeiter zu CSC wechseln. Von der Infrastruktur wurde ebenfalls nur der Unterhalt der Arbeitsplätze an IBM ausgelagert, was lediglich einem kleinen Teil der Aufgaben und Ausgaben rund um die gesamte Infrastruktur entspricht. Sie sehen also, ein grosser Teil der IT ist noch immer in der Zürich integriert. Das muss auch so sein, denn die strategischen Vorgaben im IT-Bereich und die Kontrolle der zentralen Aufgaben bleiben bei uns.


Wie viele Bewegungen gibt es auch zum Outsourcing schon eine Gegenbewegung. Die META Group veröffentlichte im Juni 2004 eine Studie, wonach 80 Prozent aller Unternehmen, die die Entwicklung und Wartung von Anwendungen auslagern, damit Probleme haben. Zu den Schwierigkeiten gehören das Überschreiten von Zeitplänen und Budgets sowie Nichteinhaltung von Spezifikationen und Anforderungen. Wie schützen Sie sich gegen dieses
Risikopotential?

Wir haben die Risiken von verschiedenen Seiten her eingegrenzt. Zum einen beschränkten wir uns beim Outsourcing grundsätzlich auf einzelne Dienstleistungen, deren Ausführung genau kontrolliert und gemessen werden
kann. Diese Aufgabe wird von neu ernannten Account-Managern wahrgenommen. Auch verbleiben das versicherungsrelevante Know-how und die Kontrolle über
die Schnittstellen zu unseren internen und externen Kunden in unserer Hand.

Mit CSC haben wir zudem einen Partner gewählt, der Erfahrung und einen beachtlichen Erfolgsausweis in der Finanzdienstbranche und speziell in der Versicherungsbranche hat. Und schliesslich haben wir für die Vertragsverhandlungen mit TPI einen Outsourcing-Berater gehabt, der weltweit schon über 600 solcher Outsourcing-Projekte betreut hat und darum auch genau wusste, auf welche Punkte man achten muss, um bei der späteren Umsetzung Missverständnisse und als Folge davon Abweichungen zu vermeiden. Die weltweit von TPI mitverhandelten Projekte wurden bisher zu über 90%
erfolgreich umgesetzt.


Die Informatikabteilung der ZFS hat eine bewegte Vergangenheit. Wie die meisten Finanzunternehmen war auch die ZFS noch vor wenigen Jahren der Überzeugung, dass die Informationstechnologie und deren Beherrschung ein zentraler Erfolgsfaktor für das Unternehmen sei. Was hat sich daran geändert?

Wir sind auch weiterhin der Überzeugung, dass diese Aussage gültig ist. Der Erfolg eines Unternehmens ist eng mit einer gut funktionierenden und die Strategie optimal unterstützenden Informationstechnologie verbunden. Um
dies zu gewährleisten, muss man die IT in der Tat beherrschen. Das heisst aber nicht, dass wir jeden Handgriff selber machen müssen, wenn es Unternehmen wie IBM und CSC gibt, die diesbezüglich perfekt auf unsere
Bedürfnisse eingehen und diese Dienstleistung auch noch effizienter liefern können.


Mit der Auslagerung geht ja gleichzeitig auch der Verlust von Know-How einher. Wie können Sie sicherstellen, dass Sie in Zukunft noch in der Lage sind, sowohl die Spezifikationen so abzufassen, dass Sie das Richtige bekommen als auch genügend Spezialistenwissen haben, dass Sie das gelieferte Resultat bezüglich Qualität und Preis beurteilen können?

Um das zu gewährleisten, haben wir eine globale Sourcing-Organisation aufgebaut, die über sehr erfahrene Mitarbeiter verfügt und die die Verantwortung für die weltweiten Sourcingverträge trägt. Die Dienstleistungen werden lokal erbracht, aber die Steuerung der vertraglichen Aspekte wird ausschliesslich zentral wahrgenommen. Damit Outsourcings erfolgreich sind, braucht es intern auch weiterhin erfahrene Leute, die die getroffenen Vereinbarungen managen und deren Umsetzung begleiten. Und wie schon gesagt, haben wir von Anfang an sichergestellt, dass die Kernkompetenzen und das versicherungsrelevante Know how bei uns im Unternehmen bleiben.


Wichtige Argumente, die Informatik im eigenen Hause zu behalten sind für viele Unternehmen diejenigen der Kontrolle und der eigenständigen Kernprozesse. Dem gegenüber steht das Interesse des Outsourcingpartners, die Kontrolle selbst zu haben und möglichst viele Prozesse aus Kosten- und Wiederverwendungsgründen zu standardisieren. Wie wollen Sie sicherstellen, dass die ZFS ihre Eigenständigkeit zum Beispiel bei der Produktegestaltung und bei anderen zentralen Anwendungen nicht aufgeben muss?

Natürlich haben wir uns diese Fragen während der Vertragsverhandlungen auch gestellt und die Antworten darauf sind in den Vertrag eingeflossen. Von zentraler Bedeutung wird diesbezüglich in Zukunft aber sicher eine
reibungslose Kommunikation zwischen CSC, den Account-Managern und unseren internen Kunden sein. Ist diese gewährleistet, lässt sich eine für alle Parteien zufrieden stellende Lösung finden.


Der Entscheid zum Outsourcing könnte implizit auch so gedeutet werden, dass der Applikations-Bereich für die ZFS strategisch nicht mehr von zentraler Bedeutung ist. Welchen Einfluss wird dieser Entscheid auf die verbleibenden Informatik-Mitarbeiter haben?

Davon kann keine Rede sein. Der Applikations-Bereich hat auch weiterhin eine zentrale Bedeutung. Genau aus diesem Grund behalten wir die Kontrolle über unser versicherungsrelevantes Know-how und die Schnittstellen zu unseren internen und externen Kunden bei uns in der Zürich. In den Ländern, in denen das Outsourcing durchgeführt wird, werden bei den verbleibenden
Mitarbeitern die Funktionen teilweise ändern bzw. ausgebaut werden. Für die Mitarbeiter der anderen Länder wird sich vorderhand nichts ändern.

Doch wie auch immer sich unsere IT-Organisation weiterentwickeln wird: mit den letzten beiden grossen Outsourcings haben wir unseren Mitarbeitern bewiesen, dass wir grossen Wert auf eine offene Kommunikation sowie auf gute und faire Lösungen für diejenigen Mitarbeiter gelegt haben, die zu bekannten, weltweit tätigen IT-Dienstleistern gewechselt sind. Und daran wollen wir auch in Zukunft festhalten.


Durch den Abgang von zahlreichen Mitarbeitern und Aufgaben, wird sich auch Ihre Funktion als CIO der ZFS verändern. Wo sehen Sie die grössten positiven und negativen Veränderungen für sich?

Meine Aufgabe als CIO wird durch das Einbinden von externen Partnern sicherlich interessanter und anspruchsvoller. Zudem sind Themen wie Business Process Opimization (BPO) sehr eng mit der IT verbunden und verlangen zusehends auch die Aufmerksamkeit des CIOs. Auch werde ich mich viel mehr als vorher dem strategischen Teil meiner Aufgabe widmen können. Die alles entscheidende Frage wird auch in den nächsten Monaten sein: Wie können wir durch den Einsatz und die konsequente Ausrichtung der IT einen strategischen Wettbewerbsvorteil für das Business erzielen?

Moneycab Interviews Michael Paravicini 
Mitglied des Group Management Board und
Chief Information Technology Officer, ZFS

geboren 1961
Schweizer Bürger

1984 Abschluss Studium an der Universität Boston mit einem Bachelor of Science in Business Administration.

1985 Verkaufsingenieur bei Hewlett-Packard in Zürich.

1986 bis 1987 Credit Suisse in Zürich: Spartenstab Kommerz Ausland, Stabstelle zur Unterstützung des ausländischen Kommerzgeschäfts.

1987 bis 1998 Price Waterhouse Management Consultants AG: u.a. als Senior Consultant, Project Manager, Senior Manager und Vizedirektor.
1995 Beföderung zum European Partner

1998 bis 2000 Credit Suisse, Zürich: Leiter Applikationsentwicklung und Lösungen, Ressortleiter und Mitglied der Direktion.

März 2000 Commerzbank: Chief Information Officer und Leiter des Bereichs Global Operations am Hauptsitz der Commerzbank in Frankfurt
September 2000 Beförderung in den Vorstand.

Mitglied des Aufsichtsrats von ThyssenKrupp Serv und Entroy AG sowie Aufsichtsrats-Vorsitzender von CommerzNetBusiness.

Januar 2003 ZFS: Chief Information Technology Officer, Mitglied des Group Management Board.

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