Michel Wichman, Grand Hotel Bellevue, Gstaad: «Erfolg ist das was folgt, wenn man etwas tut»

Von Helmuth Fuchs

Moneycab: Herr Wichman, nach dem überraschenden Abgang Ihres Vorgängers haben Sie die Leitung des Grand Hotel Bellevue übernommen. Mit 34 Jahren sind Sie der jüngste Direktor eines 5-Stern Hotels in der Schweiz. Wie sind Sie zu dieser Aufgabe gekommen?


Michel Wichman: Seit September 2002, noch vor die Neueröffnung des Grand Hotel Bellevue war ich bereits als Food&Beverage-Manager und stellvertretender Direktor für das Hotel arbeitstätig und somit der zweite Mann im Haus. Nach dem Ausscheiden der alten Direktion ging Herr Straumann davon aus, dass ich bereit war, die Führung zu übernehmen. Dies war für mich ein grosser Vertrauensbeweis und gleichzeitig eine Riesen-Herausforderung.

«Der Forderung nach tiefen Preisen kann ich nicht ganz zustimmen. Wenn man sich zum Beispiel die Preise der 4- sowie 5-Sterne Hotels in England oder Frankreich anschaut, wird man feststellen, dass diese um einiges höher liegen als in der Schweiz.» Michel Wichman, Grand Hotel Bellevue, Gstaad


Da Sie und die meisten Mitglieder Ihrer Führungscrew seit der Neueröffnung des Bellevues am 6. Dezember 2002 dabei sind, kennen Sie den Betrieb schon gut. Welche wichtigsten Änderungen haben Sie im Bellevue als erstes vorgenommen oder geplant?


Absolute Priorität hat die allgemeine Mitarbeiterzufriedenheit, die Gästebetreuung, der Erweiterungsbau und die Ruhe im Betrieb. Weiter wird grossen Wert darauf gelegt, dass der Hotelbebtrieb auf dem gewohnt hohen Qualitätsniveau gehalten und weitergeführt wird. Es wurde beinahe sofort mit einer Re-Organisation und effektiven Optimierung des Betriebsablaufes begonnen.

Im Neubau neben dem Bellevue entstehen 22 zusätzliche Zimmer und Suiten. Was ist das Bauvolumen für den Neubau und wie wird der Bau finanziert?

Wie Sie wissen, ist das Grand Hotel Bellevue Privatbesitz und gehört der Familie Straumann. Somit sind Ihre Fragen auch eine Privatangelegenheit. Uns allen ist aber bewusst, dass solche Investitionen sicher nicht selbstverständlich sind und wir im Grand Hotel Bellevue und in Gstaad wissen das auch zu schätzen. 


Vor dem Bellevue gibt es noch grössere Landreserven. Vor einiger Zeit kursierte die Idee eines Kongresszentrums mit Beteiligung einiger weiterer Partner. Wie steht es mit dieser Idee oder welche sonstigen Pläne gibt es für das Grundstück?


Die im Moment laufenden Projekte wie der Erweiterungsbau sowie der Abbruch der Curlinghalle waren für das Grand Hotel Bellevue wichtiger. Das Kongressprojekt wurde deshalb ein wenig zurückgestellt. Die Idee des Kongresszentrums ist aber immer noch aktuell und betreffend der Beteiligung einiger Partner sieht so aus, dass, bevor ein Kongresszentrum gebaut werden kann, ein gewisses Bettenkontingent sichergestellt sein muss. Dies wiederum hängt auch von der Zusammenarbeit sowie der Öffnungszeiten der anderen Hotels im Saanenland ab.


Das Bellevue hat dank zahlreicher Auszeichnungen und grosser Medienpräsenz schon einen hohen Bekanntheitsgrad. Wie sieht es mit der Auslastung im Sommer und im Winter aus und ab welcher Auslastung gestaltet sich der Betrieb profitabel?


Die Auslastung im Sommer liegt im Moment bei 55%. Die Auslastung im Winter ist mit 75% um einiges höher. Die durchschnittliche Auslastung liegt damit bei 60%. Natürlich muss man nicht vergessen, dass die Zahlen auf ein ganzes Jahr bezogen sind. Das Grand Hotel Bellevue mit seinem 2500m2 grossen Spa ist das ganze Jahr durchgehend geöffnet. Gstaad selber ist mehr ein Ort, welcher von Saisons lebt. Wenn man nur die Saisonen in Betracht ziehen würde, reden wir wieder von total anderen Prozenten. Auf das Jahr gesehen müsste die Auslastung bei 80% liegen, um den Betrieb profitabel zu gestalten.


Um schwarze Zahlen schreiben zu können, benötigen Sie zusätzliche Zimmer und weniger Personal. Wie können Sie unter diesen Voraussetzungen die Qualität aufrechterhalten?


Das ist relativ einfach: «Qualität statt Quantität». Das heisst, viel Personal bedeutet nicht immer gleichzeitig Qualität. Wir sind der Meinung, dass die Personalpolitik ein wichtiges Instrument der Unternehmensführung ist, welches die Mitverantwortung unserer Mitarbeiter fördert. Weiterhin sind wir davon überzeugt, dass zu wissen, für wen man arbeitet, für die Mitarbeiter ein nicht zu unterschätzender Sicherheits-, Identifikations- und Motivationsfaktor sein kann.


Wie sieht der typische Gast im Bellevue aus, woher kommt er, was sucht er in Ihrem Haus?


Wir haben unsere Infrastruktur mit all ihren Aspekten auf die Bedürfnisse des modernen Tourismus ausgerichtet und dank unserer flexiblen Organisation können wir sowohl Ferien- wie auch Geschäftsleute und Einheimische angemessen bewirten.


Umfragen bestätigen immer wieder, dass sich unsere Gäste erst wohl fühlen, wenn sie sehen und gesehen werden und kommunizieren können. Das eigentliche Produkt, nämlich die Speisen und Getränke, treten dabei völlig in den Hintergrund. Unsere Gäste bezahlen für nichts soviel, wie für die so genannte weichen Faktoren und die haben mit Ambiente, Gefühle, Farben, Fantasien, Emotionen und Wohlbefinden zu tun. Sie suchen das «gewisse Etwas» verpackt im normalen Rahmen, ein «Home far away from home».


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Guglielmo Brentel hat nach seiner Wahl zum Präsident der Hotellerie Suisse gleich mal tiefere Preise gefordert, weil die einheimische Hotellerie international nicht mehr konkurrenzfähig sei wegen der hohen Waren- und Personalkosten. Stimmen Sie dem zu, oder sehen Sie andere Wege, auch international erfolgreich zu sein?


Der Forderung nach tiefen Preisen kann ich nicht ganz zustimmen. Wenn man sich zum Beispiel die Preise der 4- sowie 5-Sterne Hotels in England oder Frankreich anschaut, wird man feststellen, dass diese um einiges höher liegen als in der Schweiz. Weiter steht die Schweiz immer noch für Qualität, Stabilität sowie Sicherheit. Faktoren die wir nicht unterschätzen dürfen. Meiner Meinung nach soll man die Schweiz international mehr, intensiver und zielorientierter vermarkten.

Mit vier 5-Stern und sechs 4-Stern Hotels ist die Dichte an Spitzenhotels im Dorf Gstaad sehr hoch. Was überwiegt, die Konkurrenz oder die gemeinsame Bemühung, möglichst viele Gäste nach Gstaad zu bringen?


Die Gstaader Hoteliers arbeiten mit dem Tourismusverein und der Gemeinde eng zusammen. So unterstützen wir gemeinsam alle grosse Events wie zum Beispiel das Menuhin Festival, das Swiss Open oder den Polo Silver Cup. Trotz allem sind wir der Meinung, dass wir Gstaad gemeinsam mehr als Region vermarkten sollen. So wie die Niederländer ihr Bier, ihren Käse und ihre Tulpen weltweit vermarkten, so müsste es uns auch mit dieser wunderbaren Region, dem Saanenland, gelingen.


Die Mehrheit Ihrer Gäste kommt aus der Schweiz. In welchen Märkten sehen Sie für die kommende Zeit das grösste Potential und wie können Sie diese Märkte bearbeiten?


Richtig, rund 70% unserer Gäste sind Schweizer. Wir sehen speziell in Deutschland und Grossbritannien noch ein grosses Potenzial. Besonders für Deutschland prüfen wir momentan intensiv die Zusammenarbeit mit einer bekannten deutschen Werbeagentur. Weiter ist das Grand Hotel Bellevue Mitglied der Kette Relais & Châteaux, worauf wir sehr stolz sind. Auch diesen wichtigen Kontakt werden wir in Zukunft positiver nutzen.


Als Holländer, verheiratet mit einer Österreicherin, leben Sie seit 10 Jahren in der Schweiz. Was gefällt Ihnen an Gstaad, was würden Sie gerne ändern?


Herr Fuchs, wir sitzen hier auf der wunderschönen Garten-Terrasse; Schauen Sie mal um sich herum. Die wunderschöne Umgebung, die prachtvolle Natur. Viele Leute bezahlen viel Geld, um hier in Gstaad zwei Wochen Ferien machen zu können. Meine Gattin und ich haben das Privileg, sogar das ganze Jahr hier wohnen und leben zu können.
 
Was mir und meine Gattin weiter an Gstaad gefällt, ist die hohe Lebensqualität. Ein Dorf ohne Verkehrsampeln, ohne Stau. Gleich viele Kühe wie Einwohner. Ein kleines Dorf aber trotzdem sehr international. Gstaad – my love. 


Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei, wie sehen diese aus?


Mein erster Wunsch geht hoffentlich bald in Erfüllung; und zwar hoffen meine Gattin und ich, unser erstes Kind in unsere Armen schliessen zu können. Der Geburtstermin ist am 31. Dezember 2005 vorgesehen, Sylvester! Wie wir alle wissen, sollte ein Hotelier gut vorausplanen können!


Mein zweiter Wunsch ist es, um zusammen mit meiner Frau, Herrn Vogt, Herrn Kocher und dem ganzen Bellevue Team das Grand Hotel Bellevue zum Erfolg zu führen. Denn: Erfolg? ist das was folgt, wenn man etwas tut!






Michel Wichmann
geboren am 19. Januar 1971 in Eindhoven, die Niederlande. 
Somit der jüngste 5- Sterne Hoteldirektor der Schweiz. Seit 10- Jahren wohnhaft in der Schweiz, wovon die letzten 7 Jahre in Gstaad. Verheiratet mit Ilse Wichman, geborene Österreicherin, Graz


Schul- und Weiterbildung:
1989&1993 Economische College – Hotelfach Schule, Heerlen, die Niederlande
1993&1994 Privat Schule Hotelmanagement Institut Eindhoven


1991nbsp;SVH Diplom Restaurant- und Cafébetrieb
1995nbsp;Holiday Inn Training «Train de Trainer» Bilderberg Group
1999nbsp;Qualitäts-Gütesiegel für den Schweizer Tourismus – Qualitätscoach
1999nbsp;Der Schüssel zur Erfolgreichen Finanzierung und Refinanzierung, Gastro Bern
2002nbsp;Food & Beverage -Unternehmers Seminar, Betriebswirtschaft Gastro Zürich


Arbeitsplätze:
1993 – 1995 Grand Cafe Ravensdonck  – Restaurant de Vers. Betriebsleiter: Neu-Eröffnung sowie Mitaufbau des Betriebes
1995nbsp;Hotel Cabana in Saanen/Gstaad. Restaurantleiter
1995 – 1996 Hotel Le Grand Chalet in Gstaad&
1996 -&Hotel Delfino, Paradiso in  Lugano
1996 – 1997 Hotel Holiday Inn City Center in Rotterdam, Die Niederlande. F&B Manager – Maitre d’hôtel
1997 – 2002 Hotel Le Grand Chalet in Gstaad. Maitre d’hôtel – Stellvertretung Direktion


Oktober 2002&Grand Hotel Bellevue. F&B Manager – Stellv. Direktor
seit April 2005 Grand Hotel Bellevue. General Manager

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