Museum Franz Gertsch: The Sublime is Now!
Als ästhetische Kategorie meint das Erhabene Wahrnehmbares, das eine Anmutung von Grösse, ja Heiligkeit besitzt, und somit das gewöhnlich Schöne überhöht. Das Sublime ist mit dem Gefühl von Unerreichbarkeit und Unermesslichkeit verbunden, es löst Erstaunen, Ehrfurcht, mitunter Schrecken aus ? und hat die Kunst seit jeher beschäftigt.
Ausgehend von markanten künstlerischen Positionen wie Barnett Newman ? dessen wegweisender Essay von 1948 der Ausstellung den programmatischen Titel gibt ? und kapitalen Werken von Mark Rothko, dem Lichtkünstler James Turrell, James Lee Byars und Anish Kapoor untersucht die Ausstellung besonders die Annäherung an das Sublime in der Gegenwart. Zentral ist das Problem und Paradox, das nicht Darstellbare abzubilden, dem Immateriellen eine Manifestation zu geben.
Die Form der Darstellung von Sublimität reicht dabei vom Ei als erstem Symbol für das Leben (Karin Sander zeigt ein poliertes, rohes Hühnerei, in dessen Oberfläche sich alle umgebenden Kunstwerke spiegeln) bis hin zu jenem letzten Bild, nach dem die mythologischen Argonauten suchten, wie es ein Gemälde von Heribert C. Ottersbach zeigt, und für das die Gegenwart ein allzu schreckliches Bild gefunden hat: das unfassbare Licht einer Atombombenexplosion, eingefangen in einer grossformatigen Kohlezeichnung von Robert Longo. Arbeiten von Wolfgang Tillmans, David Claerbout und Mariele Neudecker verbindet die Metapher der auratischen Landschaft, des Diffusen und Ätherischen. Den Aspekt des »delightful horror«, welcher im Begriff des Sublimen mitschwingt, thematisieren Arbeiten von Gregor Schneider, Michael Raedecker und Martin Creed, die das Vertraute, das Heimelige, als Ort unheimlicher Spiritualität schildern. Sylvie Fleury vergoldet einen Einkaufswagen und erhebt ihn zum Fetisch einer konsumorientierten Ersatzreligion, drei Videofilme von Christian Jankowski zeigen, wie Mystik in einer medialen Welt existiert, und Natascha Borowsky transzendiert Fundstücke zu ikonenhaften, zeitgenössischen Reliquien.
Von der Schönheit des «fast nichts»
Zweiundzwanzig international renommierte Künstlerinnen und Künstler aus 9 Ländern spüren dem Erhabenen in Malerei, Skulptur, Fotografie, (Licht-)Installation und Video nach, einige Arbeiten wurden eigens für die Ausstellung realisiert (z. B. von Janhanguir). Es entsteht ein Dialog mit der puristischen Ästhetik des Museums und nicht zuletzt mit der Kunst von Franz Gertsch. Ein eigener Raum zeigt monumentale Holzschnitte von Franz Gertsch, die sich mit dem Thema der Natur des Berner Oberlandes beschäftigen. (mfg/mc/th)
Zur Ausstellung erscheint im Benteli-Verlag ein Katalog mit Texten von Joseph Imorde, Elke Kania, Reinhard Spieler, Peter J. Schneemann sowie mit Originaltexten von Barnett Newman und Friedrich Schiller (dt./engl., 112 S., CHF 38 /? 25)