Nach Handy-Verkauf müssen andere Siemens-Krisensparten zittern

Vor allem beim schwächelnden IT-Dienstleister SBS könnte Vorstandschef Klaus Kleinfeld zu ähnlich radikalen Massnahmen greifen wie beim Mobilfunkgeschäft. Auch andere Sparten wie die Gebäude- und die Verkehrstechnik sind weit von den strengen Renditevorgaben des Konzerns entfernt.


Alarmglocken
Sollte sich dies in nächster Zeit nicht ändern, bleiben Kleinfeld wie schon bei den Handys vier Möglichkeiten: Sanieren, kooperieren, verkaufen oder schliessen. Bei Arbeitnehmervertretern läuten schon die Alarmglocken. «Das wäre ein Wahnsinn, wenn die Handylösung Modellcharakter hätte», sagt Michael Leppek von der IG Metall. «Da steht eine Firmenkultur auf dem Spiel.»


Druck nimmt zu
Siemens hatte am Vortag verkündet, dass die verlustreiche Handysparte komplett an den taiwanesischen BenQ-Konzern geht. Unter Kleinfelds Ägide könnte sich der Veränderungsdruck im Konzern weiter erhöhen. «Kleinfeld ist bekannt als schneller Entscheider», sagt Theo Kitz vom Bankhaus Merck Finck. «Er schreckt nicht vor radikalen Massnahmen zurück.» In den ersten Jahren seines Vorgängers Heinrich von Pierer sei bei Siemens nur sehr wenig passiert. Erst dann habe sich der heutige Aufsichtsratschef mit seinem berühmten Zehn-Punkte-Programm, das unter anderem die Abspaltung der Halbleitersparte vorsah, zum Handeln entschieden.


Wenig Zeit
Soviel Zeit will sich Kleinfeld nicht lassen. Innerhalb von 18 bis 24 Monaten sollen alle Konzernbereiche die Renditevorgaben erreichen. Kleinfeld verknüpfte auch sein persönliches Schicksal mit diesem Ziel. «Jetzt ist SBS das nächste Thema», glaubt nicht nur Frank Rotauge, Siemens-Experte bei Sal. Oppenheim. Der IT-Dienstleister machte im abgelaufenen Quartal einen Verlust von 129 Millionen Euro. In einem ersten Schritt wurde seither bereits die IT-Wartungsfirma Sinitec mit 1.100 Beschäftigten verkauft. Kleinfeld deutete am Dienstag weitere Schritte an, liess aber offen, wie diese konkret aussehen. Spekuliert wird unter anderem seit längerem über ein Interesse der französischen Firma Atos Origin.


Schlechtere Bedingungen
Dass aber Siemens SBS verkauft und dem Übernehmer dafür – wie bei den Handys – sogar noch viel Geld mit auf den Weg gibt, gilt bei anderen Konzernteilen als eher unwahrscheinlich. «Die Handys können kein Modell sein», sagt auch Analyst Rotauge. In der Mobiltelefonsparte sei die Lage katastrophal gewesen. Verantwortlich dafür sei allein ein Managementversagen gewesen. Offenbar habe Siemens auch kein Vertrauen gehabt, dass die eigenen Führungskräfte das Geschäft auf den richtigen Weg bringen können. Da sei nur noch die kostspielige Trennung geblieben.


SBS als Einstieg
Bei SBS sehe die Lage etwas besser aus, das Geschäft sei von Wert. «Wenn jemand in den deutschen Markt rein will, kommt er an SBS kaum vorbei», sagt Rotauge. Vielleicht werde sich Siemens aber auch für eine aggressive Vorwärtsstrategie entscheiden und selbst Unternehmen übernehmen, damit SBS in die Margenziele kommt.


Silber nicht verscherbeln
Arbeitnehmervertreter warnen eindringlich davor, aus kurzfristigen Renditegesichtspunkten ganze Sparten abzustossen. «Mit dem Verkauf der Handys an BenQ schneidet sich Siemens ins eigene Fleisch. Das ist der Zukunftsmarkt schlechthin», sagt Leppek von der IG Metall. Auch heutige Ertragsperlen wie das Kraftwerksgeschäft oder die Medizintechnik hätten tiefe Täler durchlaufen. Der Konzern würde heute schlechter da stehen, wenn er hier keinen langen Atem bewiesen hätte. «Man kann nicht immer wieder hier und da etwas herausschneiden. Irgendwann sind Herz und Lunge betroffen», sagt Leppek. (awp/mc/as)

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