Particia Seemann: «CEOs mit Selbstvertrauen suchen sich ein Gegensteuer»


Die Unternehmensberaterin und Ärztin Patricia Seemann unterstützt CEOs und Verwaltungsräte in den USA und in Europa beim Management von immateriellen Werten.

Von David Strohm

Moneycab: Frau Seemann, Sie beraten CEOs und Verwaltungsräte in aller Welt. Wo drückt den Topmanagern der Schuh?

Patricia Seemann: Wir zeigen diesen Führungspersönlichkeiten auf, wo Sie Ihre Energie einsetzen, welche ihrer Funktionen Sie prioritär wahrnehmen, und wie Sie Ihre Macht ausüben sollen. Ein CEO setzt die Strategie eines Unternehmens fest, er repräsentiert wie kein anderer die Marke und das Image der Firma, er prägt Führungsstil und Unternehmenskultur. Seine Identifikation mit dem Unternehmen ist extrem hoch. Und er stellt hohe Erwartungen an sein Umfeld, das er sich zusammenstellt aus Leuten, die ähnlich denken wie er.

Wir halten ihm den Spiegel vor, stellen auch mal unbequeme Fragen. Und zeigen ihm, worauf es ankommt, um das Unternehmen voranzubringen.

Sie helfen Unternehmen und deren CEOs, die «weichen Faktoren» besser zu managen. Wie lassen sich diese «Intangibles» überhaupt definieren?

Im Prinzip ist es alles, was in einer Firma Wert schafft und was Ihnen nicht auf die Füsse fallen kann. Dazu gehören unter anderem der Name, die Marke und das Image einer Firma, die Reputation im Markt, die Innovationskraft, das Know-how und das Talent der Mitarbeiter. Heute stellt dies in der Regel schon den grösseren Teil des Unternehmenswertes dar.

Auch makroökonomisch ist ihre Bedeutung sehr hoch: In den USA entfällt mehr als 60%Prozent der gesamten Börsenkapitalisierung auf Firmen, die massgeblich von solchen «Intagibles» ‚leben’ (Dienstleistungen, etc). Vom Gesichtspunkt der Wertschöpfung betrachtet, sollte man sich also genau mit diesen Faktoren beschäftigen.

Woran lässt sich deren Bedeutung denn erkennen?

Die Börse ist da ein guter Gradmesser. Nehmen Sie den Aktienkurs eines Unternehmens im Zeitverlauf. Er verläuft mehr oder wenig stetig, folgt allenfalls den Schwankungen des Marktes. Die grossen ungewöhnlichen Ausschläge aber sind fast immer mit Veränderungen bei den «Intangibles» begründet. Wenn der CEO entlassen wird, oder ein Reputationsschaden einritt, oder sich eine Innovation als besonders erfolgreich herausstellt, dann gibt es die wilden Ausschläge.

Kann man denn derartige Schwankungen überhaupt steuern?

«Intangibles» lassen sich nicht einfach aufbauen oder kaufen, selbst wenn man die Mittel dazu hätte. Sie entstehen in der Kultur des Unternehmens. Sie können aber Bedingungen schaffen, die ihre Entstehung begünstigen – in der Unternehmenskultur, in der Art und Weise, wie ein CEO seine Macht ausübt, wie Strategien entstehen und umgesetzt werden.

Was empfehlen Sie konkret?

Zuerst einmal sollte das Top-Management, also der CEO und der Verwaltungsrat, sich über die Bedeutung der «Intangibles» im Klaren werden. Wir können in einem Audit diese Bedeutung aufzeigen, die Stärken und Schwächen herausarbeiten. Sie können dies in einem groben Überblick machen oder sehr detailliert. Unser Unternehmen kann aber auch ein Expertengremium zur Verfügung stellen, das dem Unternehmen hilft, die «Intangibles» ihrer strategischen Bedeutung entsprechend besser zu bewirtschaften.

Bringt das dem Unternehmen tatsächlich etwas?

Ich will Ihnen ein Beispiel geben. Der CEO einer weltweit tätigen, börsenkotierten Hotelkette hat sich an uns gewandt. Das Unternehmen zeigte kein Wachstum mehr, der Börsenkurs stagnierte, die Investoren und Analysten waren unzufrieden. Jahrelang hat er gemacht, was die Analysten gefordert haben, nämlich Personal abgebaut, Kosten gespart.

Gleichzeitig haben aber die Kunden den Wunsch geäussert, doch wieder einmal in die Hotels zu investieren, den Standard zu heben. Ein Dilemma. Er ist mit dem Ergebnis des Audits zu den Investoren gegangen und hat sie von einer Wachstumsstrategie überzeugt. Es hat sich gelohnt: In nur einem Jahr hat sich der Börsenkurs fast verdoppelt.

Wir können aber auch aufzeigen, ob eine Strategie überhaupt umgesetzt werden kann, und wenn ja wie. Vor allem geht es darum sicherzustellen, dass intern die Vorraussetzungen für eine erfolgreiche Implementierung gegeben sind.

An Sitzungen von Konzernleitungen, aber auch in den Verwaltungsräten, fehlt mitunter eine Kultur des Widerspruchs. Kaum einer traut sich zu fragen, wie denn die Ziele tatsächlich erreicht werden können. Es ist oft schwierig, Zweifel an einer Straegie und ihrer Verwirklichung anzubringen. Kein Wunder, dass viele Pläne in der Umsetzungsphase ins Stottern geraten oder gar scheitern.

Wie lässt sich dieses Dilemma überhaupt lösen?

Die erwähnte völlige Identifikation des CEOs mit seiner Firma kann dazu führen, dass er das Augenmass verliert und davon überzeugt ist, er wisse besser, was für das Unternehmen gut ist, als alle anderen. Da ist es hilfreich, Leute um sich zu haben, die ihm das Wasser reichen können und seine Welt kennen, zum Beispiel aktive Verwaltungsräte mit CEO-Erfahrung oder Berater wie wir.

Wer als CEO genügend Selbstvertrauen hat, und das sollte man in dieser Position, sucht den kritischen Dialog und das Gegensteuer. Davon profitiert man, gerade an der Spitze. Unternehmertum heisst aber immer auch, Risiken einzugehen. Wir versuchen, das Unternehmerische im CEO zu fördern und helfen ihm, die «Intangibles» zu steuern. Richtig gemacht, bringt es einem CEO Erfolg und viel Freude.

Welche Rolle sehen Sie für Verwaltungsräte?

Die ganze Diskussion über Corporate Governance hat dazu geführt, dass die Verwaltungsräte vorsichtiger geworden sind, zuweilen sogar paranoid. Sie klammern sich an die Zahlen und üben Kontrolle im engen Sinn aus, ohne zu lenken. Kontrolle ist wichtig, aber nur ein kleiner Teil der Aufgaben eines Verwaltungsrates. Intangibles müssen eben so bewusst und sorgfältig ‚verwaltet’ werden wie die Zahlen. Denken Sie an eine Kultur der Firma. Sie ist auch ein Risikofaktor. Wenn Regelwerk und Compliance Richtlinien mit der gelebten Kultur in Konflikt geraten, dann ist der Nährboden für Katastrophen à la Enron gegeben.

Der Verwaltungsrat muss sich vergewissern, dass die Firma das tut und tun kann, was sie sagt. Ferner hat der Verwaltungsrat primär die Aufgabe, die Zukunft der Firma vorzubereiten, und dabei muss er über den Quartalsabschluss hinaus denken. «Intagibles» geben massgeblich über die zukünftige Leistungsfähigkeit der Firma Auskunft. Die Finanzen sagen nur etwas über die Vergangenheit aus.

Moneycab Interviews Die Gesprächspartnerin: 
Patricia S. Seemann (1955) ist CEO von Sphere Advisors, einer neugegründeten Unternehmensberatung, die CEOs und Verwaltungsräte unterstützt, in erster Linie in den USA und in Europa. Die promovierte Medizinerin begann ihre Karriere nach fünf Jahren klinischer Tätigkeit bei Sandoz im Group Marketing, wechselte dann zu Serono nach Genf und baute schliesslich bei Hoffmann La Roche mit Erfolg den Bereich Knowledge Management auf.

Dieses Thema führte sie zu Ernst & Young, wo Seemann als Beraterin tätig war. Mitte der neunziger Jahre machte sie sich selbstständig um CEOs zu beraten. Zwischenzeitlich leitete sie den Bereich Corporate Communications bei der Zurich Financial Services. Seit 2002 ist sie wieder freiberuflich tätig.

Sphere Advisors ist ein Netzwek von Experten. Darin befinden sich der ehemalige Präsident von Columbia Broadcasting Systems, Arthur Taylor und der renommierteste Leadership-Berater der USA, Dave Ulrich. Ferner Nancye Green, die als Branding- und Innovationsexpertin Mitglied eines Beratungsgremiums für den CEO von Procter and Gamble ist und Rolf Hüppi, ehemaliger CEO der Zurich Financial Services.
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