Peter Zgraggen, Direktor der Urner Kantonalbank

von Patrick Gunti


Herr Zgraggen, die Urner Kantonalbank hat die Studie «Wirtschaftliche und gesellschaftliche Auswirkungen des Tourismusresorts Andermatt» in Auftrag gegeben, deren Resultate nun veröffentlicht worden sind. Das Tourismusprojekt von Samih Sawiris Andermatt Alpine Destination Company ist an und für sich schon sehr gross – welche generelle Bedeutung hat es auf einen kleinen Kanton wie Uri?


Dieses Projekt ist eine Jahrhundertchance für Uri und in seiner Auswirkung auf unseren Kanton vergleichbar mit dem Bau des Gotthard-Eisenbahntunnels. Andermatt wird zu einer international bekannten Tourismusdestination. Das Resort ist aber nicht nur für Andermatt und den Kanton Uri von zentraler Bedeutung, sondern es wird auch auf die umliegenden Regionen ausstrahlen.


Welches sind die zu erwartenden volkswirtschaftlichen Effekte während des Baus und später während der Betriebsphase?


Das Tourismusprojekt führt mit Baubeginn zu einem beträchtlichen wirtschaftlichen Aufschwung. In den ersten Jahren der intensiven Bautätigkeit steigt der Gesamtumsatz um bis zu 160 Millionen Franken, was bezogen auf die gesamte wirtschaftliche Aktivität Uris im Jahr 2005 einen Zuwachs von gut 3 Prozent entspricht. Die grösste Wertschöpfung ergibt sich dann aber durch den Betrieb: Im Vollbetrieb würde sich gegenüber heute ein Mehrumsatz von jährlich 500 Millionen Franken ergeben, was einer Zunahme von gut 10 Prozent aller heutigen Umsätze im Kanton Uri entspricht.


Welche Veränderungen sind bei den Beschäftigungszahlen beim Bau und später beim Betrieb der Anlage zu erwarten?


In der Phase der intensiven Bautätigkeit werden rund 1000 Arbeitsplätze geschaffen. Im Vollbetrieb – geplant ab dem Jahr 2020 – wird das Resort rund 2600 Personen beschäftigen. Inklusive der in vor- und nachgelagerten Branchen entstehenden Arbeitsplätze werden durch das Tourismusresort in Uri insgesamt 4900 Arbeitsplätze entstehen. Damit könnte die Zahl der Arbeitsplätze im Kanton Uri um 38 Prozent zunehmen.


«Im Vollbetrieb würde sich gegenüber heute ein Mehrumsatz von jährlich 500 Millionen Franken ergeben, was einer Zunahme von gut 10 Prozent aller heutigen Umsätze im Kanton Uri entspricht.» (Peter Zgraggen, Direktor der Urner Kantonalbank)


Wie viele Zuzüger in den Kanton sind zu erwarten?


Im Vollbetrieb steigt die Arbeitsnachfrage in Uri um knapp 5000 Stellen. Die meisten Stellen werden durch den Zuzug ausserkantonaler Arbeitnehmer besetzt werden müssen. Gegenüber dem Stand von 2005 kann im Vollbetrieb mit einem Zuzug von gegen 6000 Personen gerechnet werden. Um die Beschäftigten und ihre Angehörigen unterzubringen, wird mit einem Bedarf von rund 3700 Wohnungen gerechnet. Das entspricht einem Zubau von rund 30 Prozent des aktuellen Wohnungsbestandes.


Lässt sich die enorme Nachfrage überhaupt im Kanton decken und welche Anstrengungen müssen unternommen werden, damit sich das Wohnungsangebot auch so präsentiert, dass die Beschäftigten im Kanton ihren Wohnsitz nehmen?


Unsere Potenzialanalyse zeigt, dass Uri durch Auffüllen der bisher unüberbauten Bauzonenflächen, Verdichtung sowie Neueinzonungen diesen Wohnraum bereitstellen könnte. Allein im Urner Oberland könnten rund 1200 Wohnungen erstellt werden. Die übrigen Wohnungen liessen sich im Urner Unterland realisieren. In Konkurrenz steht das Untere Reusstal insbesondere zur Leventina, da dort der Wohnraum vergleichsweise günstig ist und die Leventina eine ähnliche gute Erreichbarkeit aufweist.


Wie wird sich der Tourismus im Urserntal verändern und wo besteht in diesem Bereich der grösste Handlungsbedarf?


Mit der Realisierung des Tourismusresorts erhöht sich das Beherbergungsangebot im Urserntal von heute 2300 auf rund 7200 Betten. Diese Betten entstehen im vier- und fünf-Stern-Bereich, also in einem Segment, dass bisher weder im Urserntal noch in Uri angeboten wird. Die Zahl der Logiernächte wird im Vollbetrieb auf gegen 1 Million steigen, was im Vergleich zur Saison 2006/2007 mit 70’000 Übernachtungen einer enormen Nachfragesteigerung entspricht. Neben den Wachstumseffekten wird das Resort für den Tourismus im Urserntal, in Uri und in der Gotthardregion zu einem grossen Imagegewinn führen.

Der grösste Handlungsbedarf besteht bei den touristischen Transportanlagen und den Skigebieten. Aber auch bei der Hotellerie und Gastronomie sowie dem Detailhandelsangebot und generell im Bereich der Freizeit-, Sport- und Kulturangebote gilt es Verbesserungen und Erweiterungen zu planen.


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Das Gastgewerbe wird vom Tourismusresort enorm profitieren – welche Branchen können sonst einen grossen Nutzen aus dem Projekt ziehen?


Vom Tourismusresorts Andermatt wird die gesamte Urner Wirtschaft in einem breiten Ausmass profitieren können. Nicht weniger als 10 Branchen können im Vollbetrieb insbesondere als Zulieferer des Tourismusresorts mit einem Umsatzwachstum von über 6 Millionen Franken rechnen. Neben dem Gastgewerbe wird vor allem das Baugewerbe, der Handel, der Verkehr und die Nachrichtenübermittlung profitieren. Voraussetzung dazu ist, dass diese Zulieferbranchen wettbewerbsfähig bleiben und sich weiterhin optimal auf die Markterfordernisse ausrichten.


Der Kanton Uri darf mit deutlich höheren Steuereinnahmen rechnen. In welcher Höhe werden sich diese bewegen?


Unter der Annahme, dass alle zusätzlich beschäftigten Personen Wohnsitz im Kanton Uri nehmen, kann im Vollbetrieb mit zusätzlichen Steuereinnahmen von rund 23 Millionen Franken gerechnet werden. Dies entspricht einer Zunahme gegenüber heute von 16 Prozent.


«Es besteht aber die Gefahr des Klumpenrisikos für die Urner Wirtschaft, wenn die Urner Unternehmen sich ausschliesslich auf die Nachfrage des Tourismusresorts verlassen.»


Welche Chancen und Risiken bestehen für die Urner Volkswirtschaft?


Das Tourismusresort bringt der Urner Volkswirtschaft einen grossen Wachstumsimpuls, von dem zahlreiche Branchen profitieren können. Die zusätzliche Nachfrage durch das Tourismusresort ermöglicht Urner Unternehmen, ihren Betrieb auszubauen. Damit lassen sich Skalenerträge erzielen und die Arbeitsproduktivität erhöhen, was die Wettbewerbsfähigkeit verstärkt.


Es besteht aber die Gefahr des Klumpenrisikos für die Urner Wirtschaft, wenn die Urner Unternehmen sich ausschliesslich auf die Nachfrage des Tourismusresorts verlassen. Es ist somit wichtig, dass sich die Urner Unternehmen auch bewusst auf den Markt ausserhalb Uris ausrichten und dort gute Marktbeziehungen auf- bzw. ausbauen, um so konjunkturelle Schwankungen im Tourismusresort abfangen zu können. Die etappenweise Realisierung des Tourismusresorts bietet der Urner Volkswirtschaft die Chance, sich kontinuierlich und parallel mit dem Ausbau des Resorts weiterzuentwickeln.


Wie wird sich das Image des Kantons Uri infolge des Projekts verändern?


Das Tourismusresort Andermatt ist zweifelsohne ein grosser Gewinn für das Image des Urserntals und des ganzen Kantons Uri. Dies ist bereits heute zu spüren. Man nimmt die Urnerinnen und Urner zunehmend als offen, dynamisch und innovativ wahr.


Welche Herausforderungen bringt das Projekt für die Urner Bevölkerung mit sich – zum Beispiel bei der Wahrung der lokalen Identität und Kultur?


Mit dem Zuzug von Arbeitskräften und ihren Familienangehörigen wird der Trend zur Abnahme der Wohnbevölkerung gestoppt. Durch die Zuwanderung vorwiegend jüngerer Arbeitnehmenden wird die Alterstruktur der Gesamtbevölkerung verjüngt. Gleichzeitig wird der Anteil der ausländischen Bevölkerung ansteigen. Die Zunahme der Gäste und der Bevölkerung im Urserntal bedingen nicht nur Anpassungen und Erweiterungen im Bereich der Infrastruktur und öffentlichen Dienstleistungen sondern auch Massnahmen zur Integration der Zugezogenen sowie zur Stärkung der lokalen Identität und Kultur.


Herr Zgraggen, besten Dank für die Beantwortung unserer Fragen.





Zur Studie:
Die Studie «Wirtschaftliche und gesellschaftliche Auswirkungen des Tourismusresorts Andermatt» wurde von der Urner Kantonalbank in Auftrag gegeben und in Zusammenarbeit mit dem Kanton Uri durch die Firma Ecoplan, Forschung und Beratung in Wirtschaft und Politik, Altdorf und Bern, erstellt. Ebenfalls an der Studie mitgearbeitet haben die beiden Unternehmen Ernst Basler + Partner AG und Fahrländer Partner AG, Zürich.


Kennzahlen zum Projekt:
Die Andermatt Alpine Destination Company (AADC) plant, auf einer Fläche von rund 21 ha Hotels, Appartements und Villen zu realisieren. Weiter sind im Resort ein modernes Sportzentrum mit Schwimmbad und Wellness-Bereich sowie ein 18-Loch Golfplatz geplant. Das Investitionsvolumen für das Gesamtprojekt beläuft sich auf rund 1,1 bis 1,3 Mrd. Franken.


Das Resort wird etappenweise über einen Zeitraum von mehr als 10 Jahren realisiert. Je nach Marktbedürfnissen kann es im Verlauf der Realisierung zu Anpassungen kommen. Die Effekte auf Uri hängen massgeblich von der Etappierung und dem Erfolg des Resorts ab. Die Ergebnisse der Studie basieren auf den von AADC am 8. Mai 2008 zur Vorprüfung eingereichten Quartiergestaltungsplänen.


Zum Unternehmen:
Im Jahr 1915 gegründet, bietet die Urner Kantonalbank als klassische Universalbank sämtliche modernen Dienstleistungen an. Mit 10 Geschäftsstellen und 120 Mitarbeitenden ist sie die grösste Bank im Kanton. Sie bekennt sich zum Wirtschaftsstandort Uri und damit auch zur Sicherung von Arbeitsplätzen in der Region. Sowohl für Privatkunden als auch für kleine und mittelgrosse Unternehmungen (KMU) stehen optimale und auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnittene Finanzlösungen im Vordergrund. Rund 35’000 Kunden nutzen die umfassende Dienstleistungspalette.


Zur Person :
Peter Zgraggen (1948) ist seit 1990 Vorsitzender der Geschäftleitung der Urner Kantonalbank. Nach der Lehre beim Bankverein war er für dieses Bankinstitut in Genf und Lugano tätig. Nach insgesamt 13 Jahren beim Bankverein wechselte er zur Volksbank und übernahm die Agenturleitung der Filiale in Altdorf. Er absolvierte die Swiss Banking School und diverse weitere Ausbildungen im Bereich der Unternehmensführung. In seiner Freizeit bewegt er sich gerne in den Bergen, zu Fuss oder mit dem Bike.

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