Plan zu Roschachers Demontage aufgetaucht

Noch ist nicht klar, wer Regie führte. Doch es gab eine Art geheimes Drehbuch für das Schauspiel, mit dem der damalige Bundesanwalt Valentin Roschacher im Frühsommer 2006 aus dem Amt gedrängt wurde. Dies hat der «Tages-Anzeiger» aus zuverlässigen Quellen erfahren. Im Papier sind Politiker und Journalisten namentlich aufgelistet, die zu einem bestimmten Zeitpunkt Druck auf Roschacher ausüben sollen – mit Vorstössen im Parlament und mit Medienbeiträgen. 

Dokument bei Holenweger sichergestellt
Diesen detaillierten Plan trug der frühere Bankier Oskar Holenweger bei sich, als ihn die deutsche Polizei am 26. März 2007 in Stuttgart kontrollierte. Auch dies wurde dem «Tages-Anzeiger» von mehreren unabhängigen Quellen bestätigt. Gegen Holenweger läuft seit Mitte 2003 eine Strafuntersuchung wegen Verdachts auf Geldwäscherei. Dabei kam ein verdeckt ermittelnder deutscher Polizist zum Einsatz, der vorgab, er wolle Drogengeld waschen. Möglicherweise wollte Holenweger in Stuttgart diesem Mann auf die Spur kommen. Jedenfalls fiel er auf, als er um das Landeskriminalamt herumschlich. Die Sicherheitsbeamten nahmen ihn fest, durchsuchten ihn und stellten dabei diverse Dokumente sicher.

Start der Demontage Roschachers an Pfingsten 2006
Der bei dieser Gelegenheit entdeckte Plan zur Demontage Roschachers fixierte den entscheidenden Zeitpunkt – die Stunde Null – auf Pfingsten 2006. In der Tat geriet der seit längerem umstrittene Bundesanwalt damals unter Druck wie nie zuvor. Die «Weltwoche» berichtete gestützt auf vertrauliche Unterlagen über den Fall Ramos. Dabei ging es um den Einsatz eines verurteilten kolumbianischen Drogenbosses als Informanten der Bundeskriminalpolizei. Ramos lieferte unter anderem den Anfangsverdacht gegen Holenweger. Die «Weltwoche» stellte den Einsatz von Ramos als «Fiasko» dar und übte scharfe Kritik an Roschacher. Noch am Pfingstmontag kündigte das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement eine «ausserordentliche Überprüfung» der Tätigkeit Roschachers an. Dies hätten EJPD-Vorsteher Christoph Blocher und der Präsident der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts, Emanuel Hochstrasser, an jenem Feiertag vereinbart, teilte das Departement mit.


Blochers Kompetenzüberschreitung
Die fachliche und die administrative Untersuchung kamen später beide zum Schluss, dass sich Roschacher im Fall Ramos rechtlich korrekt verhalten hatte – auch wenn der Einsatz des Kolumbianers ungewöhnlich war. Es gebe keine Gründe für ein aufsichtsrechtliches oder disziplinarisches Einschreiten, teilte das EJPD mit. Doch noch bevor diese Ergebnisse vorlagen, reichte Roschacher Anfang Juli 2006 seinen Rücktritt auf Ende Jahr ein. Den Ausschlag gab gemäss seinem Sprecher «die Summe der in den letzten zwei Jahren geführten Auseinandersetzungen um seine Person und die Bundesanwaltschaft». Bundesrat Blocher sprach Roschacher eine Abgangsentschädigung zu, die offenbar einen Jahreslohn übersteigt. Dies lässt sich daraus schliessen, dass die Finanzdelegation später festhielt, die Entschädigung hätte vom Gesamtbundesrat und von ihr selbst genehmigt werden müssen. Sie rügte Blocher wegen Kompetenzüberschreitung. Der Justizminister ist gegenteiliger Ansicht.


Wer wirkte wissentlich mit?
Den Gründen für Roschachers Abgang ist in den letzten zwölf Monaten eine Subkommission der nationalrätlichen Geschäftsprüfungskommission unter Leitung von Lucrezia Meier-Schatz vertieft nachgegangen. Zur Frage, ob sie Kenntnis habe von dem Anti-Roschacher-Plan, dessen Existenz der «Blick» am Samstag publik machte, wollte sich die St. Galler CVP-Nationalrätin am Wochenende nicht äussern. Sie antwortete lediglich, sie werde «zu gegebener Zeit» informieren. Auch das Subkommissionsmitglied Geri Müller (Grüne, Aargau) liess offen, ob er von dem Plan Kenntnis hat. «Dazu möchte ich nicht Stellung nehmen», sagte er. Er zeigte sich aber «sehr überrascht, dass dies im erschienen ist». Für Müller ist jedenfalls klar, dass das Thema das Plenum der Geschäftsprüfungskommission beschäftigen muss. Dieses trifft sich am kommenden Mittwoch. Zentral ist dabei die Frage, wer wissentlich an dem Plan mitgewirkt hat. Es gibt Indizien, dass dieser nicht allein das Werk von Oskar Holenweger ist, der sich gegen die Vorwürfe der Strafverfolgungsbehörden wehrt und um seine Reputation kämpft.


(Tagesanzeiger/mc/hfu)

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