Ralf J. Bopp, Direktor Handelskammer Deutschland-Schweiz

von Patrick Gunti


Herr Bopp, auch 2007 hat der Handel zwischen der Schweiz und Deutschland Rekordwerte erzielt. Das Volumen übertraf erstmals die 100-Mrd. Franken-Marke. Was hat das letzte Jahr gekennzeichnet?


Vor allem die ausgezeichnete Konjunktur. Sowohl Deutschland als auch die Schweiz sind stark in den Welthandel eingebunden und sind bedeutende Zulieferer von Halbfabrikaten und Investitionsgütern. Durch die enge Verflechtung zwischen der deutschen und der schweizerischen Wirtschaft haben auch die gegenseitigen Handelsbeziehungen profitiert.


Die Ausfuhren nach Deutschland legten um 14,2 % auf 41,2 Mrd. Franken zu. Welche Branchen haben hier die grössten Anteile zu verzeichnen?


Der Bereich Maschinen, Anlagen und Elektronik mit 26,3% und der Bereich Chemie, Pharmazeutische Produkte mit 26,9% sind zu gleichen Teilen die Schwergewichte im Schweizer Export nach Deutschland. Aber auch Vorprodukte im Metallbereich mit 14% und Präzisionsinstrumente mit 10,8% haben einen nenneswerten Anteil.


Und wie sieht es bei den Einfuhren aus, die ein Volumen von 62,2 Mrd. Franken (+12,9 %) erreichten?


Hier sind Maschinen, Anlagen und Elektronik mit 23,9% eindeutig die stärkste Gruppe. Die Schweizer Wirtschaft kauft in Deutschland zu 16,8% chemische und pharmazeutische Produkte, zu 13,3% Metallwaren und nicht zuletzt, die Produkte der deutschen Automobilindustrie mit 9,2% ein.


«Insbesondere die Möglichkeiten und die Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit in den unternehmensnahen Dienstleistungsbereichen sind seit in Kraft treten der bilateralen Verträge deutlich vereinfacht.» (Ralf J. Bopp, Direktor Handelskammer Deutschland – Schweiz)


Deutlich angestiegen ist der Export von Dienstleistungen aus Deutschland in die Schweiz. Um welche Dienstleistungen handelt es sich dabei hauptsächlich und auf was ist die Steigerung zurückzuführen?


In der Tat macht heute der Dienstleistungsanteil schon 40%, gemessen an der Höhe des Handelsvolumens aus. Insbesondere die Möglichkeiten und die Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit in den unternehmensnahen Dienstleistungsbereichen sind seit in Kraft treten der bilateralen Verträge deutlich vereinfacht. Insbesondere Ingenieur- und technische, sowie kaufmännische Dienstleistungen sind im vergangenen Jahr aus Deutschland erbracht worden.


Mit 13,25 Mrd. Euro erreichten auch die deutschen Direktinvestitionen einen Rekordwert. Wo sehen Sie die Gründe?

Zunächst einmal werden einige wenige Einzeltransaktionen zu dem Ergebnis beigetragen haben. Dies erklärt aber diesen absoluten Rekordwert nicht alleine. Vielmehr dürfte auch hier die gute konjunkturelle Lage ein Grund sein. Direktinvestitionen folgen meist den Exporten und dem Dienstleistungsexport. Zudem ist der Schweizer Wirtschaftsstandort sehr attraktiv und wettbewerbsfähig. Als Stärken des Standorts sehe ich das moderate Steuerniveau, den flexiblen Arbeitsmarkt, die ausgebildeten und motivierten Fachkräfte, nicht zuletzt die Planungssicherheit für die Unternehmen sowie die geringe Regelungsdichte. Diese Punkte zusammengenommen bieten ausgezeichnete Rahmenbedingungen für internationale Investoren, darunter auch deutsche Unternehmer.

Wie präsentiert sich die Lage im umgekehrten Fall und welche Bedeutung haben die Schweizer Direktinvestitionen für Deutschland?


Schweizer Unternehmen haben auch mit über 1 Mrd. Euro in Deutschland investiert, ebenfalls ein hoher Wert im langjährigen Vergleich. Auch hier dürfte die Konjunktur für zusätzlichen Schub gesorgt haben. Für Schweizer Unternehmen ist immer der riesige Absatzmarkt, praktisch direkt vor der Haustüre, bedeutend. Mit der Gründung von Tochtergesellschaften, Vertriebsrepräsentanzen, Beteiligungen und Firmenkäufen sichern die meisten ihre Position in dem hart umkämpften deutschen Markt ab. Übrigens- und das ist wenig bekannt- im Wettbewerb im Ranking des World Economic Forums um den weltweit wettbewerbsfähigsten Standort, gehört Deutschland zu den engsten Verfolgern der Schweiz: Sie liegt weltweit auf Platz 2 und Deutschland auf Platz 5 in der Gesamtbewertung.


Auch 2007 waren Baden-Würtemberg, Nordrhein-Westfalen und Bayern – die drei wirtschaftlich stärksten Bundesländer – die wichtigsten Schweizer Handelspartner. Wie sehen Sie das Potenzial und die Entwicklung in den anderen Bundesländern?


Der Wirtschaftsaustausch folgt dem Bild der Industriestruktur in den Ländern. Mit den wirtschaftlich starken Bundesländen, hierzu gehört auch Hessen, findet der stärkste Wirtschaftsaustausch statt.


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Von welcher Gesamtentwicklung im Handel zwischen den beiden Ländern gehen Sie im laufenden Jahr aus?


Die Handelskammer Deutschland-Schweiz rechnet mit einer Abschwächung der Zuwachsraten des Waren- und Dienstleistungsaustausches, allerdings mit keinem Rückgang.


Die Attraktivität des Arbeitsplatzes und Wohnorts Schweiz hat für deutsche Arbeitnehmer im vergangenen Jahr weiter zugenommen. Wie beurteilen Sie die daraus entstandene – teilweise polemisch geführte – Diskussion in der Schweiz?


Es hat in der Zwischenzeit ein regelrechter Wettbewerb um die Gunst der qualifizierten Kräfte ein Europa, eigentlich weltweit, eingesetzt. Für mich ist die hohe Attraktivität des Arbeitsplatzes und Wohnorts Schweiz ebenfalls ein Zeichen der hohen Wettbewerbfähigkeit des Schweizer Wirtschaftsstandorts. Die Verfügbarkeit von ausgebildeten Fachkräften ist ein sehr wichtiges Kriterium für einen Investitionsentscheid der Unternehmen.


Die Handelskammer Deutschland – Schweiz zeigt sich besorgt über das politische Klima zwischen den beiden Ländern. Stichworte dazu sind der Steuerstreit und das Bankgeheimnis. Ihre Stellungnahme?


Angesichts des beachtlichen Wirtschaftsaustausches und der engen Verflechtung beider Länder ist es tatsächlich erstaunlich, dass es eine Reihe von Irritationen gibt. Die Basis des gegenseitigen Respekts und der Akzeptanz, auch unterschiedlicher Auffassungen von Steuerwettbewerb und Steuersystemen, darf nie verlassen werden. Man soll dem Zinsbesteuerungsabkommen, welches die Schweiz mit der EU nach langen Verhandlungen verabschiedet hat, nun auch einmal Zeit in der Praxis lassen.


«Das derzeit praktizierte Anflugregime ist keine Lösung. Es muss eine Regelung gefunden werden, die eine bessere Akzeptanz auf beiden Seiten des Rheins findet.» (Ralf J. Bopp) 


Welche Auswirkungen befürchten Sie?


Die Themen die gegenseitig Probleme aufwerfen sind bekannt. Missverständnisse müssen ausgeräumt und sachlich in schwierigen Fragen auf dem Informations- oder wo es notwendig wird, auf dem Verhandlungsweg Lösungen gefunden werden. Die gegenseitig engen Beziehungen verpflichten uns dazu. Hier setzen wir auf den Besuch der Bundeskanzlerin Merkel zum Ende diesen Monats.


Wie präsentiert sich für die Handelskammer das Dauerthema Flughafen Zürich-Kloten?


Diesen Fall meine ich unter anderem: Das derzeit praktizierte Anflugregime ist keine Lösung. Es muss eine Regelung gefunden werden, die eine bessere Akzeptanz auf beiden Seiten des Rheins findet.


Sorgen bereitet Ihnen die im Juli 2009 in Kraft tretende Zollsicherheitsinitiative der EU. Welche Folgen befürchten Sie?


Dabei geht es darum, dass sicherheitsrelevante Informationen in Vorabmeldungen den Zollbehörden im Landverkehr 1 Std. und im Eisenbahnverkehr 2 Stunden im voraus gemeldet werden sollen. Zur Verdeutlichung: Täglich überqueren 23.000 LKWs und über 4.400 Güterwagen die Grenze zwischen der Schweiz und der EU, jährlich werden über 12 Mio. Zolldeklarationen ausgefüllt, der Hauptteil betrifft die Grenze zu Deutschland. Bereits heute kommt es an Werktagen fast täglich zu Staus, welche sich trotz des hohen Engagements der Zollbehörden beider Länder nicht hinreichend eindämmen lassen. Sollte die Zoll-Sicherheitsinitiative in der geplanten Form eingeführt werden, ist bei dem hohen Verkehrsaufkommen mit einer drastischen Verschärfung der Stauproblematik zu rechnen. Vor dem Hintergrund, dass die Schweiz gleich hohe Sicherheitsstandards wie die EU kennt, ist eine solche zusätzliche Behinderung für die Unternehmen unerträglich. Administrative Belastungen sollen ja abgebaut werden. Darum sollen überhaupt keine zusätzlichen Voranmeldungen erlassen werden. Auch eine Reduzierung der Voranmeldefrist auf «Null» ist nicht ausreichend, weil die Firmen neu – gegenüber heute zusätzlich – täglich tausende von Einzelmeldungen auszufüllen hätten.


Herr Bopp, herzlichen Dank für das Interview.





Zur Organisation:
Die Handelskammer Deutschland-Schweiz ist seit rund 100 Jahren ein wichtiges Bindeglied in den Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland, der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein. Die Handelskammer Deutschland-Schweiz ist eine moderne Dienstleistungsorganisation und Teil des weltumspannenden deutschen und schweizerischen Kammer-Netzwerkes. Sie ist eine private Organisation, die sich über freiwillige Mitgliedschaften und exklusive Dienstleistungen wie Rechts- und Steuerberatung, Firmengründungen, Markterschliessung- oder Exportberatung finanziert. Mit spezialisierten Fachleuten liefert die Handelskammer Deutschland-Schweiz Dienstleistungen, Konzepte, Strategien und Gutachten. Darüber hinaus vertritt sie wichtige Messen, vermittelt Geschäftskontakte und Vertriebspartner, veranstaltet Seminare und führt einen Auskunftsdienst mit über 15’000 Kontakten pro Jahr.


Zur Person:
Ralf J. Bopp, geb. 13.9.1959 in Frankfurt a.M., verheiratet 3 Kinder, Dipl. Volkswirt, seit 1.12.1990 in der Schweiz und seit 1.7.2005 Direktor der Handelskammer Deutschland-Schweiz

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